VwGH vom 24.11.1992, 91/04/0282
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63-W 563/90, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Kleinhandel, im Standort W, S-Gasse 3, gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 nicht Folge gegeben. Zur Begründung wurde - nach Darstellung der Rechtslage - im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich der praktischen Tätigkeit die Bescheinigung des Ing. G vom vorgelegt, wonach er in der Zeit von Februar 1985 bis zum als kaufmännischer Volontär tätig gewesen sei. Hinsichtlich der schulischen Ausbildung habe der Beschwerdeführer jedoch nur den erfolgreichen Besuch der zweiten Klasse der Berufsschule für Gas-, Wasser- und Zentralheizungsinstallateure vom vorlegen können. Nach eigenen Angaben sei ein vorzeitiger Austritt aus dieser Berufsschule erfolgt, sodaß die dritte Klasse der vorhin genannten Berufsschule nicht mehr besucht worden sei. Nach diesem Klassenzeugnis hätten die Jahresunterrichtsstunden insgesamt 333 betragen, wovon jedoch der Nachsichtswerber 64 Unterrichtsstunden versäumt habe. Der Unterrichtsgegenstand "betriebswirtschaftlicher Unterricht" habe sich lediglich in Wirtschaftsrechnen, Schriftverkehr mit Gewerbekunde und Buchführung gegliedert. Da der Beschwerdeführer keine weitere schulische Ausbildung habe, trete die erkennende Behörde der Auffassung der Erstinstanz bei, daß der Beschwerdeführer auf Grund der beigebrachten Unterlagen über die erforderliche kaufmännische Ausbildung nicht verfüge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf antragsgemäße Nachsichtserteilung als verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den Berufungsbescheid wie folgt begründet: "Da eine weitere schulische Ausbildung nicht nachgewiesen werden konnte, tritt die erkennende Behörde der Auffassung der Erstinstanz bei, daß der Nachsichtswerber auf Grund der beigebrachten Unterlagen über die erforderliche kaufmännische Ausbildung nicht verfügt."
Dies entspreche nicht der ratio des § 28 Abs. 1 GewO 1973. Keinesfalls sei dieser Gesetzesstelle zu entnehmen, daß die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen ausschließlich auf Grund einer schulischen Ausbildung vorhanden sein müßten. In Wahrheit setze sich die belangte Behörde mit dieser Gesetzesstelle auch gar nicht auseinander, "sondern prüfe anhand von § 106 GewO, ob ein Befähigungsnachweis vorliegt". Nach der Absolvierung von Volks- und Hauptschule sowie des Polytechnikums habe der Beschwerdeführer den Installateurberuf zu erlernen begonnen, wobei er auch die "Berufsschule für Gas, Wasser und Zentralheizung für Installateure" besucht habe. Da ein vorzeitiger Austritt aus dem Unternehmen seines Lehrherrn notwendig gewesen sei, sei er seither bei der Magistratsdirektion der Stadt Wien beschäftigt gewesen und sei dort in der Magistratsdirektion, Verwaltungsorganisation - Dienstkraftwagenbetrieb auch mit Büro- und kaufmännischen Arbeiten betraut. Daneben sei er bei der Firma Ing. G in der Zeit von Februar 1985 bis als kaufmännischer Volontär tätig gewesen und habe dort sämtliche Voraussetzungen und Kenntnisse zur selbständigen Führung eines eigenen Geschäftes erworben.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, auf Grund der bereits gerügten unrichtigen Rechtsauffassung habe "das Amt der Wiener Landesregierung" in Verletzung von Verfahrensvorschriften die für eine Subsumtion des vorliegenden Sachverhaltes unter § 28 Abs. 1 GewO 1973 erforderlichen Feststellungen unterlassen und sich mit dem eingebrachten Antrag nicht meritorisch befaßt. Da für die Nachprüfbarkeit eines Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes eine Begründung erforderlich sei, obliege es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, daß den Parteien des Verwaltungsverfahrens die Verfolgung ihrer Rechte und dem Verwaltungsgerichtshof die rechtliche Kontrolle des Ermessens möglich sei. Eine Begründung des angefochtenen Bescheides liege jedoch überhaupt nicht vor, und es sei die Bescheiderlassung daher willkürlich erfolgt, sodaß diese Entscheidung auch den Gleichheitsgrundsatz verletze.
Weiters rügt der Beschwerdeführer, daß der angefochtene Bescheid mangelhafte bzw. keine Sachverhaltsfeststellungen enthalte und sohin nicht überprüfbar sei. Auf die Einwände und Anträge werde überhaupt nicht eingegangen, die maßgebenden Überlegungen würden rechtswidrigerweise nicht genannt. Eine auf die getroffenen Feststellungen gestützte Beurteilung der Rechtsfrage könne daher nicht eindeutig erfolgen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:
Was zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, die belangte Behörde habe bei Anwendung des § 28 GewO 1973 ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt, ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei § 28 GewO 1973 um keine Ermessensbestimmung handelt (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/04/0110 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).
Nach § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973 handelt es sich bei einem Handelsgewerbe um ein gebundenes Gewerbe, also um ein Gewerbe, dessen Ausübung an den Nachweis der Befähigung in der gesetzlich angeordneten Art gebunden ist.
Nach § 106 GewO 1973 ist der Befähigungsnachweis für ein Handelsgewerbe durch das Zeugnis über die mit Erfolg abgelegte Lehrabschlußprüfung in einem einem Handelsgewerbe entsprechenden Lehrberuf - oder durch den Nachweis einer Ausbildung, durch die die Lehrabschlußprüfung auf Grund von Vorschriften gemäß dem Berufsausbildungsgesetz ersetzt wird - sowie durch das Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit, die in einer mindestens zweijährigen kaufmännischen Tätigkeit zu bestehen hat, zu erbringen.
§ 28 Abs. 1 GewO 1973 normiert, daß - sofern eine Verordnung gemäß § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt -, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis - ausgenommen vom Erfordernis der Zusatzprüfung gemäß § 99 oder 102 - zu erteilen ist, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und (Z. 1a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zumutbar ist, oder (b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen und (Z. 2) keine Ausschließungsgründe des § 13 vorliegen. (Die Aufhebung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 317, 318/91, 16/92, BGBl. Nr. 447/1992, wird erst mit in Kraft treten).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes normiert diese Gesetzesstelle somit als kumulatives Tatbestandserfordernis, es müsse vom Nachsichtswerber nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit angenommen werden können, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, daß weiters dazu einer der beiden im § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a oder b leg. cit. umschriebenen Ausnahmetatbestände erfüllt ist und daß schließlich gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. kein Ausschließungsgrund des § 13 GewO 1973 vorliegt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0319 und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, ist Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis unter anderem das Vorliegen der vollen (nicht etwa nur einer hinreichenden) Befähigung. In diesem Sinne umfaßt die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/04/0171 und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung). Hiebei bilden allein die den Befähigungsnachweis betreffenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die (kumulative) Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 vorliegt, daß nämlich nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt. Die Nachsicht hat somit die Erbringung eines "formellen Befähigungsnachweises" zum Gegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0149).
Die belangte Behörde geht nun davon aus, daß, was die schulische Ausbildung betreffe, der Beschwerdeführer "nur den erfolgreichen Besuch der zweiten Klasse Berufsschule für Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateure vorlegen" habe können. Daraus leitet die belangte Behörde - nach Darlegung verschiedener Details aus dem vorgelegten Klassenzeugnis sowie unter Hinweis darauf, daß eine weitere schulische Ausbildung nicht nachgewiesen sei - ab, der Auffassung der ersten Instanz sei beizutreten, daß der Nachsichtswerber auf Grund der beigebrachten Unterlagen nicht über die erforderliche kaufmännische Ausbildung verfügt.
Ausgehend vom Inhalt und Umfang der im Rahmen des Befähigungsnachweises nachzuweisenden Kenntnisse kann der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie anhand der im angefochtenen Bescheid angeführten, vom Beschwerdeführer beigebrachten Nachweise und Belege über seine schulische Ausbildung zu der Annahme gelangte, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, im Sinne des § 28 Abs. 1 GewO 1973 die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachzuweisen, aus denen eine volle Befähigung des Beschwerdeführers für das angestrebte Gewerbe zu schließen wäre. Daß der Beschwerdeführer die normativ geforderten Kenntnisse im Sinne des Befähigungsnachweises etwa anderweitig erworben hätte, bringt der Beschwerdeführer (in substantiierter Form) nicht vor.
Der belangten Behörde kann im Ergebnis keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet oder ihr ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie schon im Hinblick darauf zur Abweisung des Nachsichtsansuchens des Beschwerdeführers gelangte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.