VwGH vom 14.05.1999, 96/19/2584
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1963 geborenen F S in N, vertreten durch Dr. M und Dr. L, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 102.607/10-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Jugoslawiens, der nach der Aktenlage seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, stellte im August 1993 bei der österreichischen Botschaft in Bern einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 FrG abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom gemäß den §§ 2 und 9 Abs. 3 AufG ab.
In Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 95/21/0292, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, da es die belangte Behörde unterlassen habe festzustellen, wann (genaues Datum) der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bei der österreichischen Botschaft eingebracht worden sei. Hätte nämlich zum Zeitpunkt der Antragstellung die Ehe mit seiner österreichischen Frau bereits bestanden, wäre eine Verkürzung der Frist des § 3 Abs. 2 AufG auf nur wenige Tage im Rahmen der gemäß § 3 Abs. 3 AufG anzustellenden Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG ab. Die belangte Behörde führte begründend aus, dass Fremden gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Sichtvermerk nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Da der Beschwerdeführer sichtvermerksfrei ins Bundesgebiet eingereist sei, solle ihm die Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer trotz bestehender Sichtvermerkspflicht sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist sei und sich noch immer im Bundesgebiet aufhalte. Da er sich somit unerlaubt im Bundesgebiet befinde, stelle diese Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar, da sein Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könnte. § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 FrG fänden durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, dass durch den Aufenthalt seiner Gattin im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. , B 445/93) stelle die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG aber einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am ) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufenthaltsG
BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 FrG lautete:
"Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
....
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde
....
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll."
§ 4 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt worden von:
...
2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde."
Da der Beschwerdeführer weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.
Der Beschwerdeführer bestreitet weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Feststellung der belangten Behörde, (laut Berufung: im Dezember 1993) "sichtvermerksfrei" ins Bundesgebiet eingereist zu sein und sich nach wie vor im Bundesgebiet aufzuhalten. Er bringt jedoch vor, zur sichtvermerksfreien Einreise und zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen zu sein, weil das nach § 14 Abs. 3 FrG zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien betreffend die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (BGBl. Nr. 365/1965 in der Fassung BGBl. Nr. 117/93 - gemeint wohl 117/83) geschlossene Abkommen nur gegenüber Serbien und Montenegro, nicht jedoch gegenüber der autonomen Republik Kosovo aufgehoben worden sei.
Dem ist zu entgegnen, dass sich die Aussetzung der pragmatischen Weiteranwendung des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (BGBl. Nr. 365/1965) durch die Kundmachung BGBl. Nr. 386a/1992 im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien auch auf den Kosovo erstreckt, weil die serbische Provinz Kosovo - wie allgemein bekannt - zur Bundesrepublik Jugoslawien gehört. Demnach war eine sichtvermerksfreie Einreise des Beschwerdeführers im Dezember 1993 nicht (mehr) möglich.
Voraussetzung für das Vorliegen des von der belangten Behörde herangezogenen Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 6 zweiter Fall FrG ist, dass der Fremde nach einer zulässigen sichtvermerksfreien Einreise weiterhin im Bundesgebiet verblieben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 97/19/0121 bis 0124, 0140 bis 0145). Da der Beschwerdeführer aber nicht sichtvermerksfrei, sondern ohne im Besitz eines erforderlichen Sichtvermerkes zu sein, sohin unrechtmäßig, ins Bundesgebiet eingereist ist, vermag eine auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung der belangten Behörde die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers nicht zu tragen.
Die belangte Behörde stützte sich in ihrer Begründung allerdings auch auf den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG. Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, dass ein weiterer Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährdet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1658). Die Heranziehung von § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn der Beschwerdeführer rügt, dass es die Behörde unterlassen habe, das Verfahren gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom zu 95/21/0292 in Bezug auf § 3 Abs. 2 und 3 AufG zu ergänzen, übersieht er, dass ein Rechtsanspruch auf Bewilligung einer Aufenthaltsbewilligung jedenfalls nur besteht, wenn keine Ausschließungsgründe nach § 5 AufG vorliegen.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 8 Abs. 2 MRK beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen von Fremden im Fall einer unrechtmäßigen Einreise beim Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/19/0464).
Soweit der Beschwerdeführer schließlich als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, dass ihm keine Möglichkeit gegeben wurde, zur Änderung des Versagungsgrundes Stellung zu nehmen, geht aus seinem Beschwerdevorbringen nicht hervor, was er bei Vermeidung des Verfahrensmangels vorgebracht hätte und inwiefern dieses Vorbringen geeignet gewesen wäre, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu gelangen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am