VwGH vom 02.07.1999, 96/19/2574
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1974 geborenen B K in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 300.066/8-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die zuletzt über einen Wiedereinreisesichtvermerk vom bis verfügte, beantragte am die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0757, als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragte am neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom abgewiesen. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe gegen die Beurteilung der ersten Instanz eingewendet, dass sie in ihre Heimat nicht zurückkehren könne, da sie nichts besitze und aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen in Österreich bleiben wolle. Unbeschadet dieses Vorbringens sei für die Beurteilung des Antrages jedoch wesentlich, dass § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 dieses Gesetzes liege ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Nach der auch auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beruhenden Aktenlage stehe fest, dass ihre am mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden sei. Aufgrund dieses Urteiles sei auch der am gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , zugestellt am , abgewiesen worden. Trotzdem sei die Beschwerdeführerin, ohne im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung zu sein und somit illegal, im Bundesgebiet geblieben. Auch nach Abweisung ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , zugestellt am , und auch nach Abweisung ihrer Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof habe die Beschwerdeführerin ihren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt. Dass sich die Beschwerdeführerin tatsächlich im Inland aufhalte, werde nicht nur durch ihre polizeilich aufrechte Meldung, sondern auch durch die Tatsache, dass sie ihren Antrag sowie ihre Berufungen im Inland eingebracht habe, und durch ihre Berufungsangaben gestützt. Habe die Beschwerdeführerin schon durch die Eingehung einer Scheinehe ihre verwerfliche Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung gezeigt und sei dadurch die öffentliche Ordnung gefährdet worden, so sei auch der mehr als einjährige illegale Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, da das Verhalten der Beschwerdeführerin auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könnte. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor, der durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung finde.
Bei Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 MRK habe die belangte Behörde festgestellt, dass allein die wirtschaftliche und finanzielle Besserstellung, welche die Beschwerdeführerin ausschließlich in der gegenständlichen Berufung geltend gemacht habe, keine nennenswerten persönlichen Interessen darstellen, und die öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, überwögen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides () hatte die belangte Behörde das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 heranzuziehen. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes hatten folgenden Wortlaut:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
§ 4 Z. 2 und 4 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, hatte folgenden Wortlaut:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin hat zwar rechtzeitig vor Ablauf ihres am erteilten und bis gültigen Wiedereinreisesichtvermerkes einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragt. Allerdings wurde dieser Antrag vom mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom abgewiesen. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist der nach rechtskräftiger Abweisung dieses Antrages gestellte neuerliche Antrag der Beschwerdeführerin vom . Ein Fall des § 113 Abs. 6 und 7 FrG 1997 liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid ist nicht am außer Kraft getreten. Die belangte Behörde wertete den vorliegenden Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.
In der Beschwerde bleibt die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde unbestritten, dass die von der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger (zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen) am geschlossene Ehe mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom für nichtig erklärt wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Ein solches Verhalten rechtfertigt auch ohne zusätzliche Anhaltspunkte - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG umschriebene Prognose, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/2766).
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Bescheidzustellung am ) lag der Eheabschluss rund fünf Jahre und vier Monate zurück. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete die auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützte Gefährdungsprognose in seiner Rechtsprechung auch in einem Fall für gerechtfertigt, in dem der Eheabschluss länger als sieben Jahre zurückreichte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/3068). Schon von dem seit Eingehung der Ehe verstrichenen Zeitraum her liegt vorliegendenfalls auch kein dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/18/0097, vergleichbarer Sachverhalt vor. Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Ansicht kann auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin gerichtlich unbescholten und auch verwaltungsstrafrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist, nicht zu ihren Gunsten ausschlagen.
Die belangte Behörde hat ihre abweisende Entscheidung auch darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin nach rechtskräftiger Abweisung ihres Verlängerungsantrages, ohne im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung zu sein, im Bundesgebiet verblieben ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/1961) ausgesprochen hat, rechtfertigt ein länger dauernder Aufenthalt eines Fremden im Anschluss an die rechtskräftige Abweisung seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages grundsätzlich die Annahme, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat jedoch Platz zugreifen, wenn der sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Fremde zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/2066, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Dies ist jedoch nicht der Fall: Unter § 4 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, fiel die Beschwerdeführerin nicht, weil sie als Mutter ihrer am geborenen Tochter, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, keine Angehörige im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG ist.
Auch die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 4 kommt nicht zum Tragen:
Diese kommt nur jenen Personen zugute, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Zwar hatte die Beschwerdeführerin eine am ausgestellte, bis gültige Arbeitserlaubnis, doch verfügte sie noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung. Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung ist die im § 1 Abs. 1 AufG beschriebene besondere Bewilligung gemeint. Die Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund von Wiedereinreisesichtvermerken fällt nicht unter diesen Begriff (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/1003).
Die Beschwerdeführerin erachtet sich schließlich in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 MRK verletzt. Sie bringt vor, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass sie vom bis mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen sei und die am geborene Tochter, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, gemäß § 155 ABGB ehelich sei. Bei Berücksichtigung dieser Tatsachen wäre die Behörde zu einer anderen für die Beschwerdeführerin positiven rechtlichen Beurteilung gekommen.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Eingehen einer Ehe zum Schein zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmissbrauch darstellt, welcher als Gefährdung der Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zu qualifizieren ist, sodass diesfalls ein durch Versagung der Aufenthaltsbewilligung allenfalls bewirkter Eingriff in die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte des Fremden schon allein deshalb gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/19/1402).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am