VwGH vom 20.11.1997, 94/06/0255

VwGH vom 20.11.1997, 94/06/0255

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schrefler-König, über die Beschwerde der Wirtschaftskammer Steiermark in Graz, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17-K-11.942/1994-1, wegen feuerpolizeilicher Aufträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin nach Durchführung einer Feuerbeschau aufgetragen, bestimmte feuerpolizeiliche Mängel an den in vier Blöcke und zwei Werkstättengebäude gegliederten Objekten in der K-Gasse zu beheben, Brandmelde- und Alarmeinrichtungen sowie Löschanlagen zu errichten und Löschmittel und Löschwasserbezugsstellen bereitzustellen. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung richtete sich gegen die in diesem erstinstanzlichen Bescheid in den Punkten 4, 5, 7, 9, 11, 35 und 36 erteilten Auflagen. Die für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Punkte 4 und 5 lauten:


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"4.
Zur Durchführung der "erweiterten Löschhilfe" sind Wandhydranten der Ausführungsart 2 gemäß der technischen Richtlinie TRVB F 128 zu errichten. Die Wandhydranten sind gemäß der zitierten Richtlinie zu warten bzw. periodisch (mindestens einmal jährlich) von einem Fachkundigen überprüfen zu lassen. Das Wartungsbuch ist auf Verlangen der Feuerpolizei vorzulegen. Der Nachweis der TRVB-gemäßen Ausführung der Wandhydranten ist der Feuerpolizei von einer Fachfirma zu erbringen.


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5.
Für das gegenständliche Objekt ist eine Brandmeldeanlage gemäß TRVB S 123 (Schutzumfang Vollschutz) zu errichten. Die Einreichunterlagen sind einer staatlich autorisierten Prüfstelle für Brandschutztechnik vorzulegen. Nach Fertigstellung der Anlage ist der Feuerpolizei ein mangelfreier Abnahmebefund, ausgestellt von einer staatlich autorisierten Prüfstelle, vorzulegen. Die Anlage ist alle zwei Jahre einer Revisionsüberprüfung, durchgeführt von einer staatlich autorisierten Prüfstelle, zu unterziehen. Der jeweils letztgültige Überprüfungsbefund ist auf Verlangen der Feuerpolizei vorzulegen."

Die Beschwerdeführerin hielt die in Punkt 4 erteilte Vorschreibung von D-Wandhydranten für ungerechtfertigt, da im Zentralgebäude C-Wandhydranten eingebaut worden seien und ausreichend geschultes Personal für die Bedienung dieser Hydranten zur Verfügung stehe. Hinsichtlich der in Punkt 5 geforderten Brandmeldeanlage verwies die Beschwerdeführerin auf die sich im Keller- und Erdgeschoß des Zentralgebäudes befindliche automatische Brandmeldeanlage, durch die im Keller ein 100%iger, im Erdgeschoß ein etwa 50%iger Vollschutz gewährleistet sei. Darüber hinaus bestünde die Absicht, auch das Erdgeschoß zur Gänze mit Vollschutz auszustatten. In den Bürogeschoßen seien Druckknopfmelder vorhanden, die völlig ausreichend seien.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und ein Entfall der bekämpften Aufträge in den Punkten 7, 9, 11, 35 und 36 angeordnet. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Auftrag zur Änderung des baulichen Zustandes eines Gebäudes, welches aufgrund eines behördlichen Konsenses zu Recht bestehe, aufgrund eines Feuerpolizeigesetzes nicht erteilt werden könne, falls nicht die Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 AVG gegeben seien. Hinsichtlich der Punkte 4 und 5 wurde der erstinstanzliche Bescheid von der belangten Behörde bestätigt. Die bekämpften Aufträge fänden ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 3 Feuerpolizeigesetz, demzufolge die Errichtung von geeigneten Brandmeldeeinrichtungen und Löschanlagen auch bei bestehenden baulichen Anlagen aufgetragen werden könne, wenn dies offenkundig wegen des besonderen Verwendungszweckes der baulichen Anlage, unter Bedachtnahme auf die baulichen Gegebenheiten, im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und wirtschaftlich zumutbar sei. Unter Berücksichtigung des Umfanges und des Verwendungszweckes des gegenständlichen Objektes sowie unter Berücksichtigung des Fassungsvermögens (355 Beschäftigte, 500 Besucher, 1900 Auszubildende) müsse davon ausgegangen werden, daß die vorhandenen Brandschutzeinrichtungen nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen und die Vorschreibung von Wandhydranten und einer Brandmeldeanlage im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und zweifelsfrei auch wirtschaftlich zumutbar sei. Weiters wies die belangte Behörde auf § 50a Steiermärkische Bauordnung 1968 hin, ohne klarzustellen, ob sie diese Bestimmung als Grundlage für die aufrecht erhaltenen Aufträge heranziehen wollte. Der Gesetzgeber habe mit dieser Bestimmung im Interesse der Sicherheit und Gesundheit der Bewohner eines Hochhauses eine Möglichkeit zum Eingriff in die Rechtskraft eines Baubewilligungsbescheides verfügt. Dabei müsse auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit Bedacht genommen werden. Eine Gefährdung der Gesundheit und des Lebens im Sinne der Bestimmung des § 50a Steiermärkische Bauordnung (bei bestehenden Hochhäusern) könne nur dann vorliegen, wenn im Falle eines Brandes im Hinblick auf nicht vorhandene Brandschutzeinrichtungen typischerweise und zwangsläufig mit Gefährdungen der körperlichen Sicherheit der Benützer gerechnet werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 7 Abs. 3 Steiermärkisches Feuerpolizeigesetz, LGBl. Nr. 49/1985, lautet:

"§ 7

(3) Bei bestehenden baulichen Anlagen hat die Behörde

dem Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigten die Bereitstellung oder Errichtung von geeigneten Brandmelde- und Alarmeinrichtungen, Löschanlagen, Löschmitteln und Löschwasserbezugsstellen mit schriftlichem Bescheid aufzutragen, wenn dies offenkundig wegen der besonderen Beschaffenheit oder des besonderen Verwendungszweckes der baulichen Anlage, unter Bedachtnahme auf die baulichen Gegebenheiten, im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und wirtschaftlich zumutbar ist."

2. Der angefochtene Bescheid läßt eine schlüssige Auseinandersetzung mit den im § 7 Abs. 3 leg.cit. normierten Voraussetzungen der Erforderlichkeit im Interesse der Brandsicherheit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit vermissen. Zwar mag der Hinweis auf die Verwendungsart der Räumlichkeiten für Büro- und Schulungszwecke und deren Fassungsvermögen (im Extremfall: 2755 Personen) sowie die im feuerpolizeilichen Gutachten beschriebenen, mangelhaft ausgebauten Fluchtwege im 7. Obergeschoß als ausreichend angesehen werden, das Vorliegen der Tabestandsvoraussetzung "der besonderen Beschaffenheit und des besonderen Verwendungszweckes der baulichen Anlage, unter Bedachtnahme auf die baulichen Gegebenheiten ..." zu begründen.

Jedoch hat es die belangte Behörde verabsäumt, sich mit der Frage des Interesses der Brandsicherheit und vor allem mit jener der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auseinanderzusetzen und darzulegen, inwiefern die geforderten Maßnahmen trotz der von der Beschwerdeführerin genannten bestehenden Brandschutzeinrichtungen erforderlich seien. Vielmehr stellt sie im angefochtenen Bescheid ohne weitere Begründung fest, daß die vorhandenen Brandschutzeinrichtungen nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen und die Vorschreibung von Wandhydranten und einer Brandmeldeanlage im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und "zweifelsfrei" auch wirtschaftlich zumutbar sei. Damit verkennt die belangte Behörde mehrere Punkte. Zum einen übersieht sie, daß das Gesetz nicht ausschließlich auf die Qualifikation der bestehenden Einrichtungen im Hinblick auf den (aktuellen) Stand der Technik abstellt, und geht zum anderen auf die Frage der Zumutbarkeit letztlich überhaupt nicht ein. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, die Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse sei im Gesetz nicht vorgesehen, so ist sie darauf hinzuweisen, daß das Gesetz durch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sehr wohl eine Abwägung der Vorteile einer Maßnahme im Interesse der Brandsicherheit mit den erwachsenden Kosten erfordert. Das Gesetz enthält damit ausdrücklich die in der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für hoheitliche Eingriffe im allgemeinen entwickelte Voraussetzung der Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, da die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Maßnahme als Ausprägung dieses Verhältnismäßigkeitsprinzips verstanden werden kann (vgl. VfSlg. 5923/1969, 13.587/1993, und V 148/94, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/06/0230). Die belangte Behörde hätte daher jedenfalls zu begründen gehabt, inwiefern die vorgeschriebenen Maßnahmen zumutbar wären. Dies umso mehr in Fällen wie dem vorliegenden, in dem Brandschutzmaßnahmen bereits vorhanden sind und die Behörde nicht festgestellt hat, daß sich eine gegenüber dem erteilten Baukonsens geänderte Sachverhaltssituation ergeben hätte. Der bloße Hinweis auf die Anzahl der die gegenständlichen Gebäude benützenden Personen ist nicht geeignet, die "Offenkundigkeit" der vorgeschriebenen Maßnahmen im Sinn des § 7 Abs. 3 Feuerpolizeigesetz darzutun, zumal in den Gebäuden offenbar umfangreich für den Brandschutz vorgesorgt ist. Ohne nähere Begründung - insbesondere zu den finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen einerseits, dem brandschutztechnischen Fortschritt durch die Maßnahmen andererseits - ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht imstande, die gesetzliche Deckung der vorgeschriebenen Maßnahmen zu beurteilen. Die belangte Behörde hätte sich jedenfalls mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob und aus welchen Gründen die vorhandenen Brandschutzeinrichtungen tatsächlich unzureichend sind bzw. inwieweit die Brandsicherheit durch die nunmehr vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen erhöht und verbessert wird. Bezeichnenderweise hat die belangte Behörde in ihrer Begründung auch nur festgestellt, daß "die Vorschreibung von Wandhydranten" im Interesse der Brandsicherheit erforderlich sei. Inwiefern damit die Erforderlichkeit der konkret vorgeschriebenen Wandhydranten dargetan sein soll, bleibt unerfindlich. Nimmt man die Feststellung der belangten Behörde wörtlich, wäre der erteilte Auftrag laut Punkt 4 des erstinstanzlichen Bescheides jedenfalls überflüssig, da auch die belangte Behörde nicht festgestellt hat, daß die Angaben der Beschwerdeführerin über die bestehenden Wandhydranten nicht zutreffend seien. Sind aber bereits Wandhydranten eingebaut, erübrigte sich eine diesbezügliche Vorschreibung.

3. Die dargestellten Begründungsmängel sind derart schwerwiegend, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Begründungsmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Zu dem Hinweis der belangten Behörde auf § 50a Steiermärkische Bauordnung ist zu bemerken, daß dieser die Erteilung von Aufträgen zur Anpassung bestehender Gebäude an die "für Hochhäuser geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes" ermöglicht. Soferne sich die Aufträge an die Beschwerdeführerin nicht nur auf das Feuerpolizeigesetz, sondern auch auf die Bauordnung stützen sollen, wäre auch insoferne die Begründung entsprechend zu ergänzen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den angesprochenen Ersatz für Stempelgebühren, von deren Entrichtung die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Z. 3 Gebührengesetz auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befreit ist.