VwGH 25.09.2007, 2003/06/0029
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §41 Abs2 idF 1998/I/158; AVG §41 Abs2; AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158; AVG §42 idF 1998/I/158; AVG §42; AVG §8; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
RS 1 | Ein Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 kann dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2, 2. Satz AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 - nicht auf diese im § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/06/0056 E RS 3
(Hier: Die in der Ladung enthaltene Belehrung entspricht jener der
früheren Fassung des AVG. Der Bf hat seine Parteistellung im
Bauverfahren nicht verloren. Präklusion ist daher nicht
eingetreten. Eine - von der Parteistellung losgelöste - Präklusion
im Sinne der früheren Fassung des § 42 ist nämlich im § 42 AVG
(nF) nicht vorgesehen, sie konnte daher auch nicht durch den -
nicht der maßgeblichen Rechtslage entsprechenden - Hinweis in der
Ladung für die Verhandlung herbeigeführt werden. Die
Berufungsbehörde hat die Berufung des Bf als unzulässig
zurückgewiesen, da ihrer Ansicht nach keine Einwendung im
Rechtssinn vorlag und das Vorbringen im Schriftsatz, der
offensichtlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei der
Behörde eingelangt ist, nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht
mehr zu berücksichtigen war. Die Berufungsbehörde hat sich daher
zu Unrecht mit den nach der Bauverhandlung noch im
erstinstanzlichen Verfahren und auch in der Berufung wiederholten
Einwendungen des Bf nicht auseinandergesetzt (Hinweis E 24.
Oktober 2006, 2003/06/0203). Da die belBeh verkannt hatte, dass
die Berufungsbehörde zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung des
Bf bzw. Präklusion ausgegangen war, belastete sie ihren Bescheid
mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des E L in T, vertreten durch Dr. Maria Th. Unterlercher, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-550-3132/1-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. M G in T, vertreten durch Dr. Reinhold Wolf, Mag. Gerhard Mader, Dr. Christian Tschiderer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 6600 Reutte, Claudiastraße 8, 2. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der am bei der Behörde eingelangten Eingabe hat der Erstmitbeteiligte um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit landwirtschaftlichem Wirtschaftsgebäude angesucht. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für den anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Anrainer geladen wurde. In dieser Ladung vom heißt es u.a.: "Gemäß § 42 AVG. finden Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung und werden die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Nachbarn und sonstige Beteiligte, die etwas vorzubringen haben, werden eingeladen, bei der Verhandlung zu erscheinen."
Der Verhandlungsschrift zufolge brachte der Beschwerdeführer während der Verhandlung vor, dass der allgemeine Bebauungsplan und der ergänzende Bebauungsplan geändert worden seien und kein Bescheid der Landesregierung vorliege. Die Höhenlage des Gebäudes im Grenzbereich zur BB 548 sei im Lageplan zu überprüfen und einzutragen.
Mit Eingabe vom , eingelangt bei der Behörde am selben Tag, führte der Beschwerdeführer aus, es seien vom Bausachverständigen nicht alle seine Einwendungen aufgenommen worden. Zum Teil seien diese als unbegründet einfach abgewiesen worden. Er erhob in der Folge eine Reihe von Einwendungen, u. a. dass das geplante Gebäude zu hoch sei, im Abstandsbereich unzulässige Fenster und Öffnungen vorhanden seien, im Abstandsbereich Räumlichkeiten, die der Tierhaltung, Tierzucht und Fütterung dienten, nicht zulässig seien und der Brandschutz nicht gewährleistet sei.
Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung von Nebenstimmungen erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen die Einwendungen, die er mit Schreiben vom erhoben hatte, wiederholte.
Mit Bescheid vom , ohne Zahl, hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen, das der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung erstattet habe, nämlich dass der allgemeine und ergänzende Bebauungsplan geändert worden seien und kein Bescheid der Landesregierung vorliege sowie dass die Höhenlage des Gebäudes im Lageplan zu überprüfen und einzutragen sei, stelle in keinerlei Hinsicht die Behauptung einer Rechtwidrigkeit dar. Es sei daher davon auszugehen, dass Präklusion im Sinne des § 42 AVG eingetreten sei.
Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, die mündliche Bauverhandlung am sei gemäß den Vorschriften der §§ 40 bis 44 AVG 1991 durchgeführt worden. Insbesondere sei der Beschwerdeführer nachweislich rechtzeitig zu dieser Bauverhandlung geladen und in der Anberaumung dieser Verhandlung sei auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG 1991 hingewiesen worden. Die Verhandlungsschrift sei dem Beschwerdeführer nach Beendigung der Bauverhandlung vorgelegt worden und dieser habe die Niederschrift durch Beisetzung seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigt. Somit liefere die Verhandlungsschrift den vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der Bauverhandlung. Der Beschwerdeführer hätte, als ihm die Verhandlungsschrift zur Unterfertigung vorgelegt wurde, deren Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit behaupten müssen. Die Baubehörden seien daher zu Recht davon ausgegangen, dass sie nur über jene Einwendungen abzusprechen hatten, die der Beschwerdeführer während der Bauverhandlung am vorbrachte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg.Nr. 10.317/A uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 insoweit die Parteistellung behalten hat.
In der Ladung zur Verhandlung vom wurde nicht auf die Folgen des Verlustes der Parteistellung nach § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 hingewiesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt, (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0247) ausgesprochen hat, kann ein Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG nF dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Ladung, Kundmachung über die Anberaumung der Verhandlung) - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf diese im § 42 AVG (nF) vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird. Da dies im Beschwerdefall nicht erfolgte, sondern die in der Ladung enthaltene Belehrung jener der früheren Fassung des AVG entspricht, hat der Beschwerdeführer seine Parteistellung im Bauverfahren nicht verloren. Die von den Baubehörden und der belangten Behörde angenommene Präklusion ist daher nicht eingetreten. Eine - von der Parteistellung losgelöste - Präklusion im Sinne der früheren Fassung des § 42 ist nämlich im § 42 AVG (nF) nicht vorgesehen, sie konnte daher auch nicht durch den - nicht der maßgeblichen Rechtslage entsprechenden - Hinweis in der Ladung vom für die Verhandlung am herbeigeführt werden.
Entgegen der Annahme der belangte Behörde hat die Berufungsbehörde die Berufung des Beschwerdeführers nicht abgewiesen, sondern als unzulässig zurückgewiesen, da ihrer Ansicht nach keine Einwendung im Rechtssinn vorlag und das Vorbringen im Schriftsatz vom , der offensichtlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei der Behörde eingelangt ist, nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht mehr zu berücksichtigen war. Die Berufungsbehörde hat sich daher zu Unrecht mit den nach der Bauverhandlung noch im erstinstanzlichen Verfahren und auch in der Berufung wiederholten Einwendungen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0203).
Da die belangte Behörde verkannt hatte, dass die Berufungsbehörde zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung des Beschwerdeführers bzw. Präklusion ausgegangen war, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
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Normen | AVG §41 Abs2 idF 1998/I/158; AVG §41 Abs2; AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158; AVG §42 idF 1998/I/158; AVG §42; AVG §8; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2007:2003060029.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-56735