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VwGH vom 22.02.2005, 2003/06/0018

VwGH vom 22.02.2005, 2003/06/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des KS, 2. der MS und 3. der AS, alle in K, alle vertreten durch Dr. Simon Brüggl & Dr. Günter Harasser, Rechtsanwälte OEG in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-550-3129/1-1, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages (mitbeteiligte Parteien: 1. AG in K, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, und 2. Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben je zu gleichen Teilen dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der zweitmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Bewilligung zur Errichtung eines Zu-, Auf- und Umbaues betreffend ihr auf einem Grundstück der mitbeteiligten Gemeinde gelegenen Hotelgebäude erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die beim Gemeindeamt K am einlangte.

Mit dem am bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Schreiben der Beschwerdeführer vom selben Tag stellte ihr Rechtsvertreter für sie den Antrag, der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als die in Betracht kommende Oberbehörde möge infolge Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeindevorstand über die Berufung der Beschwerdeführer entscheiden.

Mit dem den Beschwerdeführern am (der Erstmitbeteiligten am ) zugestellten Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der angeführte Devolutionsantrag als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass insgesamt nicht von einem Verschulden des Gemeindevorstandes hinsichtlich der Verfahrensverzögerung ausgegangen werden könnte, sondern vielmehr den zahlreichen Verlangen der Beschwerdeführer Rechnung getragen worden sei.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung sowohl gegen den Berufungsbescheid vom als auch gegen den letztangeführten Bescheid des Gemeinderates vom .

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung gegen den Berufungsbescheid Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen, während die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abgewiesen wurde.

Diese Entscheidung wurde im Hinblick auf die Aufhebung des Berufungsbescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an den Gemeindevorstand mit der durch die Einbringung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführer vom eingetretenen Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes begründet. Mit der Rechtskraft des Bescheides des Gemeinderates vom , mit dem der Devolutionsantrag abgewiesen worden sei, sei die Zuständigkeit wieder auf den Gemeindevorstand übergegangen. Der Gemeindevorstand werde einen neuerlichen Berufungsbescheid erlassen müssen.

Im Hinblick auf die Abweisung der Vorstellung wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die gesetzliche Entscheidungspflicht des Gemeindevorstandes gemäß § 73 Abs. 1 AVG mit Ablauf des geendet habe. Auf Grund des ergänzenden Ermittlungsverfahrens des Gemeindevorstandes habe sich das Verfahren jedoch ohne dessen überwiegendes Verschulden verzögert. Insbesondere durch die Einbringung von ergänzenden Planunterlagen und die Einholung einer neuen Vermessungsurkunde sowie die Durchführung einer zweiten mündlichen Bauverhandlung habe sich das Verfahren ohne überwiegendes Verschulden des Gemeindevorstandes verzögert. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom die Durchführung einer weiteren mündlichen Bauverhandlung sowie die Vorlage eines neuen Vermessungsplanes beantragt. Weiters gestehe er darin ein, dass eine umfangreiche Modifizierung des Bauvorhabens vorliege. In der weiteren Stellungnahme des Vertreters der Beschwerdeführer vom habe er u. a. die Nachreichung der Nordansicht der Fassade des gegenständlichen Bauobjektes und die Ergänzung des Vermessungsplanes beantragt. Auf Grund des dargelegten Verfahrensganges treffe den Gemeindevorstand daher kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung des Verfahrens, sondern er sei insbesondere auf die Stellungnahmen des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eingegangen und habe in Wahrung des Parteiengehörs das Verfahren diesbezüglich vorschriftsmäßig durchgeführt.

In der Mitwirkung der Mitglieder des Gemeindevorstands bei der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Entscheidung betreffend den Devolutionsantrag liege kein Verfahrensmangel. Der Gemeinderat werde im Falle eines Devolutionsantrages nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als Oberbehörde tätig. Des Weiteren bestünden gegen den gegenständlichen Bescheid des Gemeinderates keine sachlichen Bedenken.

In der allein gegen den abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides gerichteten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Die durch einen Rechtsanwalt vertretene Erstmitbeteiligte und die unvertretene Zweitmitbeteiligte haben ihrerseits je eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Devolutionsantrag vom zurückweisen hätte müssen, eine meritorische Erledigung sei ihm verwehrt gewesen. Der Gemeinderat wie die belangte Behörde hätten übersehen, dass noch vor der Entscheidung über den Devolutionsantrag der Gemeindevorstand - wenn auch unzuständigerweise - über die Berufung der Beschwerdeführer entschieden hätte. Der Berufungsbescheid vom sei den Beschwerdeführern am zugestellt worden. Der Bescheid des Gemeinderates vom sei ihnen am zugestellt worden. Einer Sacherledigung des Devolutionsantrages durch den Gemeinderat sei also der zwischenzeitlich vom Gemeindevorstand erlassene Bescheid vom rechtlich hindernd entgegengestanden. Eine Entscheidungspflicht des Gemeinderates über den Devolutionsantrag habe solange nicht wieder aufleben können, als die mit Vorstellung bekämpfte Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes vom dem Rechtsbestand angehört habe. Mangels der Voraussetzungen des Überganges der Zuständigkeit hätte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Devolutionsantrag vom zurückweisen müssen. Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang auf die hg. Rechtsprechung in Fällen, in welchen bei ein und derselben Behörde einerseits ein Devolutionsantrag betreffend einen Sachantrag gestellt, andererseits eine Berufung gegen den nach Ablauf der Entscheidungsfrist ergangenen Bescheid der Unterbehörde über den Sachantrag bei dieser Behörde erhoben wird (u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 98/07/0107-0109). Nach dieser Judikatur müsse die Oberbehörde zuerst über die Berufung entscheiden und die Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich des Devolutionsantrages könne nicht vor der Entscheidung über den Berufungsbescheid geltend gemacht werden.

Gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002 sind die Behörden oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb der Entscheidungsfrist zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden konnte, auf diesen über. Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages ausschließlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Einbringung zu beurteilen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1047, m.w.N.). Der Sinn des § 73 AVG ist darin gelegen, im Bereich der Hoheitsverwaltung den Parteien rechtliche Abhilfe gegen Rechtsverweigerung zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass im Fall einer Entscheidung einer unzuständigen Behörde an Stelle der angerufenen ein Devolutionsantrag unzulässig ist, weil ein solcher nicht der Abwehr von Zuständigkeitsverletzungen dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0196).

Die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages nach § 73 Abs. 2 AVG setzt voraus, dass die Behörde über einen Antrag oder eine Berufung einer Partei innerhalb der im § 73 Abs. 1 AVG bestimmten Frist nicht entschieden hat. Wird über diesen Antrag oder diese Berufung - sei es von der zuständigen oder unzuständigen - Behörde entschieden, so bedeutet dies, dass kein solches Verwaltungsverfahren mehr anhängig ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/05/0196 und die in diesem angeführte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages (am ) die in § 73 Abs. 1 AVG vorgesehene Entscheidungsfrist für den Gemeindevorstand zur Entscheidung über die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung am abgelaufen. Der an den Gemeinderat als zuständige sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gerichtete Devolutionsantrag, der mit seinem Einlangen im Gemeindeamt am als beim Gemeinderat eingebracht anzusehen war, war daher zulässig und bewirkte den Übergang der Zuständigkeit auf den Gemeinderat. Mit dem der Erstmitbeteiligten am zugestellten Bescheid vom entschied der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde, obwohl er auf Grund des Devolutionsantrages seine Zuständigkeit verloren hatte, über die verfahrensgegenständliche Berufung der Beschwerdeführer. Daraus ergab sich aber, dass die dem Gemeinderat mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrages bezüglich der verfahrensgegenständlichen Berufung erwachsene Entscheidungspflicht mit der Erlassung dieses Berufungsbescheides vom (mit der frühesten Zustellung an eine der Verfahrensparteien am ) wieder weggefallen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/07/0107). Diese Entscheidungspflicht, die ab Einbringung der Berufung am für den Gemeindevorstand gemäß § 73 Abs. 1 AVG bestanden hat, konnte trotz der mit dem angefochtenen Bescheid im ersten Absatz des Spruches ausgesprochenen Aufhebung des unzuständigerweise erlassenen Berufungsbescheides durch den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde aus folgenden Gründen aber für den Gemeinderat nicht mehr wieder aufleben:

Aufhebenden Vorstellungsbescheiden kommt nach der hg. Judikatur grundsätzlich ex tunc-Wirkung zu (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/05/0196 zu der diesbezüglichen aufsichtsbehördlichen Regelung der Nö GemeindeO). Im Hinblick auf die Frage der Entscheidungspflicht in Bezug auf durch die Aufhebung des Verwaltungsgerichtshofes und durch die Aufsichtsbehörde wieder offene Berufungen, Vorstellungen oder Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/05/0196, und die dazu angeführte Vorjudikatur), dass die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG mit der Zustellung des Erkenntnisses bzw. des Bescheides neu zu laufen beginnt. Die im angefochtenen Vorstellungsbescheid im ersten Absatz des Spruches erfolgte Aufhebung der Entscheidung des Gemeindevorstandes über die Berufung der Beschwerdeführer hatte in Bezug auf die Frage der Entscheidungspflicht über die nunmehr wieder offene Berufung der Beschwerdeführer die Folge, dass die in § 73 Abs. 1 AVG vorgesehene Frist zur Entscheidung neu zu laufen begann (gemäß dem Spruch des aufhebenden Teiles des angefochtenen Bescheides für den Gemeindevorstand). Die angeführte ex tunc-Wirkung aufhebender Vorstellungsbescheide der Aufsichtsbehörde ist in dieser Hinsicht eingeschränkt und diese Aufhebung hat insofern keine Auswirkung auf die Überprüfung der durch die belangte Behörde bestätigten Abweisung des Devolutionsantrages durch den Gemeinderat (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/05/0196).

In dem für die Überprüfung des den Devolutionsantrag abweisenden Bescheides des Gemeinderates vom für die belangte Behörde maßgeblichen Zeitpunkt seiner Erlassung (Oktober 2002) gehörte der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom dem Rechtsbestand an, mit dem über die Berufung, die Gegenstand des am eingelangten Devolutionsantrages war, vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde - wenn auch unzuständigerweise - entschieden worden war. Ab diesem Zeitpunkt lag somit eine maßgebliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages, dass nämlich über den bezogenen Antrag oder die bezogene Berufung noch nicht entschieden wurde, nicht mehr vor. Der vorliegende Devolutionsantrag wäre daher - insofern sind die Beschwerdeführer im Recht - im Zeitpunkt seiner Erlassung mangels fortgesetzter Verletzung im Recht auf Entscheidung als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Die Beschwerdeführer sind aber dadurch, dass der verfahrensgegenständliche Devolutionsantrag abgewiesen statt zurückgewiesen wurde, in keinen Rechten verletzt. Die Beschwerdeführer führen diesbezüglich auch selbst nichts ins Treffen. Wie auch bereits dargelegt, ist der Sinn des § 73 AVG und damit der Erhebung eines Devolutionsantrages allein darin gelegen, rechtliche Abhilfe gegen Rechtsverweigerung zu gewährleisten, und nicht der, Zuständigkeitsverletzungen abzuwehren.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenbegehren der zweitmitbeteiligten Gemeinde war in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 mangels Vertretung im Verfahren durch einen Rechtsanwalt abzuweisen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0269).

Wien, am