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VwGH vom 12.09.1997, 96/19/1468

VwGH vom 12.09.1997, 96/19/1468

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der 1963 geborenen EN in Hard, vertreten durch

Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 118.346/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin richtete am an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz einen Antrag, dessen Gegenstand im Rubrum als "Ausstellung einer Aufenthaltsbestätigung - in eventu Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung" bezeichnet wurde. In diesem Antrag heißt es:

"Die Antragstellerin ist im Besitz eines "Schengen"-Visums, gültig bis , und eines österreichischen Touristensichtvermerks, gültig bis .

Ihr Ehemann ist türkischer Staatsbürger und erfüllt die Niederlassungsvoraussetzungen der Art. 6 und 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 EWG-Türkei.

Das Ehepaar N stellt daher den

A n t r a g

auf Ausstellung einer Aufenthaltsbestätigung, in eventu auf Verlängerung des Schengen-Visums."

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz erließ am einen Bescheid, dessen Kopf und Spruch wie folgt lauten:

"Herr Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh hat am bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz für Frau NE, geboren 1963, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung eingebracht. Über diesen Antrag ergeht aufgrund der Verordnung des Landeshauptmannes, LGBl. Nr. 32/1993 folgender

S p r u c h

gemäß §§ 1, 3, 4, 5 und 13 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/92, in der geltenden Fassung, i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/92 in der geltenden Fassung wird der Antrag abgewiesen."

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei nicht EWR-Bürgerin. § 28 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) finde auf sie daher keine Anwendung. Sie wäre daher verpflichtet gewesen, ihren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vom Ausland aus zu stellen. Indem sie dies unterließ, habe sie der Bestimmung des § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) nicht Genüge getan. Überdies stelle ihr seit Ablauf ihres Touristensichtvermerkes am unrechtmäßiger Aufenthalt im Inland eine Störung der öffentlichen Ordnung dar, weshalb der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben sei. Die Erteilung einer Bewilligung sei daher auch gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie die Auffassung vertrat, ihr stehe aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates, dessen Kriterien ihr Ehemann erfülle, ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu. Sie beantragte festzustellen, daß sie in Österreich aufenthaltsberechtigt sei, in eventu, auszusprechen, daß ihr eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 FrG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk (Schengen-Visum) in das Bundesgebiet eingereist. Die beantragte Bewilligung solle daher im Anschluß an einen Touristensichtvermerk erteilt werden. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei gegeben. Überdies halte sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes nach wie vor unberechtigt im Bundesgebiet auf, welches Verhalten eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit darstelle. Aus diesem Grund sei auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.

Die Versagung einer Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG i. V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stelle einen zulässigen Eingriff in die durch die Anwesenheit des Ehegatten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. Sie vertritt im wesentlichen die Auffassung, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, Feststellungen über ihre behauptete Aufenthaltsberechtigung aufgrund des zitierten Assoziationsratsbeschlusses zu treffen und sodann (zunächst) über das im Berufungsverfahren gestellte Hauptbegehren, festzustellen, daß sie in Österreich aufenthaltsberechtigt sei, abzusprechen. Dafür sei die Berufungsbehörde auch zuständig gewesen, weil die Feststellung eines schon bestehenden Aufenthaltsrechtes gegenüber der Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ein "minus" darstelle.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die erstinstanzliche Behörde hat mit Bescheid vom (ausschließlich) über den von der Beschwerdeführerin eventualiter gestellten Antrag auf "Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung" bzw. "Verlängerung des Schengen-Visums" entschieden, welchen die Erstbehörde als solchen auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz qualifizierte. Sie wurde dabei, wie sich aus der Zitierung der entsprechenden Bestimmungen des AufG und der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz, LGBl. Nr. 32/1993, ergibt, als Aufenthaltsbehörde im Namen des Landeshauptmannes tätig.

Ein sogenannter Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, daß er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, daß der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/01/0114).

Die erstinstanzliche Behörde hätte daher vorliegendenfalls zunächst über den Primärantrag der Beschwerdeführerin auf "Ausstellung einer Aufenthaltsbestätigung" - allenfalls nach Klärung des Inhaltes eines solchen Antrages - abzusprechen und erst im Falle seiner rechtskräftigen Nichtstattgebung über den von ihr als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gedeuteten Eventualantrag zu erkennen gehabt. Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die erstinstanzliche Behörde ihre Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.

"Sache" des Berufungsverfahrens war bei dem hier klar auf den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (einer Bewilligung nach dem AufG) begrenzten Abspruch der ersten Instanz nur dieser Anspruch (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1032/77, in dem in Slg. Nr. 9673/A, nicht veröffentlichten Teil). Die belangte Behörde war daher - im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - auch aufgrund des Berufungshauptantrages, festzustellen, daß die Beschwerdeführerin in Österreich aufenthaltsberechtigt sei, nicht zuständig, über einen solchen, vom erstinstanzlichen Abspruch nicht umfaßten Anspruch zu entscheiden. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, über den die erstinstanzliche Behörde entschieden hat, stellt nämlich - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - gegenüber einer (im Berufungsverfahren erfolgten) Geltendmachung eines Feststellungsanspruches kein Mehrbegehren, sondern ein "aliud" dar. (In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß für die Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung, ein Fremder halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, die Fremdenpolizeibehörde (für eine solche über einen Antrag auf Feststellung, er sei zur Begründung eines Hauptwohnsitzes berechtigt, aber die Aufenthaltsbehörde) zuständig wäre.) Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, von Amts wegen die oben aufgezeigte Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde zur Erledigung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (Aufenthaltsbewilligung) aufzugreifen und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Indem sie als hiefür zuständige Berufungsbehörde dies unterließ, belastete sie ihren eigenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Hiedurch verletzte sie auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht der Beschwerdeführerin auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung. Diese Verletzung der Behördenzuständigkeit war vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0200).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.