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VwGH vom 15.06.2004, 2003/05/0211

VwGH vom 15.06.2004, 2003/05/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Anton Reisner in Wien, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 38, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64 - BE 271/96, betreffend Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurden die Eigentümer des Hauses H.-Straße 200 gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 5 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) beauftragt, innerhalb von zwei Wochen einen Befund eines Bausachverständigen über den Zustand der obersten Geschossdecke des an der rückwärtigen Grundgrenze befindlichen Hintertraktes vorzulegen, aus dem die Stand- und Tragfähigkeit bzw. die durch die Durchfeuchtung der Decke aufgetretenen Schäden hervorgehen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, bei der Erhebung am sei festgestellt worden, dass an der gegenständlichen Geschossdecke zahlreiche Feuchtigkeitsflecken zu sehen seien, die im Erhebungszeitpunkt jedoch ausgetrocknet gewesen seien. Am habe Herr P. telephonisch mitgeteilt, dass durch die zahlreichen Niederschläge der letzten Zeit die Feuchtigkeitsflecken sichtbar geworden seien. Die festgestellten Schäden stellten Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 BO dar. Da die Ursache der Feuchtigkeitsflecken durch bloßen Augenschein nicht festgestellt werden könne, sie der Befund eines Bausachverständigen vorzulegen.

Mit Verfahrensanordnung vom räumte die erstinstanzliche Vollstreckungsbehörde den Haus- und Grundmiteigentümern der gegenständlichen Liegenschaft zur Erfüllung dieser Verpflichtung eine Paritionsfrist von einer Woche ein und drohte für den Fall der Nichterfüllung die Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG an.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde den Haus- und Grundmiteigentümern die Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten für die Vorlage des aufgetragenen Befundes im Wege der Ersatzvornahme in der Höhe von S 64.000,-- zur ungeteilten Hand gegen nachträgliche Verrechnung vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer (er ist einer von mehreren Miteigentümern) Berufung. Darin führte er aus, dass dem Sachverständigen vom Miteigentümer P. der Zutritt verweigert worden sei. Außerdem sei die Vorauszahlung der Sachverständigenkosten "überhälftlich" zu hoch. Wie der Magistratsabteilung 64 bekannt sei, wiesen laut Baumeister L. die Tragbalken weder Nässe noch Fäulnisschäden auf. Gemäß der Novellierung der Bauordnung von 1996 habe die Baubehörde Feststellungen konzessionierter Baumeister zu entsprechen. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, das "Dach wird anders als behauptet über Masseverwalterin Dr. H/R Hausverwaltung ... saniert, so daß keine Feuchtigkeitsflecken mehr auftreten", ansonsten werde gegen beide Straf/Betrugsanzeige wegen Veruntreuung gemacht.

Die geschätzten Kosten der Ersatzvornahme wurden in der Folge von Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 25 mit Stellungnahme vom aufgegliedert. Der Beschwerdeführer führte dazu mit Schreiben vom aus, dass diese Angaben falsch seien. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er vor sechs Jahren seine Wohnung verkauft habe und seit damals auch nicht mehr im Grundbuch stehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass laut Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 vom der mit Bescheid vom erteilte Auftrag nicht erfüllt worden sei. Die Argumente des Beschwerdeführers, die Tragbalken wiesen weder Nässe noch Fäulnisschäden auf und das Dach sei bereits saniert worden, seien nicht zielführend, da der Bauauftrag auf Vorlage eines Befundes eines Bausachverständigen laute und der Beschwerdeführer nicht behaupte, dass ein derartiger Befund vorgelegt worden sei. Für die belangte Behörde bestehe keine Veranlassung, an der Richtigkeit der vorgeschriebenen Summe für die Ersatzvornahme zu zweifeln, solange der Beschwerdeführer nicht durch entsprechende Beweise auf derselben fachlichen Ebene seine Zweifel untermauern könne. Es finde sich überdies im Akt kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Sachverständigen durch P. der Zutritt verweigert worden wäre. Aus dem Grundbuchsauszug ergebe sich, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Ablaufes der in der Androhung der Ersatzvorname gesetzten Nachfrist bücherlicher Miteigentümer der Liegenschaft gewesen sei. Ob er zu diesem Zeitpunkt die Verfügungsgewalt habe ausüben können oder seinen Anteil abgegeben habe, sei unbeachtlich. Nach der herrschenden Rechtsprechung könne ein Wechsel in der Person des Eigentümers ab dem genannten Zeitpunkt die Stellung als Verpflichteter nicht berühren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 965/03-4, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene, vom Beschwerdeführer auftragsgemäß ergänzte Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer legt dar, er habe bereits in der Berufung vorgebracht, dass die Behörde kein Ermittlungsverfahren zur Feststellung des Umfanges der zu erwartenden Kosten durchgeführt habe. P. habe sowohl dem Beschwerdeführer als auch der Behörde jeglichen Zutritt zu den Räumlichkeiten verwehrt. Die Feststellung und Überprüfung der Höhe der Kosten der Ersatzvornahme könne aber ausschließlich nach Begehung der Räumlichkeiten, an welchen P. die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden, erfolgen. Die belangte Behörde habe in einem entscheidenden Punkt jede Ermittlungstätigkeit unterlassen und habe in diesem Zusammenhang dem in § 2 Abs. 1 VVG normierten Schonungsprinzip nicht entsprochen. Wolle man dem Beschwerdeführer, welcher nicht mehr Miteigentümer sei, dazu verhalten, die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme zu leisten, käme es zu einer Bereicherung der übrigen Miteigentümer. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung auch vorgebracht, dass im Zuge der derzeit laufenden Begründung von Wohnungseigentum nachträgliche Baubewilligungen eingereicht worden seien. Dieses Vorbringen sei von der belangten Behörde ignoriert worden. Nach höchstgerichtlicher Judikatur könne schließlich dann, wenn nicht gegen alle Miteigentümer ein vollstreckbarer Titelbescheid vorliege und daher die Durchführung der Vollstreckung nicht feststehe, auch nicht gegen denjenigen Miteigentümer, dem gegenüber ein vollstreckbarer Titelbescheid vorliege, ein Kostenvorauszahlungsbescheid ergehen. Genau dies treffe im vorliegenden Fall zu, daher hätte ein Kostenvorauszahlungsauftrag unterbleiben müssen. Auf Grund der Beseitigung des Übelstandes scheide eine Ersatzvornahme und somit die Vorschreibung der Kosten derselben im Übrigen aus.

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Nach § 4 Abs. 2 leg. cit. kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

§ 2 Abs. 1 VVG sieht vor, dass das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

Gemäß § 129 Abs. 5 BO ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verpflichtet, deren Bauzustand zu überwachen. Lässt dieser das Vorliegen eines Baugebrechens vermuten, hat er den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Lassen sich Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist er über Auftrag der Behörde verpflichtet, über das Vorliegen des vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. (...)

Gemäß § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach dem VVG erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn


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1.
die Vollstreckung unzulässig ist oder
2.
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 VVG im Widerspruch stehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens ein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt. Ein solcher Bescheid stellt keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des VVG dar (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage, S. 1338 f unter E 127 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Beschränkungen für die Berufung gemäß § 10 Abs. 2 VVG gelten daher nicht. Gleichwohl teilt der Bescheid wegen des notwendigen Zusammenhanges das rechtliche Schicksal der Vollstreckung (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., S. 1339 f unter E 131 zitierte hg. Rechtsprechung). Eine Bekämpfung der Rechtmäßigkeit des Titelbescheides kann im Verfahren über einen Kostenvorauszahlungsauftrag daher zwar nicht erfolgen (vgl. die bei Walter/Thienel, S. 1340 unter E 133 zitierte hg. Rechtsprechung). Wäre eine Vollstreckungsverfügung aber unzulässig, darf auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden. Eine nach Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann nun eine Vollstreckung unzulässig machen (vgl. § 10 Abs. 2 Z 1 VVG), wobei Wesentlichkeit in diesem Sinne dann vorliegt, wenn durch die Änderung des Sachverhaltes der titelmäßige Anspruch erloschen ist.
Aus § 129 Abs. 5 BO ergibt sich, dass das Vorliegen eines vermuteten Baugebrechens Voraussetzung für die Erteilung eines behördlichen Auftrages zur Vorlage eines Befundes ist. Besteht keine Vermutung für ein Baugebrechen mehr, ist somit insofern ein in wesentlichen Punkten geänderter Sachverhalt gegeben, der es auch tatsächlich unmöglich macht, über das Vorliegen eines vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls dessen Art und Umfang einen Befund zu erstellen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren hat die belangte Behörde - ohne den Beschwerdeführer näher zu befragen - dahingehend interpretiert, dass er geltend gemacht habe, die Tragbalken wiesen weder Nässe noch Fäulnisschäden auf und das Dach "sei bereits saniert" worden. Dieses Verständnis des Berufungsvorbringens ist jedenfalls möglich und es ist nicht zwingend, dass es anders zu würdigen wäre. Entgegen der Meinung der Berufungsbehörde kommt somit aber dem genannten Berufungsvorbringen Relevanz zu, da damit das weitere Vorliegen eines vermuteten Baugebrechens bestritten und ein geänderter Sachverhalt behauptet wird, welcher gegebenenfalls im Sinne der obigen Ausführungen die Vollstreckung unzulässig machen würde. Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen folglich inhaltlich auseinandersetzen müssen. Dies unterließ sie jedoch in Verkennung der Rechtslage. Sie hat daher auch keine Ermittlungen dazu durchgeführt, ob die Vermutung eines Baugebrechens noch besteht.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die damit begehrte Umsatzsteuer bereits in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung berücksichtigt ist.
Wien, am