VwGH 23.03.2000, 99/06/0141
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauG Stmk 1995 §29; BauRallg; |
RS 1 | Ausführungen zur Frage, ob und inwieweit anlässlich der baurechtlichen Bewilligung eines Vorhabens auf bauliche Maßnahmen Bedacht genommen werden kann, die in einem anderen Baubewilligungsbescheid rechtskräftig (dem Antragsteller im Bauverfahren) als Auflage vorgeschrieben wurden. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
99/06/0142 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der E Bauträger GmbH in S, vertreten durch Dr. H und Dr. S, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 03-12.10 S 72-99/104, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Antragstellerin in mehreren Bauverfahren, die Objekte in der A-Gasse bzw. an der Ecke A-Gasse/K-Straße betreffen. Einzelne der Verfahren waren auch Gegenstand von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/06/0037, vom , Zl. 98/06/0110, vom , Zl. 98/06/0196, und vom , Zl. 98/06/0218).
Die Mitbeteiligte ist Eigentümerin des südlich an das Objekt an der Ecke A-Gasse/K-Straße anschließenden Grundstückes. In diesem Bereich soll auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin die Abfahrt zur Tiefgarage bzw. die Einfahrt zu Stellplätzen für die verschiedenen verfahrensgegenständlichen Objekte erfolgen.
In einem der Bauverfahren, nämlich jenem betreffend das Objekt A-Gasse 9, wurde der Beschwerdeführerin die Errichtung einer Lärmschutzwand entlang der Grundgrenze zum Grundstück der mitbeteiligten Partei (gemeint offenbar: an der Nordgrenze des Grundstücks der mitbeteiligten Partei) vorgeschrieben.
In dem hier beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahren geht es um den Um- und Zubau der Tiefgaragenrampe (des Rampenbauwerks), die Verlegung des Müllplatzes, die Verlegung von bereits bewilligten Pkw-Abstellplätzen, die Errichtung von 26 Pkw-Abstellplätzen mit Zufahrt von der K-Straße und um die Errichtung einer Schallschutzmauer, wobei es sich aber nicht um die oben erwähnte Lärmschutzwand handelt, die in dem Verfahren betreffend das Objekt A-Gasse 9 als Auflage vorgeschrieben wurde (zur diesbezüglich ungeklärten Situation, ob hinsichtlich dieser Lärmschutzwand ein Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt, vgl. näher unten; nach der von der belangten Behörde im vorliegenden Verfahren vorgelegten Baubeschreibung der Beschwerdeführerin war eine Lärmschutzwand an der Grenze zu den westlich der zu errichtenden Parkplätze gelegenen Grundstücke, zu dem südlich gelegenen Grundstück und zu dem östlich gelegenen Grundstück der Beschwerdeführerin, also an der Westgrenze des Grundstücks der Beschwerdeführerin geplant; das Grundstück, auf dem die Stellplätze errichtet werden, ragt zungenförmig zwischen die übrigen Grundstücke vor, das Grundstück der mitbeteiligten Partei grenzt daher mit zwei Seiten an die Grundstücke, auf denen das Projekt der Beschwerdeführerin verwirklicht werden soll; die im vorliegenden Verfahren immer angesprochene, mit der Auflage im Verfahren betreffend das Objekt A-Gasse 9 vorgeschriebene Wand wäre an der Nordgrenze des Grundstücks der Mitbeteiligten zu situieren). In diesem Verfahren kam es zunächst zu einer Aufhebung der von der obersten Gemeindebehörde erteilten Baubewilligung auf Grund einer Vorstellung der mitbeteiligten Partei. Im fortgesetzten Verfahren wurden zu den vom Projekt zu erwartenden Immissionen weitere Gutachten eingeholt. Im Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen wurde bei der Beurteilung der Auswirkungen des beantragten Vorhabens auf das Grundstück der mitbeteiligten Partei die auflagenmäßig vorgeschriebene Lärmschutzwand berücksichtigt.
Nach Erteilung der Baubewilligung erhob die mitbeteiligte Partei neuerlich Vorstellung. Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den letztinstanzlichen Gemeindebescheid auf und verwies begründend darauf, dass die Vorschreibung einer Auflage noch nicht bedeute, dass die davon erfasste bauliche Anlage bereits baurechtlich bewilligt sei. Ein entsprechender Antrag der Beschwerdeführerin für eine Baubewilligung für die in Rede stehende Lärmschutzwand liege noch nicht vor. Der Sachverständige hätte daher in seinem Lärmgutachten nicht von der Existenz dieser Wand ausgehen dürfen. Das lärmtechnische Gutachten hätte daher nicht als Grundlage für das medizinische Gutachten und in weiterer Folge für den angefochtenen Bescheid herangezogen werden dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die belangte Behörde wiederholt in der Gegenschrift ihre Argumentation, dass die zwar mit einer Auflage in einem anderen Verfahren vorgeschriebene, aber damit noch nicht rechtskräftig bewilligte Lärmschutzwand im vorliegenden Bauverfahren nicht berücksichtigt hätte werden dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im Beschwerdefall, ob und inwieweit anlässlich der baurechtlichen Bewilligung eines Vorhabens auf bauliche Maßnahmen Bedacht genommen werden kann, die in einem anderen Baubewilligungsbescheid rechtskräftig (dem Antragsteller im Bauverfahren) als Auflage vorgeschrieben wurden.
Die belangte Behörde hat hiezu die Auffassung vertreten, dass die Vorschreibung einer Auflage noch nicht bedeute, dass die entsprechende bauliche Maßnahme auch baurechtlich bewilligt sei. Ausgehend von dieser Feststellung kommt die belangte Behörde zum Ergebnis, dass daher auch diese Lärmschutzwand bei der Beurteilung der Auswirkungen des Projekts nicht berücksichtigt werden dürfte.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob die gegenständliche Lärmschutzwand bereits in einem anderen Baubewilligungsverfahren als Auflage vorgeschrieben wurde.
Kommt es zur Umsetzung von Bauprojekten in der Weise, wie sie im vorliegenden Fall angewendet wird, dass nämlich die einzelnen Baumaßnahmen zum Gegenstand verschiedener Bauverfahren gemacht werden, besteht zwar in der Tat die Problematik, dass die gegenseitige Abhängigkeit verschiedener Bescheide voneinander insofern Schwierigkeiten bereiten kann, als Baubewilligungen grundsätzlich nur die öffentlich-rechtliche Ermächtigung bedeuten, von der Bewilligung Gebrauch zu machen. Auflagen in derartigen Bescheiden sind daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur vollstreckbar, wenn von der Bewilligung Gebrauch gemacht wird. Dies würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass dann, wenn die Beschwerdeführerin nicht von der im Verfahren betreffend das Projekt A-Gasse 9 erteilten Bewilligung Gebrauch macht, auch die damit erteilte Auflage nicht vollstreckbar wäre. Wäre die belangte Behörde jedoch der Auffassung, dass das im vorliegenden Verfahren beantragte Projekt nur unter gleichzeitiger Erteilung der Auflage der Errichtung der in Rede stehenden Lärmschutzwand zulässig wäre, hätte sie die Erteilung der Bewilligung im gegenständlichen Verfahren davon abhängig machen müssen, dass auch in der gegenständlichen Baubewilligung die entsprechende Auflage erteilt werde. Es besteht im Falle der Aufteilung eines räumlich zusammenhängenden Bauprojekts auf verschiedene Bauverfahren für die Baubehörde nämlich leicht die Möglichkeit, in einem weiteren Verfahren (hier: dem beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahren) insofern auf früher erteilte Baubewilligungen und darin enthaltene Auflagen Bezug zu nehmen, als die Baubewilligung unter der Auflage erteilt wird, dass früher genehmigte Projektsteile verwirklicht werden bzw. die Auflagen in früher erlassenen Bescheiden eingehalten werden. Auf diese Weise würde etwa die in Rede stehende Auflage 40 aus dem Verfahren betreffend das Objekt A-Gasse 9 auch integraler Bestandteil des weiteren Baubewilligungsbescheides und würde so auch im Zusammenhang mit der Umsetzung der hier gegenständlichen Baubewilligung zwangsweise durchsetzbar.
Gleichgültig, ob die in Rede stehende Lärmschutzwand ohnehin Gegenstand des vorliegenden Bauverfahrens ist (wie die Gemeinde - wie sich aus dem Hinweis auf das Grundstück Nr. 356/17 ergibt - in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme zu meinen scheint), wäre eine derartige Auflage allenfalls in der Form möglich gewesen, dass klargestellt wird, dass die Beschwerdeführerin von der erteilten Bewilligung nur zur Gänze Gebrauch machen kann oder ihr bei Erteilung der Bewilligung ausdrücklich auch in diesem Verfahren die Errichtung der Wand zur Auflage gemacht wird (damit wäre die Unterlassung der Errichtung der Lärmschutzwand sanktionierbar). Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hinweist, dass die Anregung, eine Auflage zu erteilen, von einem Bewilligungsantrag zu unterscheiden sei, hat sie zwar formal Recht. Allein, sie übersieht, dass diese Differenzierung nicht ausschlaggebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde für die Aufhebung des Gemeindebescheides gewählten Begründung ist.
Es ist daher im Beschwerdefall nicht näher der Frage nachzugehen, ob etwa die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Schreiben vom samt Grundriss, Schnitt und Ansicht der Sichtbetonwand einschließlich Baubeschreibung) einen ausdrücklichen Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die in Rede stehende Lärmschutzwand darstellen bzw. ob die Wand allenfalls nur anzeigepflichtig ist und die vorgelegten Unterlagen als Anzeige zu verstehen sind und somit auch die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde unzutreffend sind (die im angefochtenen Bescheid genannte Stellungnahme der P-GesmbH, aus der sich Näheres zur im Bewilligungsbescheid betreffend A-Gasse 9 vorgeschriebenen Lärmschutzwand ergeben könnte, ist im vorgelegten Akt nicht enthalten; nach der verbalen Beschreibung handelt es sich jedoch um eine Lärmschutzwand an der nördlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks der mitbeteiligten Partei, die von der Tiefgarageneinfahrt Richtung K Straße geführt werden soll; damit stimmt auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte planliche Darstellung überein). Es ist daher insbesondere nicht zu beurteilen, ob die in Rede stehende Lärmschutzwand, die nicht höher als 1,50 m geplant ist, trotz des funktionalen Unterschieds mit Einfriedungen oder Stützmauern iSd § 20 Z 3 lit. c) Stmk BauG gleichzusetzen ist, sodass nur die Anzeigepflicht gegeben ist. Rechtserheblich ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob eine noch nicht bewilligte Maßnahme bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Projekts miteinzubeziehen ist. Diese Frage ist nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu bejahen.
Damit ergibt sich, dass es jedenfalls verfehlt war, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, dass die in Rede stehende Lärmschutzwand bei der Beurteilung der Auswirkungen des Projekts nicht berücksichtigt hätte werden dürfen.
Der Umstand allein, dass ein Projektsteil noch nicht baurechtlich bewilligt ist, berechtigt eine Behörde nicht, bei der Beurteilung der immissionstechnischen Auswirkungen des Projekts diesen Teil nicht zu berücksichtigen. Es ist vielmehr umgekehrt der Regelfall, dass bei der Bewilligung eines Projekts auch von Maßnahmen ausgegangen werden muss, die noch nicht in die Wirklichkeit umgesetzt wurden, da sie ja Gegenstand des zu bewilligenden Projekts sind. Der im Beschwerdefall vorliegende Umstand, dass die in Rede stehende Lärmschutzwand zumindest zunächst nicht Gegenstand des Bauantrags im vorliegenden Verwaltungsverfahren war, ändert daran nichts. Wie oben dargestellt wurde, hätte die Baubehörde, soferne Auflage 40 des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom nicht so zu deuten war, dass die Lärmschutzwand jedenfalls zu errichten ist und daher die Erzwingbarkeit schon deshalb gegeben war, durch eine entsprechende Auflage im vorliegenden Bauverfahren für die Durchsetzbarkeit der Lärmschutzwand zu sorgen gehabt, wenn die Erteilung der Bewilligung im Hinblick auf die zu erwartenden Immissionen nur unter der Annahme möglich wäre, dass die Lärmschutzwand errichtet wird.
Da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die tragenden Aufhebungsgründe Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren (letztlich auch für den Verwaltungsgerichtshof, wenn der Vorstellungsbescheid nicht behoben wird) entfalten, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauG Stmk 1995 §29; BauRallg; |
Schlagworte | Auflagen BauRallg7 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2000:1999060141.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-56495