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VwGH vom 27.04.2004, 2003/05/0104

VwGH vom 27.04.2004, 2003/05/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der GH Immobilienmakler GmbH in Wien, vertreten durch Eckert Löb & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 25 und 26/03, betreffend Abbruchaufträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe G 603/2/32/1764/2001, sowie Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe G 603/3/1765/2001, erging hinsichtlich der Gebäude auf den Liegenschaften Gst. Nr. 603/2/32 EZ 1348 und Gst. Nr. 603/3 EZ. 1354, beide KG Pötzleinsdorf, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) der Auftrag, diese binnen sechs Monaten nach Rechtskraft abzutragen. In der Begründung legte die Baubehörde erster Instanz dar, dass die Grundgrenze in der Gebäudemitte verlaufe und weder im Decken- noch im Wandbereich entlang der Grundgrenze eine Trennfuge vorhanden sei. Es handle sich daher um ein einzelnes Gebäude, obwohl für die beiden Liegenschaften nur je ein Kleingartenwohnhaus gemäß § 8 Wiener Kleingartengesetz (in der Folge: KGG) als bewilligt gelte.

Mit Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - XVIII - 1 bis 4/02, wurden die angefochtenen Bescheide gemäß § 66 Abs. 4" AVG behoben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Die Bauoberbehörde folgte dem Vorbringen der Berufungswerberin dem Grunde nach und führte aus, dass der Aktenlage keine Ermittlungen der Baubehörde erster Instanz dahingehend entnommen werden könnten, ob die gänzliche Beseitigung sämtlicher Gebäudeteile im Sinne des § 129 Abs. 10 BO erforderlich sei oder ob nicht mit einem weniger eingreifenden Auftrag, der lediglich die Beseitigung der festgestellten Abweichungen von den entsprechenden Baubewilligungen und die konsensgemäße Herstellung der beiden Kleingartenwohnhäuser zum Gegenstand habe, das Auslangen gefunden werden könne.

In weiterer Folge wurde mit den Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe Gst. 603/32/1971/2002, und Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe Gst. 603/44/1972/2002, der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeiten auf den gegenständlichen Liegenschaften gemäß § 129 Abs. 10 BO der Auftrag erteilt, die ohne Bewilligung errichteten Gebäude binnen einer Frist von jeweils zwölf Monaten nach Rechtskraft zu entfernen. Begründend wurde in beiden Bescheiden im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rohbauten gegenüber den als bewilligt geltenden Gebäuden in einer um ca. 2 m in Richtung Süden hin abweichenden Lage und somit an einer anderen Stelle errichtet worden seien.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte (mit einer geringfügigen Abänderung des Spruches) die erstinstanzlichen Bescheide.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 632/03-3, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene, vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin begehrt in der auftragsgemäß vorgenommenen Beschwerdeergänzung, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten;

(...)

Nach dem im angefochtenen Bescheid festgestellten, von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestrittenen Sachverhalt wurde auf der Liegenschaft EZ 1348 der KG Pötzleinsdorf ein Rohbau bestehend aus drei Geschoßen errichtet. Die beiden obersten Geschoße weisen ein Ausmaß von ca. 8,4 x 6 m, das darunter liegende Geschoß von ca. 12,9 x 6 m auf. Der bestehende Rohbau wurde gegenüber dem gemäß § 8 KGG zufolge der Einreichung zur Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe Gst. 603/2/32/3532/98 als bewilligt geltenden Gebäude (Kleingartenwohnhaus) in einer um ca. 2 m Richtung Süden hin abweichenden Lage errichtet. Weiters wurde auf der Liegenschaft EZ 1354 der KG Pötzleinsdorf ein Rohbau bestehend aus vier Geschoßen errichtet. Die beiden obersten Geschoße haben ein Ausmaß von ca. 8,4 x 6 m und weisen eine rechteckige Grundrissform auf. Das darunter liegende Geschoß weist eine Fläche mit Außenabmessungen von ca. 12,9 x 6 m sowie eine L-förmige Erweiterung an der Südostseite von ca. 2,10 x 7 m auf. Dieses Geschoß ist an der Süd- und Ostfront oberirdisch. Unter diesem Geschoß befindet sich in einem Teilbereich ein weiteres Geschoß mit geringeren Abmessungen als die darüber befindlichen drei Geschoße. An der Nordseite befindet sich ein eingeschoßiger fünfseitig umschlossener Anbau im Ausmaß von ca. 4,9 x 1,8 m. Der bestehende Rohbau wurde gegenüber dem gemäß § 8 KGG zufolge der Einreichung zur Zl. MA 37/18 - Ladenburghöhe Gst. 603/3/3545/98 als bewilligt geltenden Gebäude (Kleingartenwohnhaus) in einer um ca. 2 m Richtung Süden hin abweichenden Lage errichtet.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, die Konsensgemäßheit des Bauvorhabens und Herstellung des bauordnungsgemäßen Zustandes durch das gelindere Mittel des Auftrages zur Beseitigung nur der Abweichungen von den Baubewilligungen und nicht durch den Auftrag zur gänzlichen Abtragung zu erreichen, verletzt. Dabei beruft sie sich im Wesentlichen auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0230, in dem der Verwaltungsgerichtshof entschieden habe, dass im Zweifel ein Auftrag nur hinsichtlich der Abweichungen und nicht gleich des ganzen Gebäudes zu erteilen sei. Die belangte Behörde habe dazu keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich ausgeführt, dass die Rohbauten an einer anderen Stelle errichtet worden seien, somit ein aliud vorliege und demgemäß die vorschriftswidrigen Bauten zu beseitigen seien, obwohl sich die Beschwerdeführerin zu einer technisch möglichen baulichen Rückführung bereit erklärt habe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den ganzen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln. Völlig unberücksichtigt sei ihre eigene Entscheidung im ersten Rechtsgang geblieben, wo sie in ihrem Berufungsbescheid vom der Baubehörde erster Instanz aufgetragen habe, die gelinderen Mittel zu prüfen und insbesondere festzustellen, ob eine technische Rückführung auf den Konsensstand möglich sei. Obwohl den beiden Rechtsgängen ein und derselbe Sachverhalt zu Grunde gelegen sei, habe sich die belangte Behörde nunmehr über das Parteivorbringen hinweggesetzt und sich in der Begründung hiezu nur auf das Vorliegen eines aliuds zurückgezogen. Die belangte Behörde hätte erkennen müssen, dass im konkreten Fall ein vermuteter Konsens vorliege, zumal die Verrückung der Baulichkeit zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit ein Thema gewesen sei, obwohl beide Bauwerke bereits im Jahr 2001 - also zum Zeitpunkt des ersten Rechtsganges - um ca. 2 m Richtung Süden hin abweichend errichtet worden seien.

Im vorliegenden Fall stützte der Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom die Aufhebung der erstinstanzlichen Bescheide und die Zurückweisung der Angelegenheiten an die Baubehörde erster Instanz zwar auf § 66 Abs. 4 AVG. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt aber ein Berufungsbescheid, der sich zwar im Spruch auf § 66 Abs. 4 AVG stützt, den erstinstanzlichen Bescheid aber aufhebt und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweist, eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG dar (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, auf S 1307 unter E 352 und auf S 1314 unter E 386 zitierte hg. Rechtsprechung).

Durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG trat das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, auf S 1314 unter E 388 zitierte hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift aus, dass die Entscheidung der Bauoberbehörde für Wien vom zwar ebenso die gegenständlichen Baulichkeiten zum Gegenstand gehabt, jedoch auf einem - unzureichend ermittelten - Sachverhalt beruht habe. Die Feststellung, dass die Rohbauten gegenüber den als bewilligt geltenden Kleingartenwohnhäusern in einer um ca. 2 m in Richtung Süden hin abweichenden Lage und somit an einer anderen Stelle errichtet wurden, habe sich erst auf Grund des aufgetragenen ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens der Baubehörde erster Instanz ergeben.

Dazu ist festzuhalten, dass die Unterbehörde im fortgesetzten Verfahren bei unveränderter Sach- und Rechtslage an die von der Berufungsbehörde in einem gemäß § 66 Abs. 2 AVG behebenden und die Angelegenheit zurückverweisenden Bescheid geäußerte, für die Behebung maßgebende Rechtsansicht gebunden ist. Diese Rechtsansicht ist auch (im Fall eines weiteren Rechtsganges) für die Berufungsbehörde selbst bindend. Die Bindungswirkung trifft auch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, auf S 1315 f unter E 394, E 395 und E 397 zitierte hg. Rechtsprechung).

Im Berufungsbescheid vom wurde jedenfalls keine Rechtsansicht überbunden, welche einer Erweiterung der Sachverhaltsgrundlagen entgegengestanden wäre, daher durfte auch die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang den Umstand, dass die Rohbauten in einer um ca. 2 m in Richtung Süden hin abweichenden Lage errichtet worden sind, ihrer Entscheidung zu Grunde legen. Dieser Sachverhalt blieb von der Beschwerdeführerin unbestritten. Das Andauern der Bindung einer Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG ist nur bei Identität des zu beurteilenden Sachverhaltes möglich. Ergibt sich aus dem weiteren Ermittlungsverfahren ein veränderter Sachverhalt, so besteht diesbezüglich keine Bindung an die Rechtsanschauungen der Berufungsbehörde mehr.

Eine "Verschiebung" eines Gebäudes um 2 m und somit die Errichtung an einer anderen als der bewilligten Stelle ist jedenfalls nicht von der Baubewilligung gedeckt. In einem derartigen Fall kann von einer geringfügigen Abweichung vom bewilligten Plan nicht mehr gesprochen werden. Allein dieser Sachverhalt rechtfertigt somit einen Abbruchauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO hinsichtlich des gesamten Gebäudes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 83/05/0061, 0062). Auch aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0230, ergibt sich nichts anderes, da diesem ebenso ein Fall zu Grunde lag, bei dem "keinesfalls als geringfügig" zu qualifizierende Abweichungen zu Recht zu einem Abtragungsauftrag führten.

Ein "vermuteter Konsens", auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, setzt u.a. ein seit vielen Jahrzehnten bestehendes Gebäude voraus (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0322) und kommt im vorliegenden Fall folglich nicht in Frage.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am