VwGH vom 14.09.1995, 94/06/0018
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-32.861/23-1993, betreffend Erteilung baubehördlicher Bewilligungen (mitbeteiligte Parteien: 1. U in B, 2. Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Rechtsvorgänger der erstmitbeteiligten Partei auf der Bauparzelle 81/2 und der Grundparzelle 668/2 KG W beim Haus Nr. 21 in W die Bewilligung für einen Um- und einen Zubau eines dort bereits vorhandenen Altbestandes erteilt. Dieses Bauwerk wurde in der Folge nur hinsichtlich des Erdgeschoßes verwirklicht.
Am teilte die erstmitbeteiligte Partei dem Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit, daß sie nunmehr die Durchführung des "zweiten Bauabschnittes" (nämlich die Hebung der Decke über dem Erdgeschoß des bestehenden Wohnhauses und die Ausfertigung des Obergeschoßes") aufgrund der seinerzeit erteilten Baubewilligung auszuführen beabsichtige, gegenüber dem ursprünglichen Bescheid jedoch im Erdgeschoß statt eines Gastlokales eine Wohneinheit, im Obergeschoß statt zwei Zweitbettzimmern und drei Einbettzimmern mit Bad und WC nunmehr zwei Kleinwohnungen ausgeführt würden. Auch werde ein neues Stiegenhaus in den bestehenden Keller, der zum Heiz- und Tankraum umgebaut werde, ausgeführt. Aufgrund dieser "Raumprogrammänderung" erfolge auch eine neue Fassadengestaltung. Traufen- und Firsthöhe sowie Raumhöhen würden gegenüber der ursprünglichen Baubewilligung nicht verändert.
Über diesen Antrag wurde am eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, eingangs derer ein bautechnisches Sachverständigengutachten erstellt wurde. Darin wird dem Sinne nach festgehalten, daß die Hebung der Decke über dem Erdgeschoß des bestehenden Wohnhauses und die Ausfertigung des Obergeschosses der Baubewilligung vom , zweite Bauetappe, entsprächen. Es sei nur ein Teil der bewilligten Baumaßnahmen ausgeführt worden. Für die nunmehr beantragten Grundrißveränderungen, die Änderung der Fassadengestaltung sowie die Widmungsänderung von Gasthaus auf Wohnhaus liege ein Projekt vor, dem zu entnehmen sei, daß gegenüber der seinerzeitigen Bewilligung nunmehr im Erdgeschoß anstatt der gastgewerblichen Lokale eine abgeschlossene Wohneinheit, bestehend aus Wohnraum, Küche, Schlafzimmer und Sanitärgruppe und im Obergeschoß anstatt diverser Fremdenzimmer zwei kleine Wohneinheiten geplant seien. Weiters sollten im Zuge der Bauarbeiten eine Sanierung der bestehenden Bausubstanz in der Weise erfolgen, daß teilweise altes Holzaußenmauerwerk abgetragen und wieder erneuert werde. Die Baumaßnahme sei nur dann zu realisieren (gemeint offenbar: rechtlich zulässig), wenn von der im Juni 1956 erteilten Baubewilligung ausgegangen werden könne, da sich in der Zwischenzeit die Gesetzeslage und die Besitzverhältnisse geändert hätten und das Haus hinsichtlich der Lage im Bauplatz und der gesetzlichen Nachbarabstände (ergänze: darunter jener zum Beschwerdeführer) dem Bebauungsgrundlagengesetz widerspreche.
Der Beschwerdeführer erhob umfangreiche Einwendungen insbesondere hinsichtlich der Nichteinhaltung des Seitenabstandes zu seinem südlich des Baugrundstückes gelegenen Grundstück. Die Einwendungen des Beschwerdeführers laufen im übrigen darauf hinaus, daß die Baubewilligung vom mangels Ausführung des bewilligten Projektes erloschen und daher ein neues Bauansuchen zu stellen sei.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für "Grundrißveränderungen, Änderung der Fassadengestaltung und Änderung des Verwendungszweckes von Gaststätte auf Wohnhaus beim Objekt W 21 auf der Gp 668/2 und Bp 81/2, KG W, und zwar nach Maßgabe des diesem Bescheid zugrundeliegenden und als solches gekennzeichneten Projektes des befugten Planverfassers ... und mit der Auflage, daß den in der angeschlossenen Verhandlungsschrift vom enthaltenen Vorschreibungen zu entsprechen ist".
Nach dem zweiten Spruchteil wurde dem Beschwerdeführer die Parteistellung gemäß § 7 Baupolizeigesetz aberkannt. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Baubewilligung vom in Rechtskraft erwachsen. Ein Teil der bewilligten Baumaßnahmen sei innerhalb der Dreijahresfrist ausgeführt worden. Die von der mitbeteiligten Partei beantragten Baumaßnahmen beträfen jene im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c und d des Salzburger Baupolizeigesetzes, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer keine Parteistellung habe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom als unbegründet abgewiesen wurde. Die Ermittlungen der Berufungsbehörde hätten ergeben, daß sich die tatsächlich ausgeführten Bauarbeiten im Rahmen des Bewilligungsbescheides vom bewegten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, der mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom keine Folge gegeben wurde. Auch die Vorstellungsbehörde vertritt die Auffassung, daß nach den Einreichplänen der erstmitbeteiligten Partei vom keine Errichtung eines Bauwerkes im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a Salzburger Baupolizeigesetz vorliege, die Baubewilligung vom rechtswirksam und die erstmitbeteiligte Partei daher berechtigt sei, hinsichtlich dieses vorhandenen Bauwerkes jenen Zustand herzustellen, der sich aus dieser Baubewilligung ergibt. Auch ein von der Vorstellungsbehörde eingeholtes Gutachten habe ergeben, daß die bis durchgeführten Arbeiten entsprechend der Baubewilligung vom durchgeführt worden seien. Die beantragte Bewilligung nach § 2 Abs. 1 lit. c des Salzburger Baupolizeigesetzes sei daher zu Recht ergangen. In diesem Verfahren stehe dem Beschwerdeführer keine Parteistellung zu, weshalb eine Verletzung seiner Rechte nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Baubehörde erster Instanz hat im Spruch ihres Bescheides dem Beschwerdeführer "die Parteistellung aberkannt", ohne über seine Einwendungen der Sache nach abzusprechen. Gegenstand des weiteren Verfahrens und auch des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist daher ausschließlich die Frage, ob die Parteistellung des Beschwerdeführers zu Recht verneint wurde.
Diese Frage hängt - entgegen dem umfangreichen Beschwerdevorbringen - ausschließlich davon ab, welches Bauvorhaben Gegenstand des erstinstanzlichen Bewilligungsverfahrens gewesen ist, kommt doch dem Nachbarn gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 100/1992, nur bei den in § 2 Abs. 1 lit. a des Salzburger Baupolizeigesetzes angeführten baulichen Maßnahmen Parteistellung zu, bei den in § 2 Abs. 1 lit. e leg. cit. angeführten Maßnahmen nur dann, wenn die Zweckänderung die in § 9 Abs. 1 lit. a und b angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann. Die übrigen Bestimmungen des § 7 Abs. 1 leg. cit. sind im Beschwerdeverfahren ohne Belang.
Die erstmitbeteiligte Bauwerberin beantragte am die Umwidmung der Zweckverwendung im Keller-, Erd- und Obergeschoß und die damit zusammenhängenden Änderungen der Raumeinteilung, sowie eine neue Fassadengestaltung einschließlich einer Änderung der Decke zwischen dem Obergeschoß und Dachstuhl (nunmehr Stahlbetonplatte anstelle der mit Bescheid vom bewilligten Holztramdecke). Dieses Vorhaben entspricht § 2 Abs. 1 lit. c und d des Salzburger Baupolizeigesetzes, handelt es sich doch teils um die Änderung oberirdischer Bauten, die sich auf die äußere Gestalt auswirkt (soweit davon die Fassade betroffen ist) bzw. um eine sonstige Änderung von Bauten, die geeignet ist, die Festigkeit oder Brandsicherheit des Baues zu beeinflussen oder die sonstigen Belange nach § 1 Abs. 1 lit. a des Bautechnikgesetzes erheblich zu beeinträchtigen, sowie schließlich § 2 Abs. 1 lit. e Baupolizeigesetz, soweit die Änderung der Art des Verwendungszweckes beantragt wurde. Eine Errichtung von oberirdischen oder unterirdischen Bauten einschließlich der Zu- und Aufbauten im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a Baupolizeigesetz hat die Beschwerdeführerin nicht beantragt und wurde ihr mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom auch nicht bewilligt.
Bei den in § 2 Abs. 1 lit. e Baupolizeigesetz angeführten baulichen Maßnahmen käme dem Beschwerdeführer nur unter der Voraussetzung Parteistellung zu, daß die Zweckänderung die in § 9 Abs. 1 lit. a und b angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann. In § 9 Abs. 1 lit. a und b Baupolizeigesetz sind bauliche Maßnahmen erwähnt, die der Flächenwidmung widersprechen oder mit einem Bebauungsplan oder der Bauplatzerklärung nicht im Einklang stehen. Daß solche Maßnahmen vorliegen, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Behörden haben daher zu Recht für das in der Baubeschreibung vom dargestellte und mit Bescheid vom bewilligte Bauvorhaben der erstmitbeteiligten Partei die Parteistellung des Beschwerdeführers verneint.
Die vom Beschwerdeführer dagegen in seiner Beschwerde vorgetragenen Argumente gehen am Kern der Sache vorbei:
Soweit der Beschwerdeführer eingangs der Ausführung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit ausführlich darzulegen sucht, daß die erstmitbeteiligte Partei in der Bauführung von der Baubewilligung vom abweicht, ist er - abgesehen davon, daß diese Behauptungen durch die Aktenlage nicht erhärtet erscheinen - darauf zu verweisen, daß eine allfällige konsenslose Bauführung der erstmitbeteiligten Partei nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, worin es lediglich um die Zulässigkeit der Bewilligung eines bestimmten, durch planliche Darstellung und Beschreibung umschriebenen Projektes geht. Eine von den Bewilligungen abweichende Bauführung könnte zwar zur Konsenslosigkeit des Bauwerkes, nicht aber zur Rechtswidrigkeit der erteilten Baubewilligung führen. Es bedarf daher keiner näheren Auseinandersetzung mit den umfangreichen Ausführungen in der Beschwerde, die eine konsenslose Bauführung dartun sollen.
Ob das bewilligte Projekt auch vollendet wurde, ist für den rechtswirksamen Bestand der Baubewilligung nicht entscheidend. Selbst wenn es zutreffen sollte - wie der Beschwerdeführer behauptet - daß die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin im Zuge der Bauführung von der am erteilten Baubewilligung in mehrfacher Hinsicht abgewichen wären, würde dies nichts daran ändern, daß der Bau aufgrund dieser Baubewilligung begonnen, wenngleich nur eingeschossig (und damit nicht projektgemäß) durchgeführt wurde. Die Rechte aus dieser Baubewilligung wären auch dann nicht erloschen, wenn man mit dem Beschwerdeführer annehmen würde, daß die Rechtsvorgänger der erstmitbeteiligten Partei durch die Vollendung der nur eingeschossigen Ausführung des Baues zu erkennen gegeben hätten, den Bau abgeschlossen zu haben oder wenn ihnen für diesen (der Bewilligung vom nicht entsprechenden) Bau eine Benützungsbewilligung erteilt worden wäre. Eine Bauvollendungsfrist, wie sie seit der Novelle LGBl. Nr. 100/1992 in § 17 Abs. 4 Baupolizeigesetz verankert ist, war dem Salzburger Baurecht bis zu diesem Zeitpunkt fremd. Auch für die Rechtsfolge des Inhaltes, daß die Bewilligung erlösche, wenn der Bau - gleich in welchem Umfang - vollendet sei, findet sich in den gesetzlichen Vorschriften nicht der geringste Anhaltspunkt. Auch ein teilweises Erlöschen der erteilten Baubewilligung sah die seinerzeitige Bestimmung des § 30 der Salzburger Landbauordnung - im Gegensatz zu § 9 Abs. 7 zweiter Satz des Salzburger Baupolizeigesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 100/1992 - nicht vor.
Auch bedurfte es - entgegen dem Beschwerdevorbringen zur behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften - keiner Feststellungen darüber, inwieweit die tatsächliche Bauführung der erstmitbeteiligten Partei von den erteilten Bewilligungen abweicht, da dies lediglich in einem Verfahren gemäß § 16 des Salzburger Baupolizeigesetzes Beweisthema sein könnte.
Schließlich ist der Beschwerdeführer mangels Parteistellung im Baubewilligungsverfahren auch nicht berechtigt, allfällige Undeutlichkeiten des Baubewilligungsbescheides (die im übrigen aus der Begründung des Bescheides zu klären sind) zu rügen. Der Beschwerdeführer wäre allerdings dann berechtigt, als Partei die Einwendung der Unzulässigkeit der Erteilung der im gegenständlichen Verfahren beantragten Bewilligung zu erheben, wenn seine Behauptung, die Baubewilligung vom sei mangels rechtzeitigen Beginns der Bauführung erloschen, zuträfe. Diesfalls hätte nämlich die mitbeteiligte Partei die
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- | nachträgliche - Erteilung einer Baubewilligung für den | |||||||||
- | nunmehr zu ändernden - Bestand beantragen müssen, da hinsichtlich eines konsenslosen (und daher solange eine Baubewilligung nicht erteilt wurde: zu beseitigenden) Bauwerks keine bauliche oder sonstige Änderung bewilligt werden kann. In der Erteilung einer solchen Bewilligung unter Umgehung eines Baubewilligungsverfahrens (und damit auch des Mitspracherechtes des Nachbarn in einem solchen Verfahren) läge auch eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers. |
Die Behörden des Verwaltungsverfahrens gehen davon aus, daß die Baubewilligung vom infolge rechtzeitiger Bauführung noch wirksam ist. Dies wird (nur) im erstinstanzlichen Bescheid damit begründet, daß "ein Teil der bewilligten Baumaßnahmen ... innerhalb der Dreijahresfrist ausgeführt" worden sei, wie aus einer (gewerberechtlichen) Verhandlungsschrift der BH St. Johann/Pongau vom hervorgehe. Der zuletzt genannte Umstand (dem die Behörde in tatsächlicher Hinsicht Indizwirkung für einen Baubeginn "innerhalb der Dreijahresfrist" beimißt) vermag jedoch die Annahme (rechtlicher Art) die genannte Baubewilligung vom sei noch wirksam, deshalb nicht zu rechtfertigen, weil gemäß § 30 Abs. 1 der im fraglichen Zeitraum geltenden Salzburger Landbauordnung LGBl. Nr. 55/1952, die Baubewilligung unwirksam wurde, wenn mit dem Bau nicht binnen ZWEI Jahren begonnen wurde.
Zur Beurteilung, ob DIESE Frist eingehalten wurde, reicht jedoch der Hinweis auf die Verhandlungsschrift vom nicht aus; andere Anhaltspunkte sind den Verwaltungsakten in diesem Belang aber nicht zu entnehmen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.