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VwGH vom 25.03.1992, 91/03/0253

VwGH vom 25.03.1992, 91/03/0253

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 20.2-1/91-3, betreffend eine Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG in einer Angelegenheit der Straßenverkehrsordnung (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung in Graz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die auf § 67a Abs. 1 Z. 1 - richtig: Z. 2 - AVG gestützte Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung im wesentlichen aus, mit der am eingebrachten Beschwerde beantrage der Beschwerdeführer, die Aufforderung zur Atemluftüberprüfung am gegen 03.20 Uhr in G vor dem Parkplatz des Hotels J. und seine Verbringung zum Gendarmeriepostenkommando W bei von innen nicht zu öffnenden Türen des Funkpatrouillenwagens, je durch Organe des Gendarmeriepostenkommandos G, für rechtwidrig zu erklären. Aus der Beschwerde ergebe sich, daß der Beschwerdeführer von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos G zur Vornahme der Atemluftüberprüfung aufgefordert worden sei. Da der Alkomat des Gendarmeriepostenkommandos G zur Überprüfung nach Wien eingesandt gewesen sei, mußten die Beamten zum Posten W, dem nächstgelegenen Standort eines Alkomaten fahren. Zu diesem Zweck sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, auf dem Rücksitz des Dienstfahrzeuges Platz zu nehmen, wobei die Kindersicherung an den rückwärtigen Türen ein Aussteigen verhindert habe. Ein Aussteigen sei dem Beschwerdeführer wegen der eingerasteten Kindersicherung nicht möglich gewesen, er sei während der Fahrt "quasi" gefangen gewesen. Die veranlaßte Atemluftüberprüfung sei deshalb rechtswidrig gewesen, weil kein Anhaltspunkt dafür bestanden habe, daß der Beschwerdeführer im alkoholisierten Zustand ein Fahrzeug gelenkt, in Betrieb genommen oder in Betrieb zu nehmen versucht habe. Auch wäre die Atemluftüberprüfung entweder am Ort der Amtshandlung oder bei der nächsten Gendarmeriedienststelle, wo sich ein Atemalkoholmeßgerät befinde, vorzunehmen gewesen. Da sich schon aus dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhalt und dem Akteninhalt ergebe, daß die Beschwerde zurückzuweisen sei, sei gemäß § 67d Abs. 1 AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen gewesen. Eine Beschwerde sei nach § 67c AVG nur zulässig, wenn dem Beschwerdeführer ein verwaltungsbehördlicher Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt worden sei, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durchgesetzt worden wäre. Das Vorliegen einer sogenannten faktischen Amtshandlung setze u.a. die Anwendung von Zwang voraus. Voraussetzung sei weiters, daß die Amtshandlung ein behördliches Handeln im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt darstelle, daß der Amtshandlung in irgendeiner Form ein rechtsgestaltende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden könne. Diese Voraussetzungen seien in Ansehung der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt gewesen, nicht gegeben. Dem Beschwerdeführer sei der Umstand, daß die Kindersicherung des Fahrzeuges anläßlich der Fahrt zum Gendarmeriepostenkommando W eingelegt gewesen sei, während der Fahrt nicht einmal bewußt gewesen. Es sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden, daß er zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen dem Einsteigen in den Pkw und der Ankunft beim Gendarmeriepostenkommando W den Wagen habe verlassen wollen, daran von den Beamten gehindert worden wäre, oder daß von diesen gegen ihn in irgeneiner Weise Zwang angewendet worden sei. Gleichfalls sei vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet worden, daß die Kindersicherung an den rückwärtigen Türen von den Beamten erst eingelegt worden wäre, nachdem der Beschwerdeführer am Rücksitz Platz genommen habe, oder daß die Genannten vom Beschwerdeführer aufgefordert worden wären, dies zu unterlassen, oder die eingelegte Kindersicherung wieder auszuschalten. Die Beschwerde erweise sich aber auch, soweit sie die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung als rechtswidrig bekämpfe, schon auf Grund der Beschwerdebehauptungen als unzulässig. Der Beschwerde sei nicht zu entnehmen, daß es dabei zu einer Zwangsmaßnahme gekommen sei. Die Aufforderung gemäß § 5 Abs. 2 StVO, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, stelle nur eines unter mehreren Merkmalen des gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO als Übertretung strafbaren Tatbestandes dar, sodaß es dem Betroffenen frei stehe, der Aufforderng keine Folge zu leisten. Damit fehle bereits der an den Verwaltungsakt geknüpften Sanktion die "Unmittelbarkeit" (vgl. VfSlg. 8671). Die Frage, ob die Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO zu Recht erfolgt sei oder nicht, sei nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG sondern des Strafverfahrens wegen Verdachtes der Übertretung der straßenpolizeilichen Bestimmung. Da sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergebe, daß die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, sei mangels Vorliegens der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Gemäß § 67c Abs. 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, dann ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (§ 67d Abs. 1 AVG). Fehlt es an den Prozeßvoraussetzungen, so ist die Beschwerde zurückzuweisen. Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat die belangte Behörde die entscheidungswesentlichen Feststellungen über das Fehlen der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit, daß nämlich von keiner "faktischen Amtshandlung" gesprochen werden könne, allein auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der "Maßnahmenbeschwerde" an den Unabhängigen Verwaltungssenat gestützt. Daß die belangte Behörde vor ihrer Entscheidung eine Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft W einholte, vermag daran nichts zu ändern, zumal die belangte Behörde diese nicht als Grundlage ihrer Entscheidung genommen hat. Deshalb bedurfte es auch nicht der Gewährung des Parteiengehörs.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes stellt die bloße Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO - daß in irgendeiner Weise dabei ein physischer Zwang angewendet worden sei, oder besondere Umstände, die allenfalls eine Verwirklichung unmittelbaren (physischen Zwanges) befürchten ließen, vorgelegen seien, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet - nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. z. B. die hg. Entscheidungen vom , Zl. 89/03/0311, und vom , Zlen. 90/03/0050, 0155, 0156, 0157). Es steht dem Betroffenen frei, dieser Aufforderung, wenn auch unter dem Risiko einer allfälligen Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung, nicht Folge zu leisten. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung freiwillig nachgekommen ist, kann darin keine sogenannte "faktische Amtshandlung" erblickt werden, wenn er in das Dienstfahrzeug einstieg, um zum Orte der Durchführung der Untersuchung mittels Alkomat gebracht zu werden. Ob die Aufforderung zu Recht erfolgte, und zwar auch in Ansehung des Ortes der Durchführung, der Beschwerdeführer vermeint, es wäre die Untersuchung bei einem anderen Gendarmerieposten als in W durchzuführen gewesen, ist nicht Gegenstand eines Verfahrens über eine Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG sondern des Verfahrens betreffend die allenfalls verwirklichte Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung.

Die belangte Behörde hat auch ausreichend und schlüssig dargelegt, warum in dem Umstand, daß während der Fahrt zum Gendarmeriepostenkommando W im Dienstfahrzeug die Kindersicherung in Ansehung der rückwärtigen Türen eingerastet war, im gegenständlichen Fall keine Rechtsverletzung durch unmittelbare Anwendung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gelegen sein konnte. Hat doch der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an die belangte Behörde nicht einmal die Behauptung aufgestellt, er habe während der Fahrt, insbesondere als das Fahrzeug am Gendarmeriepostenkommando G vorbeigefahren sei, den Beamten gegenüber den Wunsch geäußert, das Fahrzeug vor Erreichen des Fahrziels (W) verlassen zu wollen. Abgesehen davon, daß er nicht einmal vorgebracht hat, daß ihm die eingerastete Kindersicherung während der Fahrt bewußt gewesen sei - das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof findet in der Aktenlage keine Deckung -, wäre ihm ein Aussteigen während der Fahrt auch bei offener Türsicherung nicht möglich gewesen. Er hätte daher die Beamten dazu auffordern müssen, ihn aussteigen zu lassen, was er jedoch nicht tat. Er hat erst nach der Ankunft in W erklärt, dort keine Untersuchung mittels Alkomat abzulegen.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erstmals vorbringt, schließlich hätten sich die Beamten, als sie beim Gendarmeriepostenkommandos W angekommen seien, einige Minuten Zeit gelassen, ihm aus dem Wagen zu lassen, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung. Vor allem erfolgte insoweit auch keine Bekämpfung dieses (nunmehr erstmals behaupteten) Vorfalls in der Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde, was aber zufolge der Regelungen des § 67c Abs. 2 AVG erforderlich gewesen wäre.

Im Hinblick auf die gegebenen Sach- und Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof auch die Meinung des Beschwerdeführers nicht zu teilen, es liege eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit deshalb vor, weil die belangte Behörde, zumal sie eine Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft W eingeholt habe, die an sie gerichtete Beschwerde nicht mehr hätte zurückweisen dürfen, sondern eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Abgesehen davon zieht selbst ein rechtswidriges Unterbleiben einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht in jedem Fall die Aufhebung des Bescheides nach sich (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/03/0165). Die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels wurde in der Beschwerde nicht entsprechend konkretisiert.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.