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VwGH vom 27.06.1997, 96/19/0256

VwGH vom 27.06.1997, 96/19/0256

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 107.235/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes abgewiesen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, im Jahr 1993 wegen des Krieges in Bosnien und Herzegowina nach Österreich eingereist zu sein, in Österreich eine Privatversicherung abgeschlossen sowie eine Schule und eine Lehrstelle gefunden zu haben; schließlich wohne ihre ganze Familie jetzt in Wien; sie könne nicht nach Bosnien zurück, weil sie dort alles verloren habe.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 9 Abs. 3 AufG abgewiesen. Die Behörde begründete dies damit, daß aus dem Grunde des § 9 Abs. 3 AufG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürften, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens habe ein Rechtsanspruch "für" die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können. Angesichts dieser Rechtslage sei auf das weitere in der Berufung enthaltene Vorbringen nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach ihrer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Sie bringt vor, angesichts des § 3 AufG (sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung) wäre eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen gewesen. Die Behörde habe sich über den gegenständlichen, besonderen Härtefall hinweggesetzt. Sie hätte berücksichtigen müssen, daß die Beschwerdeführerin wirtschaftlich völlig von ihren Eltern abhängig und als letztes Familienmitglied ihrer Familie nach Österreich nachgezogen sei. Die Familienzusammenführung sei demzufolge besonders dringlich. Des weiteren hätte die Behörde die Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina unrichtig angewandt, da bei entsprechender Auslegung die Bewilligung sehr wohl zu erteilen gewesen wäre.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides () hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995 (im folgenden: AufG aF), anzuwenden.

§ 3 und § 9 Abs. 3 AufG aF lauten auszugsweise:

"§ 3.

(1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
....

(3) Die Fristen des Abs. 1 Z. 2 und des Abs. 2 können verkürzt werden, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter den selben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.

§ 9.

...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."

Die Beschwerde stützt sich auf § 3 AufG in der Fassung sowohl vor als auch nach der Novelle BGBl. Nr. 351/1995. Dazu muß grundsätzlich festgehalten werden, daß die belangte Behörde die Sach- und Rechtslage anzuwenden hatte, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides () galt. Dies war die Rechtslage VOR der AufG-Novelle aus 1995. Nach der diesbezüglich eindeutigen Anordnung des § 9 Abs. 3 AufG aF waren die anhängigen Anträge bei Quotenerschöpfung abzuweisen. Nur Entscheidungen über anhängige Anträge gemäß § 3 waren auf das folgende Jahr zu verschieben. Wenn sich die Beschwerdeführerin allerdings auf § 3 leg. cit. beruft, hätte auf sie als volljähriges Kind von Fremden nur der zweite Satz des § 3 Abs. 3 AufG aF Anwendung finden können.

Diese Bestimmung sieht in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zur Vermeidung einer besonderen Härte die Möglichkeit der Erteilung einer Bewilligung auch an volljährige Kinder im Rahmen des Familiennachzugs vor, wenn die Eltern aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt, sie mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, auf Dauer Lebensunterhalt und Unterkünfte der Kinder ausreichend gesichert und diese von den Eltern wirtschaftlich abhängig sind. Die Behörde erster Instanz hat ausdrücklich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 AufG verneint. Die Beschwerdeführerin ist dieser Annahme in ihrer Berufung sachverhaltsbezogen - hinsichtlich des Mangels eines auf eine Bewilligung gegründeten Aufenthaltes eines Elternteiles seit mehr als zwei Jahren - nicht entgegengetreten. Vorbringen dahin, daß die Beschwerdeführerin mit den Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und von ihnen wirtschaftlich abhängig sei, wurden im Verwaltungsverfahren ebenfalls nicht erstattet. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellten, in diese Richtung gehenden Behauptungen erweisen sich daher gemäß § 41 VwGG als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen.

Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes. Gemäß § 39 Abs. 2 AVG trifft die Beweislast die belangte Behörde, doch wird in Antragsverfahren, in denen ein Anspruch auf Erlassung eines begünstigenden Aktes geltend gemacht wird und in deren Verlauf auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen ist, eine Behauptungslast und Konkretisierungsverpflichtung des Antragstellers anzunehmen sein, wenn dies die in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften auch nicht ausdrücklich anordnen. Es obliegt zwar auch in diesem Verfahren der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes, freilich unter Mitwirkung der Partei, ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. Die Wahrnehmung dieser Verpflichtung durch die Behörde setzt aber voraus, daß die antragstellende Partei solche detaillierten Behauptungen aufstellt, die es der Behörde ermöglichen, zunächst deren rechtliche Relevanz und bei Bejahung deren Richtigkeit zu prüfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0023, und vom , Zl. 92/08/0212). Die Verpflichtung der Behörde, von Amts wegen vorzugehen, befreit somit die Partei nicht davon, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts durch geeignetes Vorbringen beizutragen (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/01/0137, Slg. Nr. 12.559/A).

Die Geltendmachung der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 3 AufG aF setzt notwendigerweise ein auf das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen gerichtetes Vorbringen (wie u.a. Leben im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern, wirtschaftliche Abhängigkeit von den Eltern, die dauernde Sicherung des Unterhaltes) und Bescheinigungsanbieten der Partei voraus. Wenn die belangte Behörde das - im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 leg. cit. ungenügende - Vorbringen der Beschwerdeführerin während des Verwaltungsverfahrens nicht zum Anlaß nahm, zu prüfen, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege und die Bewilligung zur Vermeidung einer besonderen Härte erteilt werden könne, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich daher, soweit sie die Nichtanwendung des § 3 leg. cit. rügt, als nicht begründet.

In der Beschwerde wird nicht bestritten, daß die für das Jahr 1994 zur Verfügung gestandene Quote im Zeitpunkt der Bescheiderlassung erschöpft gewesen ist. Die belangte Behörde hatte daher gemäß der Vorschrift des § 9 Abs. 3 AufG aF den Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen.

Was schließlich die Verfahrensrüge betrifft, wonach es die belangte Behörde verabsäumt habe, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Darstellung ihrer prekären Situation sowie ihrer familiären Verhältnisse einzuräumen, ist zu bemerken, daß die Beschwerdeführerin diese Umstände in ihrer Berufung bereits dargestellt hat. Das in der Beschwerde gerügte Versäumnis kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg vorgeworfen werden.

Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß - insoweit sich die Beschwerdeführerin auf ein vorläufiges Aufenthaltsrecht als kriegsvertriebene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina beruft - ihr dieses Aufenthaltsrecht - sollte sie die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt haben - unmittelbar aufgrund der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 zustand. Durch den angefochtenen Bescheid konnte in diese Berechtigung nicht eingegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0104).

Allerdings besitzen nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung nur solche Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina ein vorübergehendes Aufenhaltsrecht im Bundesgebiet, die anderweitig keinen Schutz fanden. Dieses Tatbestandselement stellt auf den Einreisezeitpunkt ab (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0313). Die Beschwerdeführerin brachte jedoch - im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof - selbst vor, sich von November 1992 bis Dezember 1993 in Deutschland aufgehalten zu haben. Damit hätte sie aber anderweitig Schutz gefunden; ihr käme ein auf die genannte Verordnung gestütztes Aufenthaltsrecht nicht zu.

Aus den obgenannten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.