VwGH vom 19.05.1998, 94/05/0356
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dkfm. Jerri und der Ariadne Nowikovsky in Wien, vertreten durch Mag. DDr. Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XIX - 36/94, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist zu vier Fünftel, die Zweitbeschwerdeführerin zu einem Fünftel Miteigentümerin der Liegenschaft Wien XIX, Himmelstraße 26. Im Zuge eines Ortsaugenscheines durch einen Sachbearbeiter der Magistratsdirektion der Stadt Wien, Hilfsmaßnahmen-Sofortmaßnahmen, wurde festgestellt, daß die Einfriedung dieses Grundstückes in der gesamten Länge zur Straße hin mit undurchsichtigem Plexiglas verschalt und daher das örtliche Stadtbild beeinträchtigt worden sei.
Daraufhin ersuchte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, mit Schreiben vom die Magistratsabteilung 19 um eine Stellungnahme zur Frage der Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes. In diesem Schreiben wurde festgestellt, daß die gegenständliche Liegenschaft im Wohngebiet liege, für sie gärtnerische Gestaltung entlang der Baulinie festgesetzt sei und somit ein Vorgarten gemäß § 79 Abs. 1 der BauO für Wien vorliege.
Die Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 lautete wie folgt:
"Die Himmelstraße, welche bereits 1355 als "in praiten weg" aufscheint und die später als "Breitenweggasse" mit der "Kirchengasse" vereinigt wird, steigt vom Rand der geschlossenen Bebauung steil zum "Himmel" an. In diesem Bereich wird ihr Charakter von der Topographie - als Hohlweg - und der reichen Vegetation geprägt. Alle Bauteile und Bauwerke wie Stützmauern, Zäune und Häuser ordnen sich in diesen Charakter ein. Die Detailgestaltungen sind von Handwerkstechniken bestimmt. Die in jüngster Zeit angebrachte Einfriedung aus Kunststoff wahrt weder im Maßstab, im Rythmus und noch in der technologischen Gestaltung die äußere Gestaltung und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen zur Genehmigung nach §§ 60 Abs. 1 lit. e und 85 Abs. 5. Aus den genannten Gründen verursacht die gegenständliche Einfriedung eine Störung der Stadtbildcharakteristik, sodaß der Bestand von der MA 19 nicht akzeptiert werden kann."
Bei der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am in Anwesenheit des Erstbeschwerdeführers stellte der Verhandlungsleiter fest, daß entlang der Straßenfront Himmelstraße an der Innenseite des bestehenden Gitterzaunes matt durchscheinende Kunststoffplatten angebracht worden seien, die entgegen § 86 Abs. 3 BO den freien Durchblick hindern.
Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, den Eigentümern der Liegenschaft und der Kunststoffplatten den Auftrag, binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides die an der Innenseite des Gitterzaunes angebrachten Kunststoffplatten zu entfernen. In der Begründung wurde auf die Feststellungen anläßlich der Verhandlung und die Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 verwiesen und ausgeführt, daß, entgegen der Bestimmung des § 86 Abs. 3 BO, der freie Durchblick gehindert werde und daß eine Störung im Stadtbild eintrete.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Die Einsicht auf das Haus von der Straße her sei gewährleistet, da das Haus höher liege als die Straße. Bloß der Vorgarten sei nur mehr mit "Hinschauen zwischen den Zaunteilen ersichtlich". In diesem Vorgarten spielten täglich drei Kinder im Alter von vier bis neun Jahren. Die Plexiglasplatten dienten ihrer Sicherheit. Hätten die Beschwerdeführer gewußt, daß das Anbringen der Plexiglasplatten einer Genehmigung bedurft hätte, so hätten sie sicher um diese angesucht. Falls noch möglich, würden sie ein entsprechendes Ansuchen nachholen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge. Auszugehen sei davon, daß die Berufungswerber die Anbringung der verfahrensgegenständlichen Kunststoffplatten an der Innenseite des straßenseitigen Gitterzaunes nicht bestreiten. Unbestritten sei auch, daß diese Platten den freien Durchblick hinderten, zumal die Beschwerdeführer selbst zugeben, daß der Vorgarten nur mehr "mit Hinschauen zwischen den Zaunteilen" ersichtlich sei. Unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, nach dem die Anbringung einer Schilfmattenverkleidung an der Drahtgittereinfriedung im Bereich des Vorgartens einen Auftrag nach § 129 Abs. 10 BauO für Wien rechtfertige, könne nichts anderes für den freien Durchblick ebenfalls hindernde Kunststoffplatten gelten. Aus § 129 Abs. 10 leg. cit. ergebe sich bereits, daß die Beseitigung einer konsenslosen Bauführung eine öffentliche-rechtliche Verpflichtung des Eigentümers sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht darauf verletzt erachten, die an der Innenseite des straßenseitigen Gitterzaunes angebrachten Kunststoffplatten nicht entfernen zu müssen.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 10 erster Satz der Bauordnung für Wien (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976; BO) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Gemäß § 86 Abs. 3 BO dürfen Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche an den seitlichen Grundgrenzen auf die Tiefe des Vorgartens den freien Durchblick nicht hindern. Die Beschwerdeführer bestreiten erstmals in ihrer Beschwerdeschrift, daß überhaupt ein Vorgarten vorliege. Nun wurde schon im Schreiben der Baubehörde erster Instanz vom festgestellt, daß für die Liegenschaft im Wohngebiet die gärtnerische Gestaltung entlang der Baulinie festgesetzt ist, daß somit gemäß § 79 Abs. 1 BO ein Vorgarten vorliege. Bei der Verhandlung wurde nichts gegenteiliges behauptet, in ihrer Berufung gehen die Beschwerdeführer selbst davon aus, daß der Vorgarten nur mehr mit "Hinschauen zwischen den Zaunteilen ersichtlich" sei. Jedenfalls hat die Behörde festgestellt, daß die Anordnung der gärtnerischen Gestaltung entlang der Baulinie festgesetzt ist (§ 5 Abs. 4 lit. p BO). Dieser Feststellung sind die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nie entgegengetreten, sodaß die Behörden ohne weiteres von einem Vorgarten im Sinne des § 79 Abs. 1 BO ausgehen konnten. Mit der nunmehrigen Behauptung, es liege kein Vorgarten vor, verkennen die Beschwerdeführer das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde stützte die Bestätigung des Entfernungsauftrages auf § 86 Abs. 3 BO, die Baubehörde erster Instanz hatte möglicherweise auch § 86 Abs. 2 BO im Auge, wonach Einfriedungen so ausgestaltet werden müssen, daß sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen. Daß Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche an den seitlichen Grenzen auf die Tiefe des Vorgartens (damals: in der Regel) den freien Durchblick nicht hindern dürfen, wurde schon im § 88 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, gefordert. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1595/64, aus:
"Nach dieser Gesetzesstelle dürfen Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche und an den seitlichen Grenzen auf die Tiefe des Vorgartens in der Regel die freie Durchsicht nicht behindern. Die Zulassung von Einfriedungen ohne Unterbau und von lebenden Zäunen sowie Mauereinfriedungen mit Einzeldurchblicken unterliegt der fallweisen Genehmigung. Damit hat der Gesetzgeber bestimmt, wie derartige Einfriedungen auszuführen sind. Es ist daher jede Einfriedung, die in einer anderen, als der vorhin beschriebenen Weise ausgeführt wird, ein vorschriftwidriger Bau im Sinne des § 129 Abs. 10 der Bauordnung, weil sie gegen die Bestimmung der Bauordnung verstößt. Darauf, ob die Anbringung von Schilfrohrmatten an einer Drahtgittereinfriedung eine nach § 60 der Bauordnung für Wien bewilligungspflichtige Bauführung ist, kommt es nicht an, wenn nur feststeht, daß die geplante Maßnahme die Einfriedung zu einer solchen macht, die mit den Bestimmungen des § 88 Abs. 2 der Bauordnung in Widerspruch steht."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in letzter Zeit in zwei Erkenntnissen mit der Bestimmung des § 86 Abs. 3 BO auseinandergesetzt. Weil im Fall des Erkenntnisses vom , Zl. 93/05/0236, die Behörde den Entfernungsauftrag nicht auf eine Abweichung von der Bestimmung des § 86 Abs. 3 gestützt hatte, sondern allein darauf, daß die Änderung der baulichen Anlage gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO ohne Bewilligung erfolgte, mußte der Verwaltungsgerichtshof mit einer Aufhebung vorgehen, da nicht geklärt war, ob der Zaun an sich bewilligungspflichtig war. Im Falle des Erkenntnisses vom , Zl. 96/05/0184, wurde ausdrücklich festgestellt, daß die an der Einfriedung angebrachten Schilfrohrmatten den freien Durchblick hinderten und das Stadtbild beeinträchtigten. Es konnte daher unter Hinweis auf das zitierte Vorerkenntnis vom bestätigt werden, daß die Anbringung einer Schilfmattenverkleidung an der Einfriedung im Bereich des Vorgartens gegen § 86 Abs. 3 BO verstößt, welche Bestimmung dem öffentlichen Interesse dient, und daß die Baubehörde ermächtigt war, einen Auftrag zur Beseitigung der Verkleidung nach § 129 Abs. 10 BO zu erteilen.
Unerheblich ist daher auch im vorliegenden Fall, wie alt der vorhandene Bestand (Gebäude, aber auch Einfriedung) ist. Festgestellt wurde im Verwaltungsverfahren, daß die gegenständlichen Kunststoffplatten "in jüngster Zeit" angebracht wurden; dem widersprechen auch die Beschwerdeführer nicht. Entscheidend ist allein, daß durch das Anbringen der Kunststoffplatten die Einfriedung zu einer solchen gemacht wurde, die mit der Bestimmung des § 86 Abs. 3 BO in Widerspruch steht (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom ). Damit wurde ein vorschriftswidriger Bau geschaffen, dessen Beseitigung gemäß § 129 Abs. 10 BO anzuordnen war.
Die Beschwerde erwies sich somit zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Im Hinblick auf die zitierte Vorjudikatur konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.