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VwGH vom 18.03.2004, 2003/05/0013

VwGH vom 18.03.2004, 2003/05/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Gemeinde Gießhübl, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/Hauptstraße 35, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-02123/00+01, betreffend Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides (mitbeteiligte Partei: Wiener Bauträger Wohnungseigentumsgesellschaft mbH in 1020 Wien, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde über Antrag der damaligen Eigentümer des Grundstückes Nr. 10 der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch 16108 Gießhübl, vom nach dem Teilungsplan des Zivilingenieurs für Vermessungswesen Dipl. Ing. Helmut M. gemäß § 10 NÖ Bauordnung 1976 die Teilung dieses Grundstückes in die Grundstücke Nr. 10/1, 10/2, 10/3 und 10/4 bewilligt. Gleichzeitig wurde gemäß § 13 NÖ Bauordnung 1976 angeordnet, das Grundstück Nr. 10/3 an die beschwerdeführende Gemeinde ohne Kostenersatz und frei von in Geld ablösbaren Lasten abzutreten, das Grundstück ins Niveau zu bringen und geräumt zu übergeben. Dieser Bescheid enthält die Rechtskraftbestätigung der Baubehörde vom . Die Verbücherung des genannten Teilungsplanes erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom , TZ 7669/01.

Die so neu geschaffenen Grundstücke sind derart angeordnet, dass der Bauplatz 1, d. i. das neu geschaffene Grundstück Nr. 10/2, unmittelbar an die öffentliche Verkehrsfläche Hauptstraße, Grundstück Nr. 421/1, grenzt. Im Norden schließt an Bauplatz 1 das als Verkehrsfläche bezeichnete Grundstück Nr. 10/3. Daran grenzt an der Nordseite das Grundstück Nr. 10/4, bezeichnet als Bauplatz 2. Die beiden Bauplätze liegen im Bauland Wohngebiet; der nördliche Teil des Bauplatzes 2 liegt jedoch im Grünland. Die öffentliche Verkehrsfläche Grundstück Nr. 10/3 ist nach einer im Verwaltungsakt erliegenden Plankopie des Bebauungsplanes zwar als Teil der "Anton Jahn Gasse" mit einem West-Ost-Verlauf gekennzeichnet, jedoch in der Natur noch nicht errichtet. (Das Grundstück Nr. 10/1 bildet eine Restfläche).

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde den damaligen Eigentümern der betroffenen Grundstücke auf Grund ihres Ansuchens vom gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 100 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von 24 Wohneinheiten in fünf Baukörpern und einer Tiefgarage mit 60 Stellplätzen, davon 58 in Parkliften, auf den Grundstücken Nr. 10/2 und 10/4 inneliegend der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch 16108 Gießhübl, erteilt. Dieser Baubewilligungsbescheid enthält die Rechtskraftbestätigung der Baubehörde vom . Nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Lageplan sollen vier Baukörper auf dem Grundstück Nr. 10/2 und ein Baukörper auf dem Grundstück Nr. 10/4 errichtet werden.

Auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom , TZ 2472/02, wurde für die Grundstücke Nr. 10/2, 10/3 und 10/4 das Eigentum der mitbeteiligten Partei vorgemerkt, auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom , TZ 1942/03, wurde die mitbeteiligte Partei im Grundbuch als Eigentümerin dieser Grundstücke eingetragen.

Seit dem Jahre 2003 ist die Beschwerdeführerin als Verwalterin des Öffentlichen Gutes Eigentümerin des Grundstückes Nr. 10/3, derzeit inneliegend der Liegenschaft 1000, Grundbuch 16108 Gießhübl.

Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Partei als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde vom wurde in Ausübung des Aufsichtsrechts gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG der Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Partei vom , mit welchem die erwähnte baubehördliche Bewilligung erteilt worden ist, "gemäß § 118 Abs. 4 NÖ Bauordnung 1976 iVm § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 iVm § 77 NÖ Bauordnung 1996 iVm § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG für nichtig erklärt und aufgehoben". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf Grund des Grundabteilungs- und Abtretungsbescheides der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Partei vom , in dem die Abtretung des Grundstückes Nr. 10/3 an die beschwerdeführende Gemeinde angeordnet worden sei, für das Grundstück Nr. 10/4 gemäß § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 solange ein Bauverbot bestehe, als die der Aufschließung dienende Verkehrsfläche (Grundstück Nr. 10/3) den Verkehrserfordernissen nicht entspreche oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung stehe. Das Grundstück Nr. 10/3 stehe mit dem Straßennetz nicht in Verbindung. Bescheide, die u. a. dem § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 nicht entsprechen, würden gemäß § 118 Abs. 4 NÖ Bauordnung 1976 unter einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leiden. Gemäß § 77 NÖ Bauordnung 1996 seien die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Ein Servitutsrecht zur Benützung stehe nicht zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die ursprünglichen Eigentümer der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch 16108 Gießhübl, welche Adressaten des baubehördlichen Bewilligungsbescheides vom waren, und die mitbeteiligte Partei Vorstellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der mitbeteiligten Partei mangels Parteistellung zurückgewiesen. Der Vorstellung der Voreigentümer der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch Gießhübl, wurde jedoch Folge gegeben, der bekämpfte Gemeinderatsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei verwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Partei sei lediglich im Grundbuch vorgemerkt, daher noch nicht grundbücherliche Eigentümerin. Sie habe kein dingliches Recht an den gegenständlichen Liegenschaften. Ihr sei auch nicht die nunmehr für nichtig erklärte Baubewilligung erteilt worden. Die bloße Zustellung eines Bescheides begründe keine Parteistellung. Gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 habe die Aufsichtsbehörde den mit einer Vorstellung angefochtenen Bescheid einer Gemeinde dahin gehend zu prüfen, ob durch diese Entscheidung in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches Rechte der Vorstellungswerber verletzt worden seien. Gemäß § 77 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 seien die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Gemäß § 23 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1996 litten Bescheide, die entgegen den Bestimmungen des Abs. 1 zweiter Satz erlassen werden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Aufhebung des Baubewilligungsbescheides sei jedoch ab dem Baubeginn nicht mehr zulässig. Bei der Bewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes dürfe sie bis spätestens vier Wochen nach Baubeginn erfolgen. Gemäß § 23 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 1996 sei eine Baubewilligung zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 angeführten Bestimmungen bestehe. Gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. habe die Baubehörde bei Anträgen nach § 14 u.a. vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 entgegen stehe. Ein Baubewilligungsverfahren sei von einem Nichtigerklärungsverfahren gemäß § 68 Abs. 4 AVG zu unterscheiden. Das gegenständliche Nichtigerklärungsverfahren sei daher erst seit dessen tatsächlicher Einleitung - das sei nach Erlassung der Baubewilligung am - und nicht bereits seit dem Ansuchen um Baubewilligung anhängig. Das Nichtigerklärungsverfahren sei somit erst nach dem eingeleitet worden und gelte für dieses die NÖ Bauordnung 1996, in der es keine mit § 20 der NÖ Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung gebe. Da der Baubewilligungsbescheid nicht an einem durch die gesetzliche Vorschriften ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide, sei daher die gegenständliche Baubewilligung zu Unrecht aufgehoben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bekämpft die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, in der NÖ Bauordnung 1996 existiere keine mit § 20 NÖ Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung; die Regelungen der beiden Bauordnungen seien vielmehr inhaltsgleich. Berufe sich ein Bescheid im Spruch ausdrücklich auf eine infolge vor dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung abgeänderte, nun nicht mehr nach der alten Rechtslage anzuwendende Vorschrift, so sei er nur dann inhaltlich rechtswidrig, wenn sich nicht eine inhaltsgleiche Regelung auch nach Änderung des Gesetzes an anderer Stelle finde. Nach § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 bestehe im Bauland ein Bauverbot, solange die der Aufschließung eines Bauplatzes dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspreche oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung stehe. Gemäß § 118 Abs. 4 leg. cit. litten Bescheide, die entgegen den Bestimmungen des § 20 erlassen wurden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Aufhebung sei jedoch nur bis zum Baubeginn möglich. Zutreffend habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1996 angeführt. Demnach litten gemäß § 23 Abs. 8 dieses Gesetzes Bescheide, die entgegen den Bestimmungen des Abs. 1 zweiter Satz erlassen wurden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Das sei nach § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 u. a. bei einem Bauverbot nach § 11 Abs. 5 Z. 5 oder - insoweit sogar für Baubewilligungswerber nachteiliger - wenn eine Bestimmung dieses Gesetzes entgegen stehe (§ 20 Abs. 1 Z. 6 NÖ Bauordnung 1996) der Fall. Nach § 11 Abs. 5 NÖ Bauordnung 1996 gelte ein Bauverbot auf einem Bauplatz, der an eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenze, solange diese Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspräche. Das träfe hier zu, weil das Grundstück Nr. 10/3, die im Flächenwidmungsplan vorgesehene Anton Jahn Gasse, noch immer eine Wiese sei. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, in der NÖ Bauordnung 1996 gebe es keine mit § 20 NÖ Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung, sei somit unrichtig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei beantragte ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Äußerung zu den Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Gemeinde erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung, in der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 gäbe es keine dem § 20 Niederösterreichische Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung. Nur auf Grund dieser verfehlten Rechtsansicht habe die belangte Behörde zur Auffassung gelangen können, der hier gegenständliche Baubewilligungsbescheid leide an einem durch die gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

Folgende Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ Bauordnung 1996) sind im Beschwerdefall von Bedeutung:

"§ 11

Bauplatz, Bauverbot

(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das

...

4. am bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.

...

(5) Auf einem Bauplatz nach Abs. 1, der an eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzt, gilt ein Bauverbot, solange diese Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht. Kein Bauverbot besteht, wenn der Bauplatz mit einem Fahr- und Leitungsrecht nach Abs. 2 Z. 1 lit.c oder durch eine im Eigentum des Bauplatzeigentümers stehende private Verkehrsfläche mit einer anderen öffentlichen Verkehrsfläche, die den Verkehrserfordernissen entspricht, verbunden ist.

..."

Die vergleichbaren Bestimmungen der Niederösterreichischen

Bauordnung 1976 (NÖ Bauordnung 1976) lauten:

§ 2

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:

...

7. Bauplatz: ein Grundstück im Bauland, das

...

c) am mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude bebaut ist;

...

§ 20

Bauverbote

(1) Im Bauland besteht ein Bauverbot, solange die der Aufschließung eines Bauplatzes dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung steht.

..."

Aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Auszug des hier maßgeblichen Katasterplanes ist ersichtlich, dass das Grundstück Nr. 10, KG Gießhübl, vor seiner Teilung bereits bebaut war. Unstrittig gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass die mit der Teilung neu geschaffenen Grundstücke 10/2 und 10/4, KG Gießhübl, Bauplätze im Sinne des § 2 Z. 7 NÖ Bauordnung 1976 waren und nunmehr im Sinne des § 11 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 sind. Auch der rechtskräftige Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom , womit die Teilung des Grundstückes Nr. 10 gemäß § 10 NÖ Bauordnung 1976 genehmigt worden ist, geht von der Bauplatzeigenschaft der genannten neu geschaffenen Grundstücke aus. Für den Verwaltungsgerichtshof gibt es keinen Anhaltspunkt, die Bauplatzeigenschaft dieser Grundstücke in Frage zu stellen.

Sowohl § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 als auch § 11 Abs. 5 NÖ Bauordnung 1996 sehen für Bauplätze ein Bauverbot vor, solange die ihrer Aufschließung dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht bzw. sie mit dem Straßennetz - etwa durch ein Fahr- und Leitungsrecht - nicht in Verbindung stehen.

Es entspricht daher nicht der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung, es gäbe in der NÖ Bauordnung 1996 "keine mit § 20 der NÖ Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung".

Die belangte Behörde wird bei Erledigung der Vorstellung der mitbeteiligten Partei (als Rechtsnachfolgerin der Vorstellungswerber) zu beachten haben:

Gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

Mit dieser Vorschrift trifft das AVG keine eigene Regelung von Nichtigkeitsgründen, sondern überlässt dies den einzelnen Verwaltungsvorschriften (vgl. hiezu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Aufl., Rz 668, S. 299, und Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) Anm. 32 zu § 68 AVG, S. 1400). Für die Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG ist demnach erforderlich, dass der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Für eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG auf andere Fälle fehlt die gesetzliche Grundlage (vgl. Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, 1. Halbband, 8. Aufl., S. 980 und die in Walter/Thienel, a.a.O., unter E 365 zu § 68 AVG, S. 1462 f zitierte hg. Judikatur). § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG bedarf daher um wirksam zu werden einer Ergänzung durch die Verwaltungsvorschriften, d.h. des Vorhandenseins von besonderen Nichtigkeitsbestimmungen in den die einzelnen Sachgebiete regelnden, in Geltung stehenden und auf den zu beurteilenden Sachverhalt anzuwendenden Verwaltungsgesetzen.

Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde hat mit seinem Bescheid vom die Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides der Baubehörde erster Instanz vom auf § 118 Abs. 4 NÖ Bauordnung 1976 iVm § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 und § 77 NÖ Bauordnung 1996 gestützt. Gemäß § 77 Abs. 1 der am in Kraft getretenen NÖ Bauordnung 1996 waren die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Die Baubehörde erster Instanz hat daher auf Grund dieser Übergangsbestimmung den in der Folge für nichtig erklärten Baubewilligungsbescheid vom - zutreffend - auf "§ 92 Abs. 1 Z. 1 iVm § 100 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200 in der derzeit geltenden Fassung" gestützt.

Mit Erlassung dieses Baubewilligungsbescheides war das Baubewilligungsverfahren aber beendet.

§ 78 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 ordnet ausdrücklich an, dass mit Inkrafttreten dieses Gesetzes die NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14, außer Kraft tritt.

Mangels einer diesbezüglichen Übergangsregelung der NÖ Bauordnung 1996 ist daher für neu einzuleitende, in deren Geltungsbereich fallende Verfahren (siehe § 1 NÖ Bauordnung 1996) dieses Gesetz anzuwenden. Die NÖ Bauordnung 1976 findet für neu einzuleitende Verfahren auf Grund der Außerkrafttretensregelung des § 78 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 keine Anwendung mehr.

Bezüglich des - unstrittig - nach Inkrafttreten der NÖ Bauordnung 1996 eingeleiteten Verfahrens des Gemeinderates der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides der Baubehörde erster Instanz vom im Grunde des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach dieser Gesetzesstelle ein Bescheid dann für nichtig erklärt werden darf, wenn sich die Unterbehörde bei Anwendung jener Gesetzesbestimmungen, deren Nichtbeachtung mit Nichtigkeitssanktion bedroht ist, über die gesetzlichen Voraussetzungen hinweggesetzt hat (vgl. die unter E 368 zu § 68 AVG in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1463 abgedruckte hg. Judikatur). Die Frage, ob ein Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG leidet, ist daher nach jener Rechtslage zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des für nichtig zu erklärenden Bescheides gegolten hat, es sei denn, dass sich aus der in der Folge geänderten Rechtslage ergibt, dass der Gesetzgeber die in Rede stehende Rechtswidrigkeit nun nicht mehr mit Nichtigkeitssanktion bedroht wissen will.

Da, wie oben dargestellt, auch die Niederösterreichische Bauordnung 1996 den vom Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde herangezogenen Nichtigkeitsgrund kennt, ist dessen Bescheid vom nicht rechtswidrig.

Da die belangte Behörde dies verkannte, leidet der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am