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VwGH vom 13.06.2005, 2003/04/0175

VwGH vom 13.06.2005, 2003/04/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des BH in L, vertreten durch Simma Rechtsanwälte Partnerschaft in 6850 Dornbirn, Marktplatz 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0390/03/E9, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. X-9- 2002/02119, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Sie haben es in ihrer Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer der R. Versand GmbH, S., zu verantworten, dass am im Katalog 'Winter 2001' auf der Seite 169 ein so genannter 'Verteidigungsspray auf CS Basis' an einen größeren Kreis von Personen angeboten wurde, obwohl die R. Versand GmbH kein hiefür erforderliches Waffengewerbe besessen hat. Derartige Reizstoff- bzw. Tränengassprays fallen gemäß § 1 Waffengesetz unter den Waffenbegriff. Der Katalog 'Winter 2001' wurde von L. aus an die Kunden der R. Versand GmbH versendet, der 'Verteidigungsspray auf CS Basis' konnte bei der R. Versand GmbH in der Betriebsstätte in L. bestellt werden."

Die Übertretungsnorm habe zu lauten:

"§ 127 Gewerbeordnung 1994 idF BGBl I Nr 63/1997 iVm 178 Abs 1 Z b Gewerbeordnung 1994 idF BGBl Nr. 194/1994 iVm § 1 Abs 4 und § 366 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 idgF."

Die Strafnorm habe zu lauten:

"§ 366 Abs 1 (Einleitungssatz) Gewerbeordnung 1994."

Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus: Die R. Versand GmbH habe am im Katalog Winter 2001 auf Seite 169 einen "Verteidigungsspray auf CS Basis" einem größeren Kreis von Personen durch Versendung dieses Kataloges an Privatkunden angeboten. Die Auswahl und Zusammenstellung der Artikel in diesem Katalog sei in Deutschland erfolgt, die Versendung dieses Kataloges an die Kunden der R. Versand GmbH in Österreich sei vom (näher genannten) Standort der R. Versand GmbH in Österreich erfolgt. Die entsprechenden Bestellungen der österreichischen Kunden seien in der österreichischen Betriebsstätte eingelangt und von dort (abgesehen von den Bestellungen in der Modebranche) an eine Zentrale in Deutschland weitergeleitet worden. Der gegenständliche Verteidigungsspray sei vom deutschen Bundeskriminalamt für den waffenscheinfreien Verkauf zugelassen. Im Jänner 2002 habe die R. Versand GmbH den Verkauf bzw. Versand dieser Sprays eingestellt und die (wenigen) bestellten Artikel in einer Rückholaktion wieder eingezogen. Die R. Versand GmbH verfüge über keinen Gewerbeschein zur Ausübung des Waffengewerbes. Gewerberechtlicher Geschäftsführer der Versand GmbH sei der Beschwerdeführer.

Nach Darstellung der europarechtlichen und der nationalen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, im Beschwerdefall sei davon auszugehen, dass Regelungen betreffend die Ausübung des Waffengewerbes im Interesse der öffentlichen Sicherheit lägen und somit Beschränkungen zulässig seien, weil sie den Handel mit zur Gewaltanwendung bestimmten Waren regelten. Dass der Handel mit nicht militärischen Waffen einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe bedürfe, sei geeignet, die Verwirklichung des damit verfolgten Zieles (der kontrollierten Erteilung der Berechtigung zum Handel mit der Gewaltanwendung dienenden Waren) zu gewährleisten. Da der Handel mit nicht militärischen Waffen nicht gänzlich verboten sei, sondern lediglich einer Gewerbeberechtigung bedürfe, sei die gegenständliche Regelung auch keineswegs unverhältnismäßig im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, sondern im Hinblick auf die damit verfolgten Ziele angemessen. Schutzzweck der übertretenen Norm sei es, den Handel mit Waffen - d.h. mit Waren, die zur Gewaltanwendung bestimmt seien - auf jene Personen zu beschränken, die die Voraussetzungen hiefür erfüllten. Die Einhaltung dieser Norm liege daher im Interesse der öffentlichen Sicherheit und diene dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen. Dagegen habe der Beschwerdeführer in nicht unerheblicher Weise zuwidergehandelt.

In weiterer Folge legte die Behörde die Strafzumessungsgründe dar und führte aus, weshalb weder ein Schuldausschließungsgrund vorliege noch von einem geringfügigen Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht ohne Vorliegen eines strafwürdigen Verhaltens wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß den §§ 127 iVm 178 Abs. 1 lit. b, 1 Abs. 4 und 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 unter Berücksichtigung der primärrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrages bestraft zu werden, verletzt. Er bringt im Wesentlichen vor, die angewendeten Bestimmungen seien zwar durch ihre Koppelung an eine gewerberechtliche Berechtigung zur Ausübung des Waffengewerbes zur Verwirklichung des vermeintlichen Zieles (nämlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen) geeignet, gingen in ihrem Umfang aber gänzlich über das Maß hinaus, welches zur Erreichung des verfolgten Ziels gerade noch zweckentsprechend sei.

Die Verwaltungsbestimmungen, gegen die der Beschwerdeführer scheinbar zuwider gehandelt haben könnte, seien diesem gänzlich unbekannt gewesen. Der Argumentation der belangten Behörde folgend hätte der Beschwerdeführer nicht nur über die umfangreichen Bestimmungen der zuletzt oft novellierten österreichischen Gewerbeordnung, sondern auch über Begriffsdefinitionen des Waffengesetzes, wenn nicht sogar über die einem Juristen kaum geläufigen Rechtsansichten des Bundesministeriums für Inneres bzw. des OGH aus waffenrechtlicher Sicht, Bescheid wissen müssen. Mit solchen "Spitzfindigkeiten" müsse ein gewöhnlicher österreichischer gewerblicher Geschäftsführer nicht vertraut sein, schon gar nicht, wenn er bisher in der BRD tätig gewesen sei und mit solchen Bestimmungen - "geleitet vom Geiste des gemeinsamen Binnenmarktes" - nicht habe rechnen müssen.

Die Folgen der fraglichen Übertretung seien im Übrigen unbedeutend und das Verschulden des Beschwerdeführers "gegen Null gehend", wodurch die verhängte Strafe ohnehin außer Verhältnis zur Schwere des vermeintlichen Verstoßes stehe. In der sofortigen Einstellung des Verkaufes bzw. Versands der strittigen Verteidigungssprays, gekoppelt mit einer äußerst rasch eingeleiteten Rückholaktion der zudem kaum bestellten Produkte sowie in der schriftlichen Versicherung, die R. Versand GmbH werde künftig von weiteren Angeboten solcher Art Abstand nehmen, zeige der Beschwerdeführer sein berücksichtigenswertes Engagement und Bemühen, die vermeintliche Verwaltungsübertretung ehestens rückgängig zu machen. Der genannte Katalog sei nach kurzem ohnehin ausgelaufen und nicht mehr in Verwendung gewesen, sodass eine eventuelle Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei; insofern seien die Voraussetzungen des § 21 VStG gegeben, wonach die belangte Behörde von der Verhängung einer Strafe habe absehen müssen.

Gemäß § 50 Abs. 2 GewO 1994 ist der Versandhandel mit (u.a.) Waffen an Letztverbraucher unzulässig.

Gemäß § 367 Z. 14 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- zu bestrafen ist, wer (u.a.) mit den im § 50 Abs. 2 genannten oder durch auf Grund des § 50 Abs. 3 erlassenen Verordnungen bezeichneten Waren entgegen diesen Bestimmungen den Versandhandel ausübt.

Gemäß § 178 Abs. 1 Z. 1 lit. b (seit : § 139 Abs. 1 Z. 1 lit. b) GewO 1994 bedarf es für den Handel mit nichtmilitärischen Waffen und nichtmilitärischer Munition einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,-- zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Die belangte Behörde ist auf Grund der oben dargestellten Umstände zur Auffassung gelangt, der Beschwerdeführer habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der R. Versand GmbH zu verantworten, dass in einem Katalog an Privatkunden ein Verteidigungsspray angeboten worden sei, ohne dass die R. Versand GmbH im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen sei.

Unter dem Begriff des Versandhandels im Sinne des § 50 Abs. 2 GewO 1994 ist eine Betriebsform des Einzelhandels zu verstehen, also eine Form des Verkaufens von Waren an Letztverbraucher, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die bestellten Waren den Käufern im Versandwege (meist Postversand) zugestellt werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/04/0190). Dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall vorliegen, ergibt sich - wie dargestellt - aus den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Dieser Sachverhalt ist jedoch § 367 Z. 14 iVm § 50 Abs. 2 GewO 1994 zu unterstellen, weil es - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht auf das Vorliegen einer waffenrechtlichen Gewerbeberechtigung ankommt, sondern der Versandhandel mit Waffen an Letztverbraucher jedenfalls unzulässig ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am