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VwGH vom 31.01.1995, 94/05/0227

VwGH vom 31.01.1995, 94/05/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-93200/00, betreffend Anrainereinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. G in P, 2. Gemeinde H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Vorschreibung mehrerer Auflagen die baubehördliche Bewilligung "zum Um- und Zubau eines Wohnhauses" auf dem Grundstück Nr. 94, EZ. 70 des Grundbuches über die Kat. Gem. H (H, X-Straße 10), erteilt. Der Beschwerdeführer hatte gegen dieses Bauvorhaben rechtzeitig mehrere Einwendungen erhoben.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom wurde die dagegen eingebrachte Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, das zu errichtende Bauvorhaben müsse auf Grund der gekuppelten Bebauungsweise an die Feuermauer seines Hauses angebaut werden, weshalb die Eternitverkleidung und der Lattenrost, welche sich auf dieser Feuermauer befinden, entfernt werden müssen. Das Vorhaben des mitbeteiligten Bauwerbers werde daher "diesbezüglich" auf Dauer auf dem Grundstück des Beschwerdeführers errichtet, weshalb seine Zustimmung als Grundeigentümer vorliegen müßte.

In Erwiderung auf dieses Vorbringen ist festzuhalten, daß das Bauvorhaben des mitbeteiligten Bauwerbers entsprechend dem mit dem baubehördlichen Genehmigungsvermerk versehenen Plan an keiner Stelle dessen Grundstücksgrenzen überschreitet und dem Bauwerber weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsbescheid die Bewilligung erteilt worden ist, im Zuge der Ausführung seines Vorhabens das Grundstück des Beschwerdeführers in Anspruch zu nehmen. Es wurde lediglich unter Punkt 5. der Auflagen des von der Berufungsbehörde bestätigten erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides ausgesprochen, daß, "sollte im Zuge des Bauvorhabens die Eternitverkleidung des Anrainerobjektes entfernt werden müssen, danach wieder ein ordnungsgemäßer Anschluß an den Zubau herzustellen" ist "und allenfalls beschädigte Bauteile des Nachbarobjektes wieder ordnungsgemäß instandzusetzen sind". Damit wurde also lediglich "ein ordnungsgemäßer Anschluß an den Zubau" sowie eine Instandsetzung von Bauteilen des Nachbargebäudes für den Fall angeordnet, daß sich im Zuge der Ausführung des bewilligten Vorhabens im Hinblick auf die vorgeschriebene gekuppelte Bebauungsweise die Notwendigkeit der Entfernung der Eternitverkleidung an der Feuermauer des Gebäudes des Beschwerdeführers ergeben sollte. Dem mitbeteiligten Bauwerber wurde daher mit dieser Auflage des Baubewilligungsbescheides insbesondere nicht das Recht eingeräumt, die Eternitverkleidung an der Feuermauer des Hauses des Beschwerdeführers gegen dessen Willen zu entfernen und solcherart in sein Eigentumsrecht einzugreifen, weshalb auch nicht schon während des Baubewilligungsverfahrens seine diesbezügliche Zustimmung als Grundeigentümer einzuholen war. Der in der Begründung des angefochtenen Bescheides gegebene Hinweis auf die Regelung des § 25 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 ("Die Eigentümer benachbarter Grundstücke haben das Betreten und die vorübergehende Benützung ihrer Grundstücke oder ihrer Bauwerke zur Herstellung der nach diesem Gesetz erforderlichen Pläne, zur Durchführung von Vorhaben, zu Instandhaltungsarbeiten oder zur Beseitigung von Baugebrechen zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können.") ist nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sich daraus die Berechtigung des Bauwerbers ableiten ließe, die in Rede stehende Eternitverkleidung ohne Zustimmung des Beschwerdeführers zu entfernen.

Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe "zu Unrecht die Einhaltung der Baufluchtlinien nicht gewährleistet", ist zu entgegnen, daß Baufluchtlinien im Sinne der Legaldefinition des § 2 Z. 3 leg. cit. als "die Abgrenzungen innerhalb eines Grundstückes, welche, unbeschadet der Bestimmungen des § 21 Abs. 8 und 11 sowie des § 23, bei einer Bebauung nicht überschritten werden dürfen", zufolge § 4 leg. cit. im Bebauungsplan festzulegen sind. Ein solcher ist aber für den Bereich der mitbeteiligten Gemeinde nicht wirksam, sondern es gilt nach der Aktenlage lediglich eine vom Gemeinderat am beschlossene "Verbauungsvorschrift", aus welcher jedoch für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen ist. Außerdem ist daran zu erinnern, daß der Nachbar nach der NÖ Bauordnung nur ein Recht darauf besitzt, daß die gegenüber seinen Grundflächen einzuhaltenden Abstände eingehalten werden (vgl. das bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, auf S. 152 zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0001).

Zu dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Lärm- und Abgasbelästigungen durch die zur Garage des Mitbeteiligten zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht keine im Sinne des § 42 AVG rechtzeitigen Einwendungen erhoben hat, weshalb er diesbezüglich als präkludiert anzusehen und auf die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Erwägungen nicht einzugehen ist.

In dem von der Berufungsbehörde bestätigten erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid wurden u.a. folgende Auflagen vorgeschrieben:

"3) Sämtliche Arbeiten sind unter Sicherung der angrenzenden Altbestände durchzuführen. Nötigenfalls sind Anrainerobjekte zu unterfangen und die Aushubarbeiten händisch und abschnittsweise durchzuführen.

4) Zwischen den Feuermauern des Zubaues und des Anrainerobjektes sind, beginnend von der Fundamentunterkante, geeignete Trennschichten mit hochzuziehen, um keinen Mauerverbund herzustellen und vor allem, um jegliche Körperschallübertragung wirksam zu verhindern."

Diese Auflagen hat die belangte Behörde im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens zum Gegenstand einer Anfrage an einen bautechnischen Amtssachverständigen gemacht, welcher in seiner Stellungnahme vom abschließend zum Ausdruck gebracht hat, "daß bei sach- und fachgerechter Ausführung unter Beachtung der Auflagen 3) und 4) ... Schäden am Gebäude" des Beschwerdeführers "nicht zu erwarten sind. Diese Bauführung entspricht der derzeit üblichen Praxis und kann somit als dem heutigen Stand der Technik entsprechend angesehen werden". Unter Zugrundelegung dieser Auffassung des Sachverständigen, welcher der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, sind daher seine Befürchtungen ("das seitliche Abrutschen meiner Mauerteile, insbesondere der nicht unterkellerten Teile, in die Baugrube") unbegründet, weshalb auch seine Forderung, "unter den gegebenen Umständen hätte ... die belangte Behörde die Baubewilligung versagen müssen", einer sachlichen Grundlage entbehrt. Daß "im Raum Wien die Vornahme der Bauarbeiten durch Pilotierung vor Grundaushub gang und gäbe ist", vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Im übrigen ist das Verlangen des Beschwerdeführers nach Versagung der Baubewilligung auch rechtlich unbeachtlich, weil die Art der Sicherung der Baugrube und damit auch die Verhinderung von Schäden an Nachbargebäuden, eine Frage der Ausführung, aber nicht eine solche der Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens ist (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0105).

Unter Bezugnahme auf den in der erwähnten Stellungnahme vom gemachten Vorschlag des bautechnischen Amtssachverständigen, "vor Beginn der Bauarbeiten" am Objekt des Beschwerdeführers "eine dokumentierte Beweissicherung durchzuführen", meint der Beschwerdeführer, wenn ohnedies keine Gefährdung seines Bauwerkes gegeben sei, sei diese Anmerkung des Sachverständigen "nicht nötig oder aber widersprüchlich", weshalb er beantragt habe, den Sachverständigen zu befragen, ob die "von der Erstbehörde vorgeschlagene Bauweise keine Gefährdung von Personen und Sachen" im Gebäude des Beschwerdeführers darstellen könne. Es stelle einen groben Verfahrensmangel dar, daß die belangte Behörde den Sachverständigen nicht mit dieser Frage befaßt habe.

Nach Ansicht des Gerichtshofes liegt in dieser Unterlassung kein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlicher, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel, weil die vom Sachverständigen vorgeschlagene Beweissicherung am Objekt des Beschwerdeführers nicht als Ausdruck einer im Zuge der Verwirklichung des bewilligten Bauvorhabens zu erwartenden Gefahr für den Bestand des Gebäudes des Beschwerdeführers, sondern vielmehr so zu verstehen ist, daß eine Beweisführung erleichtert wird, falls während der Bauausführung oder nach Fertigstellung des Baues eine Entscheidung darüber getroffen werden muß, ob allenfalls festgestellte Baumängel am Gebäude des Beschwerdeführers bereits bestanden haben oder erst infolge der Ausführung des bewilligten Vorhabens entstanden sind. Für die belangte Behörde bestand daher keine Veranlassung, den bautechnischen Sachverständigen ergänzend mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage zu befassen, zumal ohnedies bereits in dem schon wiedergegebenen Punkt 3) der Auflagen des Bewilligungsbescheides vorgeschrieben worden ist, daß "sämtliche Arbeiten unter Sicherung der angrenzenden Altbestände durchzuführen" und "nötigenfalls Anrainerobjekte zu unterfangen und die Aushubarbeiten händisch und abschnittsweise durchzuführen sind".

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der Vorstellung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde zu Recht keine Folge gegeben worden ist, weshalb die sohin unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.