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VwGH vom 25.02.2004, 2003/04/0148

VwGH vom 25.02.2004, 2003/04/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Dr. J Buchprüfungs- und SteuerberatungsgesmbH in S, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. WST1-B-0346, betreffend Untersagung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeit in einer Zweigstelle, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom abgewiesen und den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass sein Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder untersagt der Dr. J Buchprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, S, B-Straße 1, die Ausübung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeiten in der Zweigstelle H an der Donau, Wstraße 19/6."

Dieser Bescheid gründe sich auf § 85 Abs. 2 und Abs. 5 iVm § 12 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz - WTBG, BGBl. I Nr. 58/1999.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin Berufsberechtigte im Sinn des WTBG sei und seit eine Zweigstelle in H betreibe. Seit diesem Zeitpunkt sei die Leitung der Zweigstelle an Frau H. übertragen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei Frau H. die durch öffentliche Bestellung erteilte Berechtigung zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes "Steuerberater" rechtskräftig widerrufen worden. H. sei somit nicht mehr berufsberechtigt im Sinn des WTBG. Gemäß § 85 Abs. 2 WTBG sei die Leitung einer Zweigstelle an eine Person mit erfolgreich abgelegter Fachprüfung, die ihren Berufssitz in jenem Bundesland habe, in dem sich die Zweigstelle befinde, zu übertragen. Aus § 12 WTBG ergebe sich, dass nur Berufsberechtigte einen Berufssitz führen könnten. Da H. nicht mehr berufsberechtigt sei, könne sie auch keinen Berufssitz mehr haben und komme daher als Zweigstellenleiterin nicht mehr in Betracht.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Leitung einer Zweigstelle - anders als nach der nicht mehr in Kraft stehenden Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung - nicht mehr einem berufsberechtigten Wirtschaftstreuhänder übertragen werden müsse, sei auszuführen, dass eine solche Gesetzesänderung in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht festgehalten werde, was aber bei einer derart gravierenden Änderung zu erwarten wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Ausübung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeit in der Zweigstelle H verletzt. Sie führt dazu - soweit hier wesentlich - aus, dass nach dem WTBG bereits vor der öffentlichen Bestellung alle Voraussetzungen für die Berufsberechtigung - somit auch das Vorliegen eines "Berufssitzes" - nachzuweisen seien. Daraus ergebe sich, dass auch (noch) nicht Berufsberechtigte einen Berufssitz haben könnten. Diese Frage müsse vorliegend jedoch nicht geklärt werden, weil die Ansicht der belangten Behörde, wonach alle in § 85 Abs. 2 WTBG genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssten, unrichtig sei. Aus den Erläuterungen zu § 12 WTBG ergebe sich, dass Personen, die einen Wirtschaftstreuhandberuf ausschließlich unselbständig ausübten, keinen Berufssitz benötigten. Die Gesetzesauslegung durch die belangte Behörde müsste daher dazu führen, dass ein Zweigstellenleiter nicht ausschließlich in einem Anstellungsverhältnis zu einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft stehen dürfe, weil er sonst keinen Berufssitz habe. Dies sei keinesfalls Intention des Gesetzgebers und widerspreche auch der tatsächlich geübten Praxis. Voraussetzung für die Eignung zum Zweigstellenleiter sei somit nur die erfolgreich abgelegte Fachprüfung und die hauptberufliche Tätigkeit und Beschäftigung durch den Inhaber der Zweigstelle, all dies unter Ausschluss jeder wirtschaftstreuhänderischen Tätigkeit auf eigene Rechnung.

Die vorliegend maßgeblichen Gesetzesstellen haben folgenden Inhalt:

Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999:

"§ 7. ...

(2) Eine natürliche Person ist berufsberechtigt und somit zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt, nachdem sie durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder öffentlich bestellt wurde.

...

§ 8. (1) Allgemeine Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung sind:

1. Die volle Handlungsfähigkeit,


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2.
die besondere Vertrauenswürdigkeit,
3.
geordnete wirtschaftliche Verhältnisse,
4.
eine aufrechte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und
5.
ein Berufssitz.
...

(3) wenn der Berufsberechtigte vor der öffentlichen Bestellung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder schriftlich erklärt, dass er ausschließlich unselbständig tätig sein wird, so ist er während dieser Zeit von der Aufrechterhaltung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung befreit.

§ 12. (1) Berufsberechtigte sind verpflichtet, einen in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat gelegenen Berufssitz zu haben.

(2) Unter einem Berufssitz ist eine feste Einrichtung zu verstehen, welche durch ihre personelle, sachliche und funktionelle Ausstattung die Erfüllung der an einen Berufsberechtigten gestellten fachlichen Anforderungen gewährleistet.

(3) Berufsberechtigte dürfen in Österreich nur einen Berufssitz haben.

§ 85. (1) Berufsberechtigte sind berechtigt, ihren Beruf von ihrem Berufssitz aus im gesamten Bundesgebiet auszuüben.

(2) Berufsberechtigte sind berechtigt, Zweigstellen zu errichten. Voraussetzung für die Errichtung einer Zweigstelle ist die Übertragung der Leitung der Zweigstelle an eine Person mit erfolgreich abgelegter Fachprüfung, die ihren Berufssitz in jenem Bundesland hat, in dem sich die Zweigstelle befindet, in dieser hauptberuflich und unter Ausschluss jeder wirtschaftstreuhänderischen Tätigkeit auf eigene Rechnung vom Inhaber der Zweigstelle beschäftigt wird und jene Fachprüfung besitzt, die für die in der Zweigstelle ausgeübten wirtschaftstreuhänderischen Tätigkeiten erforderlich ist.

...

(5) Die Ausübung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeiten in einer Zweigstelle ist von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit Bescheid zu untersagen, wenn die Voraussetzung gemäß Abs. 2 weggefallen ist.

...

§ 104. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat eine durch öffentliche Bestellung erteilte Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes zu widerrufen, wenn

1. eine der allgemeinen Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung nicht mehr gegeben ist oder

..."

Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WT-BO), BGBl. Nr. 125/1955 (mit Inkrafttreten des WTBG am außer Kraft getreten):

"§ 36. (1) Jeder Wirtschaftstreuhänder ist befugt, seinen Beruf ohne örtliche Beschränkung im ganzen Bundesgebiet auszuüben. Anlässlich der Anmeldung seiner Berufsausübung hat er der Kammer der Wirtschaftstreuhänder den Berufssitz anzugeben, von dem aus er seinen Beruf auszuüben beabsichtigt.

...

(3) Die Errichtung von Zweigstellen ist nur mit Bewilligung des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zulässig. Der Vorstand hat diese Bewilligung zu erteilen, wenn

a) der Wirtschaftstreuhänder nachweist, dass er im näheren Umkreis der beabsichtigten Zweigstelle eine Klientel hat, deren Betreuung nur von dieser aus ordnungsgemäß sicher gestellt werden kann und

b) die Leitung der Zweigstelle einem Wirtschaftstreuhänder übertragen ist, der seinen Berufssitz am Orte der Zweigstelle hat und in dieser hauptberuflich (unter Ausschluss jeder wirtschaftstreuhänderischen Tätigkeit für eigene Rechnung) beschäftigt ist.

..."

Unstrittig wurde die Berechtigung der Leiterin der von der Beschwerdeführerin in H betriebenen Zweigstelle zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes "Steuerberater" rechtskräftig widerrufen. Aus diesem Grund hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführerin die Ausübung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeiten in dieser Zweigstelle gemäß § 85 Abs. 5 WTBG untersagt.

Vorliegend ist daher die Frage zu beantworten, ob es eine Voraussetzung für den Betrieb einer Zweigstelle darstellt, dass der Zweigstellenleiter zur selbständigen Ausübung des unternehmensgegenständlichen Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt ("berufsberechtigt" gemäß § 7 Abs. 2 WTBG) ist.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, nur Berufsberechtigte könnten einen Berufssitz im Sinn des WTBG haben, teilt. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich schon aus der Definition des § 12 Abs. 2 WTBG, wonach unter einem Berufssitz eine feste Einrichtung zu verstehen ist, welche durch ihre personelle, sachliche und funktionelle Ausstattung die Erfüllung der an einen Berufsberechtigten gestellten fachlichen Anforderungen gewährleistet.

Gemäß § 85 Abs. 2 WTBG ist die Leitung der Zweigstelle an eine Person mit erfolgreich abgelegter Fachprüfung, die ihren Berufssitz in jenem Bundesland hat, in dem sich die Zweigstelle befindet, zu übertragen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung muss der Zweigstellenleiter somit über einen Berufssitz verfügen. Da aber nur Berufsberechtigte über einen Berufssitz verfügen können, bedeutet dies, dass nur Berufsberechtigte als Zweigstellenleiter bestellt werden können.

Aus dem Umstand, dass in der WT-BO ausdrücklich die Verpflichtung normiert war, die Leitung der Zweigstelle einem "Wirtschaftstreuhänder" - also nach der Terminologie des WTBG einem Berufsberechtigten - zu übertragen, während nach dem WTBG "eine Person mit erfolgreich abgelegter Fachprüfung" zum Zweigstellenleiter zu bestellen ist, kann somit nicht geschlossen werden, dass nun auch nicht berufsberechtigte Personen mit der Leitung einer Zweigstelle betraut werden dürfen. Eine derartige Sichtweise hätte überdies u.a. zur Folge, dass die mit der verantwortungsvollen und selbständige Entscheidungen erfordernden Tätigkeit der Leitung einer - auch weit entfernt gelegenen - Zweigstelle betraute Person die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 WTBG (also etwa die besondere Vertrauenswürdigkeit und geordnete wirtschaftliche Verhältnisse) nicht erfüllen müsste.

Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass bei der hier vertretenen Sichtweise ein Zweigstellenleiter nicht ausschließlich in einem Anstellungsverhältnis stehen dürfte, weil er dann nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum WTBG keinen Berufssitz hätte, ist Folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 5 WTBG stellt das Vorliegen eines Berufssitzes eine Voraussetzung für die öffentliche Bestellung und damit für die Berufsberechtigung dar. Bei Wegfall dieser Voraussetzung ist die öffentliche Bestellung gemäß § 104 Abs. 1 Z. 1 WTBG zu widerrufen. Dass ein Berufsberechtigter auch ausschließlich unselbständig tätig sein kann, ergibt sich aus § 8 Abs. 3 WTBG, wonach Berufsberechtigte, die vor der öffentlichen Bestellung der Kammer schriftlich erklären, dass sie ausschließlich unselbständig tätig sein werden, während dieser Zeit von der Aufrechterhaltung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung befreit sind. Von der Verpflichtung, einen Berufssitz zu haben, sind solche Berufsberechtigte hingegen nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgenommen. Auch aus der Definition des Berufssitzes in § 12 Abs. 2 WTBG kann nicht abgeleitet werden, dass ein Berufssitz nur der selbständigen Berufsausübung durch einen Berufsberechtigten dienen kann.

Die Aussage in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1273 BlgNR, XX. GP, S. 70 zu § 12 WTBG, wonach jene Personen, die einen Wirtschaftstreuhandberuf unselbständig ausüben, keinen Berufssitz benötigen, findet daher im Gesetzeswortlaut keine Deckung.

Aus diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, die Leiterin der Zweigstelle der Beschwerdeführerin erfülle die in § 85 Abs. 2 WTBG normierten Voraussetzungen nicht, weil sie nicht (mehr) zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am