VwGH vom 20.06.1995, 94/05/0212
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der C Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der OÖ LReg vom , Zl. BauR - 011105/3 - 1993 Gr/En, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung und Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages in einer Bauangelegenheit, (mP: Gemeinde W, vertr durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom wurde unter Spruchpunkt I. die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom als verspätet zurückgewiesen und unter Spruchpunkt II. der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom sei der Beschwerdeführerin unter Vorschreibung diverser Auflagen sowie von Verfahrenskosten die Benützungsbewilligung für die auf mehreren Grundstücken in der KG W errichteten Terrassenhäuser erteilt worden. Einer dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben worden. Dieser Bescheid sei der Beschwerdeführerin am zugestellt worden, welche - trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung im bekämpften Berufungsbescheid - die dagegen erhobene Vorstellung direkt bei der belangten Behörde eingebracht habe. Die am letzten Tag der Rechtsmittelfrist () bei der Aufsichtsbehörde eingelangte Vorstellung sei von dieser an die Gemeinde W weitergeleitet worden, wo sie am eingelangt sei. Im Zuge des Vorstellungsverfahrens habe die belangte Behörde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß ihr Vorstellungsschriftsatz zufolge Einbringung bei der unrichtigen Einbringungsstelle und der daraufhin erforderlich gewordenen amtswegigen Weiterleitung des Rechtsmittels an die zuständige Gemeinde als verspätet eingebracht zu werten sei. Die Beschwerdeführerin habe hierauf mit Schreiben vom Stellung genommen und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie habe dies damit begründet, daß die mit der Postabwicklung betraute Sekretärin im gegenständlichen Fall die Vorstellung irrtümlicherweise nicht im Wege des Gemeindeamtes W, sondern direkt beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung eingebracht habe. Dies obwohl sie kurz vorher in einem anderen Berufungsfall die Postabwicklung richtig durchgeführt habe. Die Sekretärin sei als äußerst verläßliche Büroangestellte zu bezeichnen. Sollte die Beschwerdeführerin an der Versäumung der Vorstellungsfrist tatsächlich ein Verschulden treffen, könne es sich dabei wegen des Mißgeschickes einer ansonsten verläßlichen Sekretärin, welcher dieses Verschulden anzulasten sei, nur um einen minderen Grad des Versehens handeln. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, eine Rechtsmittelfrist sei dann nicht gewahrt, wenn die Vorstellung gegen den Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz zwar rechtzeitig bei der Aufsichtsbehörde, jedoch verspätet bei der richtigen Einbringungsstelle eingelangt sei. Im vorliegenden Fall sei die am letzten Tag der Rechtsmittelfrist bei der Aufsichtsbehörde eingebrachte Vorstellung gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Gemeinde W weitergeleitet worden, wo sie jedoch zufolge der relativ späten Vorstellungserhebung () erst am - somit verspätet - eingelangt sei. Die Fristversäumnis sei nicht auf einen Fehler in der Postversendung zurückzuführen, sondern sei dieser schon bei Erstellung des Vorstellungsschriftsatzes entstanden, da zur Versendung des Rechtsmittels ein Fensterkuvert verwendet und bereits auf der ersten Seite der Vorstellung die unrichtige Einbringungsstelle angeführt worden sei. Das den Vorstellungsschriftsatz durch seine Unterschrift genehmigende Organ der Beschwerdeführerin wäre verpflichtet gewesen, vor Unterfertigung desselben den gesamten Schriftsatz auf seine Richtigkeit zu überprüfen und es hätte bei einer sorgfältigen Überprüfung der letztlich für die Fristversäumung ausschlaggebende Fehler - Anführung der unrichtigen Einbringungsstelle auf Seite 1 des Vorstellungsschriftsatzes - hervorkommen müssen. Es liege somit in der unterlassenen Überprüfung des Rechtsmittelschriftsatzes eindeutig ein Verschulden des das Rechtsmittel unterfertigenden Organes der Beschwerdeführerin und könne bei einer derartig gravierenden Verletzung der Sorgfaltspflicht von einem minderen Grad des Versehens keine Rede sein.
Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung der Behandlung mit Beschluß vom , B 375/94-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich "in ihrem Recht, daß ihre Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom nicht als verspätet zurückgewiesen und in der Sache selbst entschieden wird sowie in ihrem Recht, daß ihrem Antrag vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist stattgegeben wird, verletzt".
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides führt die Beschwerdeführerin aus, richtige Einbringungsstelle für die Vorstellung sei die belangte Behörde gewesen. In Anbetracht der der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Telekommunikationsmittel wäre im übrigen die rechtzeitige Weiterleitung der Vorstellung an die richtige Einbringungsstelle, das Gemeindeamt der Gemeinde W, möglich und notwendig gewesen. Jedenfalls hätte der Vorstellungsschriftsatz per Fax noch am gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz AVG weitergeleitet werden können; damit wäre die Vorstellungsfrist gewahrt gewesen. Eine umgehende Weiterleitung an die richtige Einbringungsstelle mittels Telekopie wäre zulässig und tatsächlich auch möglich gewesen. Die belangte Behörde hätte auch die Möglichkeit gehabt, der Vorstellungswerberin telefonisch mitzuteilen, daß der Vorstellungsschriftsatz bei der unrichtigen Stelle eingebracht worden sei. Dies hätte auch mittels Telefax mitgeteilt werden können. Diesfalls wäre es der Beschwerdeführerin möglich gewesen, die Vorstellung noch am , also rechtzeitig, zur Post zu geben.
Gemäß § 102 Abs. 2 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 ist eine Vorstellung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder telegraphisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten. Die Gemeinde hat die Vorstellung unter Anschluß der Verwaltungsakten und ihrer Stellungnahme unverzüglich, spätestens aber vier Wochen nach dem Einlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen.
Gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen hat die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.
Die Beschwerdeführerin geht selbst von der unbedenklichen Feststellung der belangten Behörde aus, daß ihre Vorstellung nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde W vom bei der Gemeinde W eingelangt ist. Ob die belangte Behörde - bei welcher die Vorstellung fristgerecht eingelangt ist - ihrer Pflicht zur Weiterleitung des Vorstellungsschriftsatzes ohne unnötigen Aufschub im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG nachgekommen ist, bedarf schon deshalb keiner weiteren Erörterung, da die allein wesentliche Tatsache der Versäumung der Vorstellungsfrist - die Weiterleitung des Schriftstückes durch die unzuständige Behörde erfolgt auf Gefahr des Einschreiters (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 88, E 13 f zu § 6 AVG dargestellte Rechtsprechung) - unstrittig feststeht. Aus dem gleichen Grunde kann es daher dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde die Beschwerdeführerin von der Einbringung der Vorstellung bei der unzuständigen Behörde rechtzeitig hätte informieren müssen. Da das Übermittlungsschreiben der belangten Behörde an die Gemeinde W erst am abgefaßt wurde, erweist sich die am bei der Gemeinde W als im Sinne des § 102 Abs. 2 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 zuständige Behörde eingelangte Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den ihr am zugestellten Bescheid des Gemeinderates W vom jedenfalls als verspätet.
Der Zurückweisungsbescheid war deshalb rechtmäßig, da zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war. Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft. Es ist daher von Gesetzes wegen dafür gesorgt, daß auch die nachträgliche Bewilligung der Wiedereinsetzung die Versäumungsfolgen beseitigt. Es besteht sohin kein Grund dafür, mit der Zurückweisung eines verspäteten Rechtsmittels zuzuwarten, wenn über einen Wiedereinsetzungsantrag noch nicht bejahend entschieden worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12275/A). Die belangte Behörde war daher im vorliegenden Fall trotz des Antrages der Beschwerdeführerin, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, jedenfalls befugt, über die Vorstellung abzusprechen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) trägt die Beschwerdeführerin vor, aus der Tatsache, daß der vom zuständigen Organ der Beschwerdeführerin unterfertigte Vorstellungsschriftsatz an die Vorstellungsbehörde gerichtet gewesen sei, könne keinesfalls der Schluß gezogen werden, daß dieser Schriftsatz tatsächlich dort eingebracht und ein Fensterkuvert verwendet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Wiedereinsetzungsantrag darauf hingewiesen, daß die mit der Postabfertigung vertraute Sekretärin sehr verläßlich sei und kurz vor Einbringung des verfahrensgegenständlichen Schriftsatzes in einem gleichgelagerten Fall eine Vorstellung an die richtige Einbringungsstelle abgeschickt habe. Damals sei kein Fensterkuvert verwendet, sondern von der Sekretärin der Briefumschlag mit der richtigen Einbringungsstelle beschriftet worden. Da es bislang noch nie vorgekommen sei, daß die Sekretärin eine Eingabe an die falsche Stelle abgeschickt und diese überdies Kenntnis davon gehabt habe, wo eine Vorstellung einzubringen sei, habe für das unterfertigende Organ der Vorstellungswerberin keine Notwendigkeit bestanden, die Abfertigung der Post weiter zu überwachen. Hinzu komme, daß zwar im üblichen Geschäftsverkehr, nicht aber bei Eingaben an Behörden, Fensterkuverts verwendet würden, weil in den meisten Fällen Pläne bzw. andere Beilagen übermittelt würden, welche nicht gefaltet würden.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Behauptungspflicht als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ihrer äußerst verläßlichen Büroangestellten sei im gegenständlichen Fall bei der Postversendung ein Fehler insofern unterlaufen, als die Vorstellung direkt an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung abgesendet wurde.
Ein minderer Grad des Versehens liegt nicht vor, wenn der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter - dessen Verschulden an der Versäumung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist - auffallend sorglos gehandelt hat. Dies wäre der Fall, wenn eine der genannten Personen die im Verkehr mit Gerichten bzw. Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hätte. Irrtümer und Fehler der mit der Vormerkung und Überwachung sowie Erfüllung von Terminen und Fristen betrauten Bediensteten von Wiedereinsetzungswerbern sind letzteren zuzurechnen und ermöglichen nur dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der zuzumutenden Sorgfaltspflicht bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz sowie der fristgebundenen Erledigung und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Bediensteten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom , Zl. 92/03/0104, mit weiteren Nachweisen).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen von der Behörde zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Macht er als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Bediensteten geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, daß es zur Fehlleistung des Bediensteten gekommen ist, obwohl die dem Wiedereinsetzungwerber im Sinne der obzitierten Darlegungen obliegenden Aufsichtspflichten und Kontrollpflichten eingehalten wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/04/0123).
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrem an die belangte Behörde gerichteten Wiedereinsetzungsantrag zwar vor, daß es zur Versäumung der Vorstellungsfrist im gegenständlichen Fall durch ein einmaliges Versehen ihrer äußerst verläßlichen Büroangestellten gekommen sei, unterließ jedoch Behauptungen dahingehend, ob und wie sie diese bei Durchführung der übertragenen Aufgaben kontrollierte.
Zu diesen Behauptungen wäre die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall schon deshalb verpflichtet gewesen, weil im Vorstellungsschriftsatz im Kopf links oben als Adressat das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung - als die im vorliegenden Fall zwar zuständige Geschäftsstelle der zur Entscheidung über die Vorstellung zuständigen Behörde - angeführt ist, ein Hinweis, daß dieser Vorstellungsschriftsatz bei der Gemeinde W im Sinne des § 102 Abs. 2
O.ö. Gemeindeordnung 1990, einzubringen ist, jedoch fehlt.
Schon aus diesem Grund vermag der Verwaltungsgerichtshof weder eine rechtsirrige Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde noch einen ihr etwa unterlaufenen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel zu erkennen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.