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VwGH vom 28.01.2004, 2003/04/0134

VwGH vom 28.01.2004, 2003/04/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. W. Pesendorfer und Senatspräsident Dr. Gruber sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der F. Straßenbau GmbH & Co KG in D, vertreten durch Schramm Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , Zl. 14N-64/03-11, betreffend Zurückweisung von Nachprüfungsanträgen (mitbeteiligte Partei: Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft (ASFINAG), in Wien, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin, die Entscheidung der mitbeteiligten Partei, das Angebot der Beschwerdeführerin auszuscheiden, für nichtig zu erklären, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurden die (am beim Bundesvergabeamt eingelangten) Anträge der Beschwerdeführerin

"das Bundesvergabeamt möge die Entscheidung der Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft, vertreten durch die ausschreibende Stelle österreichische Autobahnen- und Schnellstraßengesellschaft mbH unser Angebot im Vergabeverfahren 'Austausch von Aluleitschienen, Ausschreibungsblock 2 Rand' Bekanntmachung im Amtsblatt der EG 2002/S 252-201866 auszuscheiden, für nichtig zu erklären"

und

"die Entscheidung der Autobahn- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, vertreten durch die ausschreibende Stelle Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen GmbH das Vergabeverfahren 'Austausch von Aluleitschienen, Ausschreibungsblock 2 Rand' (Bekanntmachung im Amtsblatt der EG 2002/S 252-201866) zu widerrufen, für nichtig erklären", zurückgewiesen.

Begründend traf die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Antragsvorbringens und des Vorbringens der Mitbeteiligten sowie Ausführungen zu den Formalerfordernissen eines Nachprüfungsantrages - folgende Sachverhaltsfeststellungen:

"Gegenständlicher Bauauftrag wurde von der ÖSAG im Namen und im Auftrag der ASFINAG im offenen Verfahren ausgeschrieben und auch EU-weit bekannt gemacht. Die Antragstellerin hat sich durch Abgabe eines Angebotes mit einem Nettoangebotspreis von EUR 37.673.848,20 am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt. Aus der Angebotseröffnung vom ging die Antragstellerin als Zweitgereihte hervor. Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung zugunsten der ARGE Strabag an die Antragstellerin erfolgte mit Telefax vom . Am brachte die ARGE GLS/Traunfellner einen Nachprüfungsantrag beim Bundesvergabeamt ein. Die Antragstellerin stellte am einen Antrag auf Teilnahme an diesem Nachprüfungsverfahren. Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , 12N-33/03-15, wurde die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt, da die Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen wäre. Die ÖSAG führte in der Folge am mit allen Bietern Aufklärungsgespräche über die Angebotsmängel. Der Antragsstellerin wurde in diesem Aufklärungsgespräch das Fehlen von Prüfzeugnissen bzw. Leistungsnachweisen zu den Rückhaltesystemen vorgehalten. Mit Schriftsatz vom legte die Antragstellerin der ÖSAG gegenüber dar, dass die vorgeworfene Mangelhaftigkeit ihres Angebotes nicht vorliege. Die ÖSAG teilte der Antragstellerin hierauf mit, dass diese ein technisch nicht gleichwertiges und ungeeignetes System angeboten habe. In einer abermaligen Stellungnahme vom beharrte die Antragsstellerin gegenüber der ÖSAG darauf, ein für die entsprechende Position (Mittelstreifenüberfahrten) geeignetes System angeboten zu haben. Mit Schreiben vom brachte die ÖSAG der Antragstellerin wie auch den übrigen Bietern zur Kenntnis, dass deren Angebote infolge Nichtaufklärung der bestehenden Mängel ausgeschieden wurden. Mit Telefax vom erging die Bekanntgabe an die Bieter, dass die Ausschreibung iSd § 105 Abs. 3 BVergG 2002 als widerrufen gelte. In dieser Mitteilung wurde weiters ausgeführt, dass nach Ausscheiden aller Angebote im Sinne der Bescheide des BVA vom , GZ 12N-33/03-15 und 12N-32/03-17, keine Angebote im Vergabeverfahren mehr verblieben. Mit Telefax vom wurden das Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG vom Widerruf der Ausschreibung verständigt und die nationale Veröffentlichung des Widerrufs veranlasst."

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde (nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtslage) im Wesentlichen die Auffassung, das Ausscheiden eines Bieters stelle im System des BVerG 2002 (§ 20 Z. 13 lit. a und lit. b) ebenso wie der Widerruf der Ausschreibung keine gesondert anfechtbare Entscheidung dar. Da der Widerruf nicht gesondert anfechtbar sei, könnten auch alle vorhergehenden bloß verbundenen anfechtbaren Entscheidungen nicht mehr zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden. Daraus folge, dass das Ausscheiden eines Bieters im Falle des Widerrufs einer Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist überhaupt nicht zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könne (§ 20 Z. 13 lit. a leg. cit. econtrario, wonach sonstige Festlegungen nur während der Angebotsfrist gesondert anfechtbar seien). Der Widerruf des Vergabeverfahrens könne als nicht gesondert anfechtbare Entscheidung nach dem System des BVerG 2002 - angesichts der entgegenstehenden gesetzlichen Regelungen - keinem Nachprüfungsverfahren unterzogen werden.

Wenngleich Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie (RL- 89/665) verlange, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung zu widerrufen, in einem Nachprüfungsverfahren auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen einzelstaatliche Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden können müssten, so sei dies aufgrund der derzeitigen Rechtslage nicht möglich. Anders als im System des BVerG 1997 dürfte eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne einer Anfechtbarkeit des Widerrufs im Nachprüfungsverfahren mit einer Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes zur Nichtigerklärung des Widerrufs im System des BVerG 2002 angesichts des geänderten Rechtschutzsystems, indem nur explizit genannte Entscheidungen nichtig erklärt werden könnten (vgl. § 166 Abs. 2 Z. 1 iVm § 20 Z. 13 lit. a leg. cit.) nicht möglich sein. Den Rechtsmittelrichtlinien komme keine unmittelbare Rechtswirksamkeit zu; nationales Recht sei lediglich richtlinienkonform auszulegen. Sofern die nationalen Vorschriften nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnten, könne lediglich Schadenersatz wegen nicht fristgerechter Umsetzung einer Richtlinie begehrt werden. Dies gelte auch im Fall nicht richtlinienkonformer Umsetzung der Rechtsmittelrichtlinien in nationales Recht. Die dem BVerG 2002 innewohnende Problematik der Ausgestaltung des Rechtschutzsystems könne vorliegend dahingestellt bleiben, weil keine "Entscheidung des Auftraggebers" vorliege. § 105 Abs. 3 BVerG 2002 siehe zwei unmittelbar aufgrund des Gesetzes und ohne Zutun des Auftraggebers eintretende Widerrufstatbestände vor. Die damit verbundene Beendigung des Vergabeverfahrens trete in diesem Fall ex lege aufgrund der Anordnung des Gesetzgebers ein. Die verlangte Verständigung der Bieter und die Verpflichtung zur Bekanntmachung des Widerrufs könnten am Rechtscharakter dieser als "Entscheidung" des Gesetzgebers zu qualifizierenden Rechtsfolge nichts ändern. Die im Vorfeld des ex lege Widerrufs vom Auftraggeber gesetzte Handlung, die unmittelbar den Eintritt des ex lege Widerrufs Tatbestandes nach sich gezogen habe, mache diesen Widderruf nicht zu einer Entscheidung des Auftraggebers; entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin habe vorliegend der Auftraggeber nicht alle Angebote ausgeschieden. Die Beschwerdeführerin übersehe nämlich, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom die Zuschlagsentscheidung mit der Begründung für nichtig erklärt worden sei, dass das Anbot der Zuschlagsempfängerin von der Auftraggeberin zu Unrecht nicht ausgeschieden worden sei. Demnach sei aber der ex lege Widderrufstatbestand nicht "auf das Handeln der Auftraggeberin" rückführbar. Aus der gesetzlichen Anordnung der Beendigung des Vergabeverfahrens und damit dem Fehlen einer im Nachprüfungsverfahren anfechtbaren Entscheidung folge, dass mangels einer der Nichtigerklärung zugänglichen Entscheidung für eine Entscheidung des Bundesvergabeamtes gemäß § 162 Abs. 1 Z. 2 BVerG 2002 kein Raum bestehe. Andernfalls würde bzw. müsste die Entscheidung des Gesetzgebers, unter bestimmten Voraussetzungen das Vergabeverfahren von Gesetz wegen beenden zu wollen, für nichtig erklärt werden. Dazu sei die belangte Behörde als Vollzugsbehörde allerdings nicht berufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten auf "Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, unser Angebot im Vergabeverfahren 'Austausch von Aluleitschienen, Ausschreibungsblock zwei Rand' (Bekanntmachung im Amtsblatt der EG 2002/S 252-201866) auszuscheiden"; und "Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren" 'Austausch von Alu Leitschienen, Ausschreibungsblock zwei Rand' (Bekanntmachung im Amtsblatt der EG 2002/S 252-201866) zu widerrufen" verletzt. Sie beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Die mitbeteiligte Partei erstattete gleichfalls eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 192 Z. 1 des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG; BGBl. I Nr. 99/2002) wird durch dieses Bundesgesetz die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (Rechtsmittelrichtlinie), ABl. Nr. L 395 vom S 33, in der Fassung von Art. 41 der Richtlinie 92/50/EWG umgesetzt.

§ 20 BVergG regelt Begriffsbestimmungen, die im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes maßgebend sind.

Die Z. 13 dieser Gesetzesbestimmung lautet:

"13. Entscheidung ist jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren.

a) Gesondert anfechtbare Entscheidungen sind

aa) im offenen Verfahren: die Ausschreibung; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

bb) im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung: die Ausschreibung (Bekanntmachung, mit der Unternehmer aufgefordert werden, sich um die Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren zu

bewerben); die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung zur Teilnahme); die Aufforderung zur Angebotsabgabe;

sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

cc) im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung: die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung zur Teilnahme); die Aufforderung zur Angebotsabgabe;

sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

dd) im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung:

die Ausschreibung (Bekanntmachung, mit der Unternehmer aufgefordert werden, sich um die Teilnahme an einem Verhandlungsverfahren zu bewerben); die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung zur Teilnahme); die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

ee) im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung:

die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige

Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

ff) im offenen Wettbewerb mit Verhandlungsverfahren: die Ausschreibung; die Einladung der Wettbewerbsgewinner und gegebenenfalls die Zuschlagsentscheidung;

gg) im nicht offenen Wettbewerb mit Verhandlungsverfahren:

die Ausschreibung; die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung zur Teilnahme); die Einladung der Wettbewerbsgewinner und gegebenenfalls die Zuschlagsentscheidung;

hh) im geladenen Wettbewerb mit Verhandlungsverfahren: die Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb;

gegebenenfalls die Einladung der Wettbewerbsgewinner und gegebenenfalls die Zuschlagsentscheidung;

ii) bei der elektronischen Auktion: die Ausschreibung; die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung) bei Auktionen mit beschränkter Teilnehmeranzahl und die Zuschlagsentscheidung;

jj) bei der Rahmenvereinbarung: hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens die gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß sublit aa) bis dd) mit Ausnahme der Zuschlagsentscheidung; die Bekanntmachung der Angebotsbewertung (Auswahl der Partei oder der Parteien, mit der bzw. denen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll) und bei einer Rahmenvereinbarung, die mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wurde, die Zuschlagsentscheidung nach erneutem Aufruf zum Wettbewerb;

kk) im Prüfsystem: die Ausschreibung und die Ablehnung des Antrages auf Aufnahme und die Aberkennung der Qualifikation;

ll) bei der regelmäßigen Bekanntmachung: die Ausschreibung (Bekanntmachung) und bei Durchführung eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung die Bewerberauswahl (Nicht-Zulassung zur Teilnahme); die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung oder bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung;

mm) bei der Direktvergabe: die Wahl des Vergabeverfahrens.

b) Nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen sind alle übrigen, den gesondert anfechtbaren Entscheidungen zeitlich vorhergehenden Entscheidungen. Diese können nur gemeinsam mit der ihnen nächst folgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung angefochten werden."

Gemäß § 103 Abs. 1 BVergG endet das Vergabeverfahren mit dem Zustandekommen des Leistungsvertrages oder mit dem Widerruf der Ausschreibung.

§ 105 BVergG regelt den Widerruf der Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist.

Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ist nach Ablauf der Angebotsfrist die Ausschreibung zu widerrufen, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Ausschreibung widerrufen werden, wenn 1. nur ein Angebot eingelangt ist, 2. nach dem Ausscheiden von Angeboten gemäß § 98 nur ein Angebot bleibt, oder 3. andere für den Auftraggeber schwerwiegende Gründe bestehen, die den Widerruf sachlich rechtfertigen. Ein Widerruf der Ausschreibung zu dem alleinigen Zweck, eine neuerliche Ausschreibung zu ermöglichen, um einen Angebotspreis zu reduzieren, ist sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Ausschreibung gilt zufolge Abs. 3 leg. cit. als widerrufen, wenn kein Angebot eingelangt ist, oder nach dem Ausscheiden von Angeboten kein Angebot im Vergabeverfahren verbleibt.

Vom Widerruf der Ausschreibung sind nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle die Bieter unverzüglich unter Bekanntgabe des Grundes zu verständigen.

Ein Widerruf der Ausschreibung gemäß Abs. 1 bis 3 ist nach Abs. 5 leg. cit. in der selben Art bekannt zu machen wie die Ausschreibung.

Mit der ordnungsgemäßen Durchführung der Verständigung gemäß Abs. 4 gewinnen zufolge Abs. 6 dieser Gesetzesstelle Auftraggeber und Bieter ihre Handlungsfreiheit wieder.

Gemäß § 162 Abs. 1 BVergG ist das Bundesvergabeamt auf Antrag zur Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes zuständig.

Bis zur Zuschlagserteilung ist nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle das Bundesvergabeamt zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hiezu ergangenen Verordnungen zuständig 1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie 2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Nach Zuschlagserteilung ist nach Abs. 3 leg. cit. das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist das Bundesvergabeamt ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers oder des Zuschlagempfängers festzustellen, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

Nach Abs. 4 leg. cit. ist nach Zuschlagserteilung das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob bei Direktvergaben die Wahl des Vergabeverfahrens zu Recht erfolgte.

Nach Widerruf einer Ausschreibung ist nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz rechtswidrig war. In einem solchen Verfahren ist das Bundesvergabeamt ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

Gemäß § 168 Abs. 2 BVergG ist nach erfolgtem Zuschlag oder nach Widerruf einer Ausschreibung ein Antrag auf Feststellung gemäß § 162 Abs. 3, 4 oder 5 unzulässig, wenn er nicht spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages, ab Kenntnis des Widerrufes der Ausschreibung oder ab dem Zeitpunkt, in dem man hiervon Kenntnis hätte haben können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nach dem der Zuschlag erteilt, das Vergabeverfahren widerrufen wurde oder als widerrufen gilt, gestellt wird.

Ein Antrag auf Feststellung gemäß § 162 Abs. 3, 4 oder 5 ist nach Abs. 3 leg. cit. ferner unzulässig, sofern der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 163 geltend gemacht hätte werden können.

In der Beschwerde wird nicht aufgezeigt, welche Bestimmungen des BVergG 2002 gebieten, dass die Nachprüfungsanträge der Beschwerdeführerin meritorisch hätten behandelt werden müssen, die Beschwerdeführerin wendet sich aber dagegen, dass die belangte Behörde die Rechtsmittelrichtlinie (nämlich Art. 1 Abs. 1) nicht unmittelbar angewendet bzw. das Bundesvergabegesetz 2002 nicht richtlinienkonform interpretiert habe. Hätte die belangte Behörde "sämtliche Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes, die nach der Interpretation des Bundesvergabeamtes eine gesonderte Anfechtbarkeit der Ausscheidung unseres Angebotes verhindert, unangewendet gelassen" bzw. hätte die belangte Behörde "die betreffenden Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes richtlinienkonform interpretiert", hätte die belangte Behörde - nach Ansicht der Beschwerdeführerin - über ihre Anträge auf Nichtigerklärung eine Sachentscheidung treffen müssen.

Mit diesen Ausführungen ist die Beschwerdeführerin - hinsichtlich ihres Antrages auf Nichtigerklärung der Entscheidung der mitbeteiligten Partei, das Angebot der Beschwerdeführerin auszuscheiden, - im Recht:

Den Verpflichtungen, die Vergaberichtlinien auf europäischer Ebene, insbesondere die angezogene Rechtsmittelrichtlinie, mangels unmittelbarer Anwendbarkeit in innerstaatliches Recht umzusetzen, ist der Gesetzgeber - wie dies in § 192 Z. 1 BVergG 1992 ausdrücklich dokumentiert wird - durch dieses Gesetz hinsichtlich der Rechtsmittelrichtlinien nachgekommen. Das BVergG 2002 als Umsetzungsnorm enthält sohin ausdrücklich einen Umsetzungshinweis (vgl. auch R. Schindler, Zur Umsetzung der EU-Richtlinien in Österreich in DRdA Nr. 5/20003, Seite 402 ff, insbesondere 408 f).

Der (Santex SpA gegen Unita Socio Sanitaria locale n 42 di Pavia) ausgesprochen, dass es zwar Sache der internen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates ist, die Fristen für das gerichtliche Verfahren zu regeln, die die Wahrung der Rechte sicherstellen sollen, die das Gemeinschaftsrecht den durch Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber geschädigten Bewerbern und Bietern einräumt, dass diese Fristregelung jedoch nicht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 beeinträchtigen dürfen, die sicherstellen soll, dass rechtswidrige Entscheidungen dieser öffentlichen Auftraggeber wirksam und möglichst rasch überprüft werden können. Für die Anwendung des Effektivitätsgebotes ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen (vgl. die Randnr. 51 und 56, sowie die dort jeweils angegebene weitere Judikatur).

Wie der EuGH in dem genannten Urteil "Santex" des weiteren ausgeführt hat ist das vorlegende Gericht für Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften zuständig; es muss diese Vorschriften möglichst so auslegen, dass die Beachtung des sich aus der Rechtsmittelrichtlinie ergebenden Effektivitätsgebot sicher gestellt ist. Wenn eine solche konforme Anwendung nicht möglich ist, ist das nationale Gericht verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lässt, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem gemeinschaftsrechtswidrigen Ergebnis führen würde (vgl. Randnr. 63 und die dort angegebene weitere Judikatur).

Die Verpflichtung aller innerstaatlichen Gerichte, das nationale Recht unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraums in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen, anzuwenden und für die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Normen auch dadurch Sorge zu tragen, dass sie erforderlichen Falls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1160/00, ua) führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Z 13 des § 20 BVergG 2002 (mit ihrer Systematik der Teilung der Entscheidungen in gesondert anfechtbare und nicht gesondert anfechtbare) hier unangewendet zu lassen ist, um die Rechte, die das Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen einräumt, zu schützen.

Davon ausgehend ist im Beschwerdefall die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot der Beschwerdeführerin auszuscheiden, als eine "Entscheidung" gemäß § 162 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 des Auftraggebers anzusehen. Dieses Auslegungsergebnis ist nach den Umständen des Beschwerdefalles, weil die Bestimmung des § 105 Abs. 3 BVergG 2002 dazu führt, dass eine Zuschlagsentscheidung bzw. eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers nicht mehr erfolgt, jedenfalls geboten, weil andernfalls der Beschwerdeführerin vorliegend die Möglichkeit genommen würde, die (Entscheidung des Auftraggebers über die) Ausscheidung ihres Angebotes wirksam zu bekämpfen und dies - wie bereits dargelegt - zu einem gemeinschaftsrechtswidrigen Ergebnis führen würde.

Es ist aus den dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Erwägungen daher über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Entscheidung der mitbeteiligten Partei, das Angebot der Beschwerdeführerin auszuscheiden, meritorisch zu entscheiden.

Hingegen erweist sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung des ex lege Widerrufes des Vergabeverfahrens (der Ausschreibung) im Ergebnis deshalb als unberechtigt, weil dieser Antrag sich nicht gegen eine Entscheidung des Auftraggebers richtet. Das Bundesvergabeamt ist gemäß § 162 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig. Nach § 105 Abs. 3 BVergG 2002 gilt die Ausschreibung bei Eintritt eines der dort genannten Tatbestände als widerrufen. Dies stellt keine Entscheidung des Auftraggebers dar.

Im Übrigen steht im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht fest, ob der Tatbestand des § 105 Abs. 3 BVergG 2002 letztlich zum Tragen kommen wird, weil Ergebnis einer meritorischen Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, die Entscheidung des Auftraggebers, ihr Angebot auszuscheiden, für nichtig zu erklären, auch sein kann, dass dieses Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Sollte das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin gegen das Ausscheiden ihres Angebotes sich jedoch letztlich als erfolglos erweisen, wäre es freilich nicht gemeinschaftsrechtswidrig, wenn der Beschwerdeführerin in diesem Falle gegen den gemäß § 105 Abs. 3 BVergG 2002 ex lege eintretenden Widerruf der Ausschreibung kein Rechtsmittel zustünde.

Die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung, es sei wegen der eingetretenen Tatbestandswirkung des § 105 Abs. 3 BVergG 2002 über die Ausscheidung des Angebotes der Beschwerdeführerin nicht meritorisch zu entscheiden, trifft bei der aufgezeigten und gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des BVergG 2002 sohin nicht zu.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Entscheidung der mitbeteiligten Partei über die Ausscheidung des Angebotes der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und im Übrigen (Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung des ex lege Widerrufs des Vergabeverfahrens) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auch § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführerin über die in der genannten Verordnung bestimmten pauschalierten Ersatzbeträge hinaus keine Umsatzsteuer gebührt.

Wien, am