VwGH vom 26.03.1996, 94/05/0184

VwGH vom 26.03.1996, 94/05/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XVI - 1/94, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vor dem Mehrfamilienhaus des Mitbeteiligten in Wien nn, R-Straße 17, welches linksseitig gekuppelt an das Haus der Beschwerdeführerin angebaut ist, befindet sich ein Vorgarten. Im rechten Teil des Vorgartens ist eine bewilligte Garage vorhanden. Der mitbeteiligte Bauwerber begehrte mit Ansuchen vom die Baubewilligung zur Schaffung eines weiteren Stellplatzes im linken Vorgartenbereich, und zwar im rechten Winkel zur Häuserfront und in einem Abstand von 2 m parallel zur Grundgrenze (Vorgarten) der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin wendete in der Bauverhandlung ein, daß durch den Stellplatz im Vorgarten Abgase direkt vor den Fenstern entstünden und die bestehende Rasenfläche vor dem Haus zerstört werde.

Mit Bescheid vom versagte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die begehrte Baubewilligung, weil der Einstellplatz auf dem gärtnerisch zu gestaltenden Teil des Bauplatzes errichtet werden soll; einer Genehmigung gemäß § 71 leg. cit. habe nicht näher getreten werden können, weil kein begründeter Ausnahmefall vorliege und subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer beeinträchtigt würden.

In seiner Berufung machte der Mitbeteiligte geltend, die Abgasbelästigung wäre nicht anders als jene, die von den auf dem Parkstreifen auf der öffentlichen Verkehrsfläche parkenden Fahrzeugen ausginge. Für die 5 Wohnungen im Haus des Mitbeteiligten gebe es bisher nur einen Stellplatz in der vorhandenen Garage. Der Abstand zu den Hauptfenstern betrage mehr als 2,5 m. Durch Bedeckung des Bodens mit Rasensteinen bleibe die gärtnerische Gestaltung erhalten.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung statt und erteilte gemäß § 70 BauO für Wien i.V.m. § 3 Abs. 1 lit. a Wiener Garagengesetz die begehrte Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Der Stellplatz soll einen tragfähigen Belag (Betongittersteine) erhalten, das Regenwasser soll in diesem Bereich zur Versickerung gebracht werden. Die herzustellende Böschung soll mit Löffelsteinen befestigt werden.

Die Berufungsbehörde begründete ihre Abänderung damit, daß der Einstellplatz von Hauptfenstern allseitig einen Abstand von mindestens 2,5 m einhalte und in dieser Hinsicht § 7 Abs. 5 Wiener Garagengesetz entspreche. Die Unzulässigkeit eines vom Gesetz ausdrücklich geforderten Stellplatzes könne sich nur aus besonderen Umständen ergeben, wenn also besondere Anlageverhältnisse das Entstehen von Immissionen in einem Ausmaß befürchten ließen, das über das üblicherweise zu erwartende Ausmaß hinausgehe. Im vorliegenden Fall soll bloß ein Stellplatz geschaffen werden, der einem Wohngebäude zugeordnet sei, wobei die Zufahrt weder steil noch besonders lang sei, sodaß eine überdurchschnittliche Belästigung der Nachbarschaft bei der Benützung nicht zu erwarten sei. § 3 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes erlaube das Abstellen von 2 Kraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je

3.500 kg im Seitenabstand gegen Nachbarliegenschaften, wenn der Seitenabstand mindestens 3 m breit sei. Der hier erforderliche Abstand zu den Hauptfenstern des Nachbargebäudes sei jedenfalls gegeben.

Gegen die von der Berufungsbehörde erteilte Baubewilligung richtet sich die vorliegende Beschwerde. Erkennbar macht die Beschwerdeführerin ein Recht auf Nichterteilung der Baubewilligung geltend und begehrt, den angefochtenen Bescheid "wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens als rechtswidrig" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 34/1992, ist für das vorliegende, vor dem eingeleitete Bauverfahren die Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden. Gemäß § 134 Abs. 3 dritter Satz BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.

Gemäß § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes (i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 7/1975, im folgenden: WGG) muß eine Anlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen u.a. so beschaffen sein, daß eine das nach der festgesetzten Widmung zulässige Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarn durch Lärm, üblen Geruch oder Erschütterung nicht zu erwarten ist. Diese Vorschrift dient nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft. Es erwächst dem Nachbarn das subjektive öffentliche Recht, daß kein Einstellplatz baubehördlich bewilligt wird, durch den eine in dieser Gesetzesstelle angeführte Belästigung eintritt (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften2, 728).

Während allerdings der Gesetzgeber im § 4 Abs. 3 WGG eine Beschränkung der Schaffung von Stellplätzen im Wohngebiet dahingehend verfügt hat, daß die Stellplätze für die Bewohner oder für die dort Beschäftigten erforderlich sein müssen, wird im fünften Abschnitt dieses Gesetzes bei Errichtung bestimmter Bauten, die zum Teil auch mit der Widmung "Wohngebiet" vereinbar sind, sogar die Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen vorgeschrieben. § 1 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. Nr. 9, zur Durchführung des Wiener Garagengesetzes sah vor, daß bei Wohnungen für 1,5 Wohneinheiten ein Stellplatz zu schaffen war. Mit dem hier gegenständlichen zweiten Stellplatz für 5 Wohnungen ist somit die Zahl der Pflichtstellplätze noch nicht erfüllt.

Auch unter dem Gesichtspunkt der dem Interesse der Nachbarschaft dienenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 WGG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß bei einem in Erfüllung der in § 36 WGG normierten Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen errichteten Stellplatz grundsätzlich ein Widerspruch zu § 6 Abs. 1 WGG nicht angenommen werden kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die die Errichtung des Einstellplatzes unzulässig erscheinen lassen (hg. Erkenntis vom , Zl. 91/05/0025). Besondere emissionserhöhende Umstände wurden hier nicht behauptet, sodaß hinsichtlich des weiteren Pflichtstellplatzes eine das Widmungsmaß im Wohngebiet überschreitende Belästigung nicht zu erwarten ist, weshalb auch die von der Beschwerdeführerin geforderten Beweise nicht aufzunehmen waren.

Schließlich ist ein Widerspruch des Projekts zur Bestimmung des § 7 Abs. 5 WGG nicht erkennbar, weil nach dem Einreichplan der Höhenabstand der Stellplatzfläche zur Unterkante der Parterrefenster (beim Haus des Bauwerbers, die Fenster der Beschwerdeführerin sind entsprechend weiter entfernt) 2,90 m beträgt.

Die Bestimmung des § 79 Abs. 6 BO, auf deren Einhaltung der Nachbar ein subjektives-öffentliches Recht besitzt, sieht vor, daß Vorgärten und Abstandsflächen, soweit auf diesen Flächen zulässige Baulichkeiten, Gebäudeteile oder baulichen Anlagen nicht errichtet werden, gärtnerisch auszugestalten und im guten Zustand zu erhalten sind. § 4 Abs. 4 WGG erlaubt, wenn das Einstellen im Hausinneren oder auf anderen der Bebauung offen stehenden Teilen der Liegenschaft nicht zumutbar ist und keine Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes eintritt, Kleinanlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen mit einer Bodenfläche bis zum 50 m2 auch auf den seitlichen Abstandsflächen oder auf anderen Teilen der Liegenschaft; im Vorgarten sind solche Anlagen jedoch nur dann zulässig, wenn ihre Errichtung auch auf den seitlichen Abstandsflächen oder auf anderen Teilen der Liegenschaft im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall ist die rechte Abstandsfläche bereits durch eine Garage bebaut, sodaß auch diese Bestimmung der Schaffung des Stellplatzes im Vorgarten nicht entgegensteht.

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß durch die Anbringung von Betongittersteinen bzw. Rasensteinen der Verpflichtung zur gärtnerischen Gestaltung entsprochen wird (siehe die Erkenntnisse vom , Zl. 87/05/0197, und vom , Zl. 93/05/0125).

Hinsichtlich des Vorbringens, das Bauvorhaben widerspreche einer grundbücherlich sichergestellten Reallast und es würden vom Vorhaben auch unzulässige Lärmemissionen ausgehen, ist die Beschwerdeführerin nicht nur auf das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot, sondern auch auf die Bestimmung des § 42 Abs. 1 AVG hinzuweisen, wonach nur Einwendungen berücksichtigt werden, die vor oder bei der Verhandlung geltend gemacht werden.

Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Da sämtliche aufgeworfenen Rechtsfragen durch die zitierte Vorjudikatur bereits geklärt sind, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.