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VwGH 02.12.1997, 94/05/0165

VwGH 02.12.1997, 94/05/0165

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Krnt 1992 §33 Abs1;
BauO Krnt 1992 §43 Abs1;
BauRallg;
RS 1
Das Projekt sah eine Erneuerung des Dachstuhls sowie der beschädigten Deckenkonstruktionen bzw Fußbodenkonstruktionen vor; den Färbelungen im Einreichplan sind Veränderungen nur bei wenigen Innenwänden zu entnehmen. Wenn nunmehr feststeht, daß Teile der Außenwände eingestürzt sind, könnte mit dieser Baubewilligung nicht mehr das Auslangen gefunden werden. Die Baubewilligung fußte auf ganz anderen Gegebenheiten als sie nunmehr vorliegen. Das Vorhaben, wie es bewilligt wurde, ist ohne weitere Baubewilligung nicht verwirklichbar, weshalb eine Anwendung des § 33 Abs 1 Krnt BauO 1992 nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist gem § 43 Abs 1 Krnt BauO 1992 die Beseitigung des Gebäudes anzuordnen.
Normen
BauO Krnt 1992 §43 Abs1;
BauRallg;
RS 2
Ein öffentliches Interesse iSd § 43 Abs 1 Krnt BauO 1992, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist schon immer dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur gegenüber einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (Hinweis E , 86/05/0051, ergangen zur Wr BauO).
Normen
BauO Krnt 1992 §4 lite;
BauO Krnt 1992 §42;
BauRallg;
RS 3
Kommt eine Instandsetzung (§ 4 lit e Krnt BauO 1992) nach § 42 Krnt BauO 1992 nicht mehr in Betracht, weil wesentliche Bauteile und die damit verbundenen Baubewilligung untergegangen sind, kann den Interessen der Sicherheit und Gesundheit nur durch Beseitigung der noch vorhandenen Gebäudereste Rechnung getragen werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Alois Gregor in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 24, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR1-176/1/1994, betreffend Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Renovierung und für Umbauarbeiten am Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. .85, EZ 39, KG Hörtendorf. Laut Baubeschreibung soll das beschädigte Bauwerk in seiner ursprünglichen Form wieder instandgesetzt werden. Der beschädigte Dachstuhl sowie die beschädigten Decken bzw. Fußbodenkonstruktionen würden ebenso wie Fenster und Türen erneuert werden. Die Umfassungswände würden trocken gelegt und dem § 5 der Kärntner Bauvorschriften entsprechend mit außen liegender Wärmedämmung versehen werden.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Landeshauptstadt die begehrte Baubewilligung u.a. mit der Auflage, der Bauführung eine von einem Zivilingenieur für Bauwesen verfaßte statische Berechnung zugrundezulegen.

Mit Schreiben vom zeigte der Bauwerber den Baubeginn an.

In mehreren Aktenvermerken zwischen 1986 und 1991 wurde festgehalten, daß mit Abbrucharbeiten hinsichtlich der schadhaften Teile begonnen wurde.

Von einem Sachverständiger der Baupolizei stammt nachstehende Darstellung vom :

"Im Zuge einer Besichtigung an Ort und Stelle wird folgendes festgehalten:

1)

Der Dachstuhl ist abgetragen.

2)

Außenwände, Innenwände und Deckenbereiche sind

eingestürzt und stark durchfeuchtet.

3) Sämtliche Fenster samt Stöcken sowie Sohlbänke sind abgetragen.

4)

Türen samt Stöcken sind z.T. entfernt.

5)

Die Absicherung des Objektes ist derzeit durch

Streifenbänder vorhanden? Ein Betreten ist jederzeit möglich

Seitens der Abt.BP wird als Erstmaßnahme vorgeschlagen:

a) Sämtliche lose Mauer- und Deckenteile sind abzutragen, da durch das Herabstürzen dieser Teile Personen in Leben und Gesundheit gefährdet sind.

b) Sämtliche ebenerdigen Tür- und Fensteröffnungen im Außenwandbereich durch Abmauern oder Maschendraht auf Holzrahmen abzusichern, daß ein Betreten für Unbefugte nicht möglich ist, da diese in Leben und Gesundheit gefährdet sind

c) Ein Gutachten von einem Ziv.Ingenieur für Bauwesen über die Tragfähigkeit der noch bestehenden Außenwände einzuholen und ob eine Verwendung dieser Bauteile für eine Instandsetzung noch möglich ist.

Fristen: a) Sofort

b)

Sofort

c)

3 Wochen"

In einer Stellungnahme dazu gab der Beschwerdeführer an, daß die Maßnahmen betreffend das Abtragen sämtlicher loser Mauer- und Deckenteile und das Absichern sämtlicher ebenerdiger Tür- und Fensteröffnungen im Außenbereich vor dem Zutritt fremder Personen "eingeleitet" sei.

Nachdem in mehreren Aktenvermerken der sich ständig verschlechternde Zustand des Gebäuderestes unter Anschluß von Fotos dokumentiert worden war, verpflichtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Landeshauptstadt den Beschwerdeführer als Grundeigentümer gemäß § 43 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung mit Bescheid vom , das gegenständliche Wohnhaus binnen einem Monat zu beseitigen. Begründend wurde ausgeführt, daß die durchfeuchteten Mauerwerksteile keine ausreichende Standfestigkeit hätten und durch einstürzende Mauerwerksteile Personen an Leben und Gesundheit gefährdet seien. Eine Instandsetzung sei technisch nicht mehr möglich, weil alle wesentlichen raumbildenden Bauelemente durch Neubauteile ersetzt werden müßten.

In seiner dagegen gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er habe mit den Renovierungsarbeiten begonnen und als Vorbereitung zunächst Teile des Daches abgedeckt. Dabei sei deutlich geworden, daß aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Abbruch und Neubau angebrachter wären als die Instandsetzung des Bestandes. Die Behörde berufe sich bei ihren Feststellungen auf einen durchgeführten Ortsaugenschein und darauf basierende Stellungnahmen, wobei allerdings ein Gutachten nicht eingeholt worden sei. Es sei der Behörde nicht gelungen, darüber Beweis zu führen, daß alle wesentlichen raumbildenden Bauelemente durch Neubauteile ersetzt werden müßten. Es werde nicht ausreichend begründet, warum eine Instandsetzung nicht mehr möglich sei.

Mit Bescheid vom gab der Stadtsenat der mitbeteiligten Landeshauptstadt dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters mit der Maßgabe, daß der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, sämtliche auf diesem Grundstück befindlichen Gebäudeteile (bauliche Überreste des einstigen Wohngebäudes) binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheides zu beseitigen. Der der seinerzeitigen Baubewilligung vom zugrundeliegende Sachverhalt habe sich so wesentlich geändert, daß eine Bauführung aufgrund dieses Bescheides nicht mehr möglich und damit unzulässig geworden sei. Aus diesem Grunde sei eine Vorgangsweise gemäß § 33 der Kärntner Bauordnung 1992 ausgeschlossen. Die Mauern und Mauerreste seien nicht mehr als "Gebäude" im baurechtlichen Sinn zu qualifizieren. Die Beseitigung der Gebäudeteile sei im Sinne des § 43 Abs. 1 in Verbindung mit § 41 der Kärntner Bauordnung 1992 u.a. im Hinblick darauf geboten, daß eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden könne.

In seiner dagegen erstatteten Vorstellung verwies der Beschwerdeführer auf die 1984 erteilte Baubewilligung, durch welche zum Ausdruck gebracht worden sei, daß die Instandsetzung noch möglich sei, da sonst ein Abbruchsauftrag zu erteilen gewesen wäre. Daher sei lediglich ein Vorgehen gemäß § 33 der Kärntner Bauordnung 1992 möglich. Es sei nur zu verhindern, daß Außenstehende diese Baustelle beträten. Eine solche Sicherungsmaßnahme könne in einem einfachen Zaun bestehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die im Akt enthaltenen Fotos zeigten, daß die Mauern auf einer Längsseite bis ca. auf die Hälfte eingestürzt seien. Daß diese Restmauern total durchfeuchtet seien, ergebe sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen der Baupolizei, die am angefertigten Lichtbilder ließen erkennen, daß die Umfassungsmauern im oberen Bereich lose Mauerteile aufwiesen, welche durch Herabstürzen die Sicherheit und Gesundheit von Personen zu gefährden geeignet seien. Es liege kein begonnenes und daher unter § 33 der Kärntner Bauordnung fallendes Bauvorhaben vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Landeshauptstadt, eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Verwaltungsbehörden stützten den Beseitigungsauftrag auf § 43 der Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64 (BO); diese Bestimmung befindet sich neben den §§ 41 - Erhaltungspflicht - und 42 - Instandsetzung - im 11. Abschnitt der Kärntner Bauordnung ("Sicherheitsvorschriften").

§ 43 lautet:

"(1) Erfordern es Interessen der Sicherheit oder der Gesundheit, hat die Behörde gegenüber dem Eigentümer die Beseitigung von Gebäuden, Gebäudeteilen, sonstigen baulichen Anlagen oder Teilen von solchen sowie von Maschinen (§ 4 lit. i) oder den Austausch von verbotenen Baustoffen (§ 26 Abs. 2) zu verfügen.

(2) Die Bestimmungen der § 16 Abs. 7, 26, 27, 30, 32, 34 bis 36, 37 Abs. 1 und 42 Abs. 2 gelten sinngemäß."

Der Beschwerdeführer machte in seinen für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Ausführungen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde nur geltend, daß aufgrund der rechtskräftig erteilten Baubewilligung vom ausschließlich eine Verletzung der Ausführungspflicht in Betracht komme, weshalb ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, daß allenfalls ein Fertigstellungsauftrag im Sinne des § 33 zu erlassen sei. Diese Bestimmung, die sich im 8. Abschnitt der Kärntner Bauordnung 1992 ("Ausführung") befindet, lautet:

"Ausführungspflicht

(1) Werden Vorhaben nicht binnen angemessener Frist nach Beginn der Ausführung vollendet, hat die Behörde gegenüber dem Inhaber der Baubewilligung die weitere Ausführung zu verfügen, soweit dies Interessen der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, der Zivilisation, der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Schutzes des Ortsbildes erfordern.

(2) Die Bestimmungen des § 31 Abs. 4 und 5 gelten sinngemäß."

Beiden Bestimmungen ist somit gemeinsam, daß Interessen der Sicherheit und der Gesundheit einen derartigen Auftrag rechtfertigen, sodaß es zunächst darauf ankommt, ob solche Interessen bestehen. Aufgrund der oben wiedergegebenen Stellungnahme vom und der im Akt erliegenden Fotos vom ergibt sich unzweifelhaft, daß die Außenmauern an einer Längsseite ca. bis zur Hälfte eingestürzt sind, daß die Zwischenwände zu einem erheblichen Teil nicht mehr existieren, daß das Dach sowie die Decke des ersten Stockwerkes und des Erdgeschoßes fehlen. Weiters ist erkennbar, daß die Außenwände im oberen Bereich lose Mauerteile aufweisen, welche herabzustürzen drohen. Die daraus resultierenden Gefahren sind offenkundig und werden vom Beschwerdeführer nicht mehr in Abrede gestellt, wenn er in seiner Replik einerseits zwar die Interessen der Sicherheit und Gesundheit von Personen als strittige Frage bezeichnet, andererseits aber die Frage der Zuordnung zu § 33 oder § 43 BO als eigentlichen Kern seiner Beschwerde bezeichnet.

Auch wenn die Kärntner Bauordnung keine Bauvollendungsfrist kennt, erhebt sich zunächst die Frage, ob eine im Zusammenhang mit der Ausführung eines Vorhabens anzuwendende Bestimmung, wie jene des § 33 Abs. 1 BO, rund neun Jahre nach Erteilung der Baubewilligung überhaupt noch Anwendung finden kann. Selbst wenn man die seinerzeit festgestellten Arbeiten am Objekt als Beginn der Ausführung anerkennt (seinerzeit § 16 Abs. 1, nunmehr § 19 Abs. 1 BO), kommt eine Ausführung des am bewilligten Projektes aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Änderung der Verhältnisse nicht mehr in Betracht. Das Projekt sah eine Erneuerung des Dachstuhls sowie der beschädigten Decken- bzw. Fußbodenkonstruktionen vor; den Färbelungen im Einreichplan sind Veränderungen nur bei wenigen Innenwänden zu entnehmen. Wenn nunmehr feststeht, daß Teile der Außenwände eingestürzt sind, könnte mit dieser Baubewilligung nicht mehr das Auslangen gefunden werden. Wie auch ein einfacher Vergleich der Fotos aus 1984 mit jenen aus 1992 zeigt, fußte die Baubewilligung aus 1984 auf ganz anderen Gegebenheiten als sie nunmehr vorliegen. Das Vorhaben, wie es mit Bescheid vom bewilligt wurde, ist ohne weitere Baubewilligung nicht verwirklichbar, weshalb eine Anwendung des § 33 Abs. 1 BO nicht in Betracht kommt.

Aufgrund des gegebenen Zustandes des Gebäuderestes haben die Verwaltungsbehörden vielmehr zu Recht als Sicherheitsmaßnahme dessen Beseitigung angeordnet. Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 BO, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist schon immer dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur gegenüber einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/05/0051, BauSlg. Nr. 717, ergangen zur Wiener Bauordnung). Da nach den gegebenen Verhältnissen eine Instandsetzung (§ 4 lit. e BO) nach § 42 BO nicht mehr in Betracht kommt, weil wesentliche Bauteile und die damit verbundene Baubewilligung untergegangen sind, kann den Interessen der Sicherheit und Gesundheit nur durch Beseitigung der noch vorhandenen Gebäudereste Rechnung getragen werden.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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Normen
BauO Krnt 1992 §33 Abs1;
BauO Krnt 1992 §4 lite;
BauO Krnt 1992 §42;
BauO Krnt 1992 §43 Abs1;
BauRallg;
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1994050165.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAE-55722