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VwGH vom 15.05.1991, 91/02/0002

VwGH vom 15.05.1991, 91/02/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. VerkR-13.487/1-1990-II/M, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Erstbehörde vom wurde über den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 42 Abs. 1 erster Halbsatz StVO eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am um 20.00 Uhr an einem bestimmten Ort als Lenker eines Lastkraftwagens mit Anhänger das Fahrverbot am Samstag (15.00 Uhr bis 24.00 Uhr) nicht eingehalten habe.

Am nahm die Erstbehörde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift auf. Im Formularvordruck wurde von den Alternativen "Einspruch/Berufung" die erstere angehakt, von den folgenden Varianten

"a) weil ich mich aus nachstehenden Gründen nicht schuldig fühle:

b) weil mir das Strafausmaß aus nachstehenden Gründen zu hoch bemessen erscheint:"

die Variante b). Weiters wurde folgende Begründung festgehalten:

"Beim Lkw trat um ca. 14.30 Uhr ein Defekt auf (Kardanwelle war gebrochen). Ich war gerade auf der Heimfahrt und reparierte daher den Lkw an Ort und Stelle. Nach Beendigung der Reparaturarbeiten setzte ich dann um ca. 19.30 Uhr die Fahrt fort und wollte den Lkw samt Tiefladeanhänger zu Hause abstellen. Ich hatte dabei nur noch fünf Kilometer zurückzulegen. Ich ersuche daher, die Strafe herabzusetzen.

Nachsatz: Der Defekt am Lkw trat vor einem Feuerwehr-Depot in R. auf. Ich konnte daher den Lkw samt Tiefladeanhänger nicht dort stehen lassen und hatte auch auf der Strecke zu mir nach Hause keine Gelegenheit dazu."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der belangte Landeshauptmann dem "Einspruch gegen das Strafausmaß (Berufung)" keine Folge; die mit der genannten Strafverfügung verhängte Strafe wurde bestätigt.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weil der Landeshauptmann - und nicht die Landesregierung (vgl. Art. 101 Abs. 1 B-VG) - in einer Angelegenheit der Straßenpolizei (Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG) entschieden hat, obwohl die Vollziehung Landessache ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0238).

Aber auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Unzuständigkeit der belangten Behörde treffen im Ergebnis zu:

Gemäß § 49 Abs. 2 VStG (in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) ist der Einspruch, wenn mit ihm ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen wird, als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 90/03/0124, ausgesprochen, daß es für die Beurteilung der Frage, ob eine gegen eine Strafverfügung gerichtete Eingabe als Einspruch im Sinne des § 49 Abs. 1 VStG oder als Berufung gemäß § 49 Abs. 2 VStG zu werten ist, nicht allein auf die Bezeichnung der Eingabe ankommt, sondern daß der Inhalt dieses Rechtsmittels in der Gesamtheit dafür maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, daß der Bestrafte auch den Schuldspruch bekämpft hat. Entsprechendes gilt auch für den Beschwerdefall eines mündlichen Einspruches.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die erwähnten Anhakungen seien durch den vernehmenden Beamten erfolgt, er selbst hätte weder hievon Kenntnis noch die Möglichkeit gehabt, auf die Kennzeichnung Einfluß zu nehmen, ist zu bemerken, daß er die Niederschrift vom durch Beisetzung seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigt hat (§ 14 Abs. 3 AVG). Daß die Anhakungen erst danach erfolgt wären, behauptet er selbst nicht.

Betrachtet man zunächst die angehakten Vordruckteile, so spricht die Bezeichnung des Wortes "Einspruch" für, die Bezeichnung der Textvariante "b" gegen den Standpunkt des Beschwerdeführers. Der erste Absatz der festgehaltenen Begründung, der mit dem Ersuchen um Herabsetzung der Strafe endet, deutet noch auf eine Strafberufung hin. Der Formulierung dieses "Ersuchens" kommt keine entscheidende Bedeutung bei, weil es in einem Einspruch keines Antrages bedarf und auch dann, wenn Schuld und Strafe bekämpft werden, keine Verpflichtung besteht, die Einstellung des Verfahrens zu beantragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/03/0134).

Aus dem zweiten Absatz der Begründung ("Nachsatz") geht aber ausreichend deutlich hervor, daß der Beschwerdeführer die Vorwerfbarkeit des ihm angelasteten Verhaltens bestritt und die Strafverfügung als solche für rechtswidrig erachtete, indem er ins Treffen führte, er habe nach erfolgter Reparatur den Platz vor einem Feuerwehrdepot räumen müssen und auf der in der Folge zurückgelegten Strecke keine Abstellgelegenheit gehabt. Eine Prüfung der Argumentation des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Verfahren nicht vorzunehmen; für dieses ist nur von Bedeutung, daß er nach dem in seiner Gesamtheit betrachteten Inhalt des mündlichen Einspruches auch den Schuldspruch bekämpfte.

Eine Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ist somit auch darin gelegen, daß diese den Einspruch des Beschwerdeführers als Berufung im Sinne des § 49 Abs. 2 VStG wertete und eine Berufungsentscheidung fällte.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Für einen gesonderten Zuspruch des verzeichneten Aufwandes an Kopien und Porti neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand gibt es keine Rechtsgrundlage.