VwGH vom 22.11.1999, 96/17/0432

VwGH vom 22.11.1999, 96/17/0432

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-8132/4-1996, betreffend Vorschreibung einer Kanalerweiterungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Zirl, 6170 Zirl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom wurde der Beschwerdeführerin eine Kanalerweiterungsgebühr in der Höhe von S 28.384,40 vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer dagegen erhobenen Berufung im Wesentlichen vor, sie habe am den Betrag von S 85.153,20 als einmalige Kanalanschlussgebühr bezahlt. Sie habe danach als Anrainerin eines "großen Kanalbauhof-Betriebes" unter Schwerlasterverkehr, Gestank, Lärm und Staub und dem "Krach" überdimensionaler, steinbrechender "Super-Maschinen" gelitten; dies sei als ihr Beitrag zu betrachten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht statt gegeben.

Rechtsfreundlich vertreten beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie brachte in Ergänzung der Berufung noch vor, die Gebührenordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom sei gesetzwidrig. Dessen ungeachtet sei die Fälligkeit der vorgeschriebenen Abgabe nicht gegeben, da nach dem Bescheidinhalt ein Baubeginn der Verbandskläranlage noch nicht erfolgt sei.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei wies als Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid "vollinhaltlich". In diesem Bescheid wurde unter anderem ausgeführt, dass der Anspruch auf Vorschreibung und die Pflicht zur Entrichtung einer Kanalerweiterungsgebühr gemäß § 2 Abs. 1 und 3 der Gebührenordnung für die Abwasserbeseitigung der mitbeteiligten Marktgemeinde ein Jahr nach Baubeginn der Verbandskläranlage entstehe; der Baubeginn der Verbandskläranlage sei im August 1994 gewesen.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führte die Beschwerdeführerin unter anderem aus, die Fälligkeit für die Kanalerweiterungsgebühr trete ein Jahr nach Baubeginn der Verbandskläranlage ein; dem Berufungsbescheid sei zwar zu entnehmen, dass dieser Baubeginn im August 1994 gewesen sei, doch sei der tatsächliche Baubeginn aus der Aktenlage nicht ersichtlich, so dass die Fälligkeit nicht nachvollziehbar bzw. nicht gegeben sei.

Die belangte Behörde forderte mit Schreiben vom (unter anderem) von der mitbeteiligten Partei einen Nachweis über den tatsächlichen Baubeginn der Verbandskläranlage an. Die mitbeteiligte Partei übermittelte hierauf eine Baubeginnmeldung per (in Ablichtung). Mit Schreiben vom brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin (z.H. deren ausgewiesenen Rechtsfreunde) diese Urkunde zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von zehn Tagen hiezu Stellung zu nehmen. Diese Frist verstrich ungenützt.

Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Sie ging dabei davon aus, dass nach der Baubeginnmitteilung der Baubeginn der Verbandskläranlage am erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich erkennbar dadurch beschwert, dass die belangte Behörde eine Verfahrensergänzung durch Einholung der Baubeginnsmeldung vorgenommen hat.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht teilgenommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 der Gebührenordnung für die Abwasserbeseitigung der Marktgemeinde Zirl vom lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 2

Entstehen der Kanalanschlussgebühr und Kanalerweiterungsgebühr

1. Die Marktgemeinde Zirl erhebt zur Deckung der Kosten für die Errichtung und Erweiterung der Abwasserbeseitigungsanlagen eine Kanalanschlussgebühr und eine Kanalerweiterungsgebühr.


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2.
...
3.
Die Pflicht zur Entrichtung der Kanalerweiterungsgebühr entsteht ein Jahr nach Baubeginn der Verbandskläranlage.
4.
...
5.
Die Kanalanschlussgebühr und die Kanalerweiterungsgebühr werden bescheidmäßig vorgeschrieben und sind binnen einem Monat nach Zustellung der Vorschreibung fällig."
Gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4/1996, hat die Landesregierung den Bescheid eines Gemeindeorganes, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan zu verweisen. Dieses ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides vor, das Vorstellungsverfahren sei nicht dazu da, in der Sache selbst zu entscheiden, sondern über die Rechtmäßigkeit des gemeindebehördlichen Bescheides; Sache der Vorstellungsbehörde sei es gewesen darüber zu befinden, ob subjektive Rechte des Vorstellungswerbers (der Beschwerdeführerin), insbesondere das Parteiengehör durch die Entscheidung des Gemeindevorstandes verletzt worden seien. Da weder im erstinstanzlichen noch im zweitinstanzlichen Verfahren im Akt irgendwo eine Unterlage oder ein Hinweis enthalten gewesen sei, dass eine Baubeginnsmeldung vorgelegen habe oder eine Feststellung über einen tatsächlichen Baubeginn getroffen worden sei, sei die Feststellung im Berufungsbescheid betreffend den Baubeginn der Verbandskläranlage "aktenwidrig" gewesen. Die Vorstellungsbehörde hätte diesbezüglich keine Verfahrensergänzung vorzunehmen gehabt; dass sie dies dennoch getan habe, begründe die Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides.
Es trifft zu, dass im erstinstanzlichen Bescheid eine (ausdrückliche) Feststellung über den Baubeginn der Verbandskläranlage fehlt. In ihrem Vorlageantrag hat die Beschwerdeführerin in Ergänzung ihrer Berufung die Fälligkeit der Kanalerweiterungsgebühr unter Hinweis auf die Bestimmung des § 2 Abs. 3 der Kanalgebührenordnung bestritten.
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat eine ausdrückliche Feststellung über den Baubeginn der Verbandskläranlage getroffen. Sie hat jedoch nicht angeführt, woher sie das Wissen für ihre Feststellung erlangt hat; ein diesbezüglicher Hinweis ist auch dem Akteninhalt nicht entnehmbar.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Vorstellung die Richtigkeit der Feststellung der Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht bezweifelt; sie hat nur ausgeführt, dass der tatsächliche Baubeginn aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei. Wenn die belangte Behörde nun im Rahmen der ihr durch § 112 Abs. 5 Tiroler Gemeindeordnung 1966 aufgegebenen Pflicht zu überprüfen, ob Rechte des Einschreiters durch den mit Vorstellung bekämpften Bescheid verletzt werden, zur Klärung der behaupteten Rechtsverletzung Erhebungen durchgeführt hat, so kann darin der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit des vor ihm bekämpften Bescheides erkennen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nämlich Aufgabe der Vorstellungsbehörde, wenn der Sachverhalt auf Gemeindeebene nicht hinreichend geklärt wurde, das Ermittlungsverfahren selbst durchzuführen, wenn sie den Bescheid der obersten Gemeindeinstanz nicht (zur Verfahrensergänzung) aufhebt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0304, mwN).
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin vor, eine "objektive Feststellung" über den tatsächlichen Baubeginn lasse sich auch nicht aus der von der Vorstellungsbehörde vorgenommenen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens entnehmen; die Baubeginnmeldung vom sage nichts darüber aus, ob am tatsächlich der Baubeginn erfolgt sei.
Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde auf Grund der erwähnten Baubeginnmeldung davon ausgegangen ist, dass mit dem Bau der Verbandskläranlage - wie geplant - tatsächlich am begonnen wurde. Eine ausdrückliche gegenteilige Behauptung wurde und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgestellt, so dass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ersichtlich ist.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am