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VwGH vom 30.08.1999, 96/17/0429

VwGH vom 30.08.1999, 96/17/0429

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. B u.a., Rechtsanwälte in R, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 7-481-75/96-2, betreffend Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde vom (in der Fassung der Berichtigung vom ) wurde die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 940/3 einer näher bezeichneten Katastralgemeinde "mit dem darauf errichteten Wohnobjekt" verpflichtet, die Schmutzwässer über die Kanalanlage der mitbeteiligten Partei abzuleiten. Dieser Bescheid erwuchs nach dem Akteninhalt in Rechtskraft.

Mit dem Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Partei vom wurde der Beschwerdeführerin ein Kanalisationsbeitrag in der Höhe von S 198.191,95 vorgeschrieben. Dem Bescheid wurde ein Erdgeschoß und ein Obergeschoß jeweils im Ausmaß von 278,30 m2 sowie erkennbar ein Dachgeschoß im selben Umfang, eine angebaute Garage von 651,90 m2 sowie Nebengebäude von 76,30 m2 (Dachgeschoß, Garage und Nebengebäude wurden mit dem halben Flächenausmaß in die Bemessungsgrundlage einbezogen) sohin insgesamt 1.059,85 m2 zu Grunde gelegt. Dies ergebe bei einem Einheitssatz von S 170,--/m 2 zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer den erwähnten Betrag von S 198.191,95.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung vom bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass auf dem Grundstück Nr. 940/3 mit Baubewilligung aus dem Jahr 1957 ein Gebäude im Ausmaß von ca. 10 x 19 m in zweigeschossiger Ausführung errichtet worden sei. In der Folge seien daran vier Zubauten in den Jahren 1960 bis 1980 errichtet worden, davon einer auf dem anrainenden Grundstück Nr. 942/3. Diese Zubauten dienten als Werkstätten zur Ausübung des Kraftfahrzeugmechanikerhandwerkes, Lager- und Ausstellungsräume. Sie stünden mit dem ursprünglichen Bauwerk mit Stahltüren in Verbindung. In allen Zubauten befänden sich weder Wasserentnahmemöglichkeiten, noch Abflüsse, Schmutzwässer fielen nicht an. Die Niederschlagswässer aller Objekte würden auf eigenem Grund zur Versickerung gebracht. Hinsichtlich der Zubauten bestünde somit keine Anschlussverpflichtung, weshalb die auf diese Zubauten entfallende Erhöhung der Grundlage für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages nicht gerechtfertigt sei.

Überdies sei das Dachgeschoß bezogen auf die Geschoßfläche lediglich ca. zur Hälfte ausgebaut und für Wohnzwecke geeignet. Davon ausgehend hätte die Behörde nur die tatsächlich bewohnbare Fläche des Dachgeschosses zum Hälftesatz der Berechnungsgrundlage hinzuzählen dürfen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei wies mit Bescheid vom (auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom ) die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Das "verfahrensgegenständliche Bauobjekt" sei "rechtskräftig" an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen; die vier Zubauten bildeten mit dem Haupthaus eine bauliche Einheit, so dass es unerheblich sei, ob in den erwähnten Anbauten Wasserentnahmemöglichkeiten oder Abflüsse bestünden oder nicht. Dachgeschosse seien unabhängig von ihrem Verwendungszweck bzw. ihrem Ausbaugrad grundsätzlich zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Zugleich mit dem erwähnten Berufungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführerin ein gleichfalls mit datierter Bescheid zugestellt, in dem der erstinstanzliche Bescheid vom von der Behörde erster Instanz hinsichtlich der in die Bemessungsgrundlage einzubeziehenden Flächen dahingehend berichtigt wurde, dass für das Erdgeschoß, das Obergeschoß und das Dachgeschoß von einer Fläche von jeweils 202 m2 (einzubeziehen für das Dachgeschoß 101 m2) auszugehen sei; danach ergebe sich ein Kanalisationsbeitrag bei einer anrechenbaren Fläche von 869,10 m2 in der Höhe von S 162.521,70.

Mit Berufung vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den Berichtigungsbescheid. Nach der Aktenlage ist über diese Berufung noch nicht entschieden.

Mit Vorstellung, gleichfalls vom , wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Vorschreibung des Kanalisationsbeitrages in der Höhe von S 198.191,95. Sie führte darin ergänzend zu ihrem Berufungsvorbringen aus, dass für Bauwerke desselben Grundstückseigentümers, die mit dem anschlusspflichtigen Bauwerk in unmittelbarer baulicher Verbindung stünden oder eng benachbart seien, nur dann eine Anschlussverpflichtung an das Kanalnetz bestünde, falls in diesen Schmutz- oder Regenwässer anfielen. Da dies hinsichtlich der Zubauten nicht der Fall sei, bestünde auf dieser rechtlichen Grundlage keine Anschlussverpflichtung, weshalb auch die auf die Zubauten entfallende "Erhöhung der Grundlage" für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages nicht gerechtfertigt sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, es sei vom Vorliegen eines einheitlichen Bauwerkes und nicht mehrerer selbstständiger Gebäude auszugehen. Dafür sprächen vor allem die einigen Gebäudeteilen gemeinsame tragende Wand sowie die bauliche Gestaltung, die eine ineinander greifende betriebliche Nutzung zulasse. Da vom Bestehen einer Anschlusspflicht auszugehen sei, seien auch die Zubauten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dadurch, dass die Abgabenbehörden die Zubauten nur mit einem Hälftesatz (ausgedrückt durch die Zugrundelegung der halben Fläche) in die Bemessungsgrundlage einbezogen hätten, sei die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als das Steiermärkische Kanalgesetz und das Steiermärkische Kanalabgabengesetz unrichtig angewendet worden seien, so dass bei der Berechnung der die Grundlagen des vorgeschriebenen Kanalisationsbeitrages bildenden Gebäudefläche ein falsches, weil überhöhtes, Ergebnis erzielt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Gemeinde hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren

nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist vom Steiermärkischen Kanalgesetz 1988, LGBl. Nr. 79/1988. Die für die Beurteilung des Beschwerdefalles in Betracht kommenden Bestimmungen der Abs. 1 und 5 des § 4 leg. cit. lauten wie folgt:

"(1) In Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, sind die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluss in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf Bauwerke desselben Grundstückseigentümers, die mit dem anschlusspflichtigen Bauwerk in unmittelbarer baulicher Verbindung stehen oder ihm eng benachbart sind und wenn Schmutz- oder Regenwässer anfallen (Hof- und sonstige Nebengebäude). ...

(5) Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 sind von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Gleiches gilt für Regenwässer, wenn ihre Versickerung auf dem eigenen Grundstück möglich ist oder sie als Betriebsmittel (z.B. zur Bodenbewässerung) Verwendung finden. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen sind mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen."

Nach § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71/1955 idF LGBl. Nr. 80/1988, ist der Kanalisationsbeitrag einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiet zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht.

Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 leg. cit. aus dem mit der verbauten Grundfläche (in m2) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz, wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden;

Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl nach dem Flächenausmaß eingerechnet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0100, mwN) erkennt, entfaltet ein die Anschlusspflicht feststellender Bescheid Bindungswirkung für die Abgabenbehörden.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Abgabenbehörden hätten das Vorliegen einer Ausnahme im Sinne des § 4 Abs. 5 des Steiermärkischen Kanalgesetzes zu berücksichtigen gehabt. Dem ist zu entgegnen, dass eine solche Ausnahme von der Anschlussverpflichtung die Erlassung eines entsprechenden Bescheides der Baubehörde voraussetzt. So lange ein solcher - wie im Beschwerdefall unbestritten - nicht existiert, stehen der Beurteilung der Anschlusspflicht durch die Abgabenbehörden die von der Beschwerdeführerin behaupteten Tatsachen nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0067, sowie das bereits erwähnte Erkenntnis vom ).

Soweit die Beschwerdeführerin also davon ausgeht, eine Anschlusspflicht hinsichtlich der Zubauten bestünde nicht, ist auf die insoweit bindende Feststellung der Anschlusspflicht durch den Bescheid vom sowie den Umstand zu verweisen, dass ein Bescheid, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 des Steiermärkischen Kanalgesetzes ausgesprochen würde, nicht existiert.

Mit dem bereits erwähnten Bescheid vom wurde die Kanalanschlussverpflichtung für die Liegenschaft rechtskräftig ausgesprochen, auf der sich - auch nach dem Beschwerdevorbringen - das die Kanalanschlusspflicht auslösende Wohnobjekt befindet; überschreiten nun die Zubauten im Rahmen eines - wie im Beschwerdefall - in der Natur klar erkennbaren einheitlichen Gebäudekomplexes die Grundstücksgrenzen, so kann nicht zweifelhaft sein, dass sich die bescheidmäßig ausgesprochene Kanalanschlussverpflichtung auf den gesamten Gebäudekomplex beziehen sollte.

Auf die Einbeziehung des Dachgeschosses in die der Anschlussgebühr zugrunde zu legende Berechnungsfläche kommt die Beschwerdeführerin nicht mehr zurück, so dass es hiezu genügt, auf die zutreffende Begründung der Verwaltungsbehörden zu verweisen.

Dessen ungeachtet kommt der Beschwerde auf Grund folgender Erwägungen Berechtigung zu:

Die Vorstellungsbehörde hat außer Acht gelassen, dass die Berufungsbehörde die Berufung ausgehend von jener Berechnungsfläche abgewiesen hat, die die Behörde erster Instanz in ihrem unberichtigten Bescheid festgesetzt hat, und nicht ausgehend von der geringeren Fläche im Berichtigungsbescheid. Sie wäre daher verpflichtet gewesen, das richtige Berechnungsflächenausmaß begründet festzustellen. Die Vorstellungsbehörde hat daher den angefochtenen Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, als sie diesen Fehler des Berufungsbescheides außer Acht gelassen hat.

Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am