VwGH vom 26.02.2001, 96/17/0424

VwGH vom 26.02.2001, 96/17/0424

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R G in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien,

An der Hülben 1/12, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. II-1514/10-1994, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung i.A. Müllabfuhrbenützungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Burgenländischer Müllverband, 7350 Oberpullendorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird zur Gänze (also auch hinsichtlich des Spruchpunktes I) infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Verbandsobmannes und des Verbandsobmannstellvertreters des Burgenländischen Müllverbandes vom wurde dem Beschwerdeführer ein Benützungsbeitrag in der Höhe von S 1.003,20 vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer die mit datierte und am beim Burgenländischen Müllverband eingelangte Berufung ein.

Der Verbandsobmann und der Verbandsobmannstellvertreter des Burgenländischen Müllverbands wiesen mit Bescheid vom die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom als verspätet gemäß § 203 Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 2/1963, zurück. Der Bescheid vom sei durch Hinterlegung am zugestellt worden. Die Berufungsfrist habe daher am geendet. Das erst am zur Post gebrachte Berufungsschreiben sei daher verspätet. Dieser Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer (durch Hinterlegung) am (Beginn der Abholfrist) zugestellt.

Mit Aktenvermerk vom ist der Inhalt eines Telefonanrufes des Beschwerdeführers festgehalten; danach könne das Hinterlegungsdatum () nicht zutreffen, da der Bescheid vom erst am abgesandt worden sei. Der Beschwerdeführer habe den Bescheid am von der Post abgeholt. Eine - offenbar vom Burgenländischen Müllverband durchgeführte - Recherche bei der Post habe ergeben, dass das Hinterlegungsdatum auf dem Rückschein verschrieben sein dürfte und lauten müsste.

Mit dem als "Berufungsvorentscheidung" bezeichneten Bescheid des Verbandsobmanns und der Verbandsobmannstellvertreter des Burgenländischen Müllverbands vom wurde hieraufhin der gegen den Bescheid des Verbandsobmanns und des Verbandsobmannstellvertreters vom eingebrachten "telefonischen Berufung" Folge gegeben und dieser angefochtene Bescheid aufgehoben. Begründend führte die Behörde aus, dass das Schriftstück (der Bescheid vom ) am beim Postamt eingelangt sei; der Zustellversuch habe daher nicht am erfolgen können, ebenso nicht die Hinterlegung des Schriftstückes beim Postamt. Es sei daher "mit Sicherheit anzunehmen, dass das Datum ... auf dem Rückschein verschrieben" worden sei und - richtig - lauten müsste. Die Berufung sei daher als rechtzeitig anzusehen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (durch Hinterlegung) am (Beginn der Abholfrist) zugestellt.

In der Folge wies die Berufungskommission des Burgenländischen Müllverbandes mit Bescheid vom die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Die belangte Behörde behob in ihrem Bescheid vom den Bescheid der Berufungskommission des Burgenländischen Müllverbandes vom (Spruchpunkt I) und wies die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den erwähnten Bescheid der Berufungskommission als unzulässig zurück (Spruchpunkt II). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Bescheid vom , mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen worden war, habe die Rechtsmittelbelehrung enthalten, dass dagegen binnen einem Monat ab Zustellung schriftlich oder telegraphisch das Rechtsmittel der Berufung eingebracht werden könne. Innerhalb der einmonatigen Frist sei vom Beschwerdeführer weder schriftlich noch telegraphisch "ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht" worden. Die (telefonische) Mitteilung, dass das Hinterlegungsdatum nicht stimme (Aktenvermerk vom ) sei nicht als solcher Antrag anzusehen, da sie nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form eingebracht worden sei. Dementsprechend sei die Abgabenbehörde erster Instanz nicht berechtigt gewesen, ihre "Berufungsvorentscheidung" (vom ) infolge einer "telefonisch eingebrachten Berufung" mit einer "neuerlichen Berufungsvorentscheidung" (vom ) aufzuheben.

Es sei somit gegen die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet kein Rechtsmittel erhoben worden und somit diese Entscheidung vom in Rechtskraft erwachsen; die Berufungskommission sei daher infolge "Vorliegens einer entschiedenen Sache" nicht berechtigt gewesen, in einem Berufungsbescheid über die Müllabfuhrbeiträge abzusprechen. Dies bedeute, dass der im Vorstellungswege bekämpfte Bescheid der Berufungskommission des Burgenländischen Müllverbandes vom rechtswidrig und daher von der Burgenländischen Landesregierung als Oberbehörde von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben gewesen sei. Aus dem Bescheid der Berufungskommission sei nämlich niemandem ein Recht erwachsen, da die Müllabfuhrbeiträge bereits mit erstinstanzlichem Bescheid vom vorgeschrieben und infolge der (rechtskräftigen) Zurückweisung der Berufung mit Bescheid vom rechtskräftig bestimmt worden seien. Durch den vor der Vorstellungsbehörde bekämpften Berufungsbescheid sei daher niemandes Rechtsstellung günstiger gestaltet worden. Weil der Beschwerdeführer - so die Begründung zu Spruchpunkt II - zwar gegen den Bescheid des Verbandsvorstandes und des Verbandsobmannstellvertreters des Burgenländischen Müllverbandes vom Berufung erhoben habe, nicht jedoch gegen die "Berufungsvorentscheidung des Verbandsvorstandes und des Verbandsobmannstellvertrers" des Burgenländischen Müllverbandes vom , habe er den administrativen Instanzenzug nicht ausgeschöpft, weshalb dies einer vorstellungsbehördlichen Entscheidung entgegen stehe.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , B 2563/96-3, die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seiner - ergänzten - Beschwerde dem Inhalt seines Vorbringens nach erkennbar durch die Zurückweisung seiner Vorstellung beschwert (vgl. Seite 5 der Beschwerdeergänzung); er beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie der mitbeteiligte Burgenländische Müllverband eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 Abs. 1 des Gesetzes vom betreffend die Abfuhr und Beseitigung von Müll und die Bildung eines Müllverbandes (Müllgesetz 1980), LGBl. für das Burgenland Nr. 15, bzw. nach § 42 Abs. 1 des Gesetzes vom über die Vermeidung, Sammlung, Beförderung und Behandlung von Abfällen (Burgenländisches Abfallwirtschaftsgesetz 1993), LGBl. Nr. 10/1994, bilden die Gemeinden des Burgenlandes einen Gemeindeverband mit der Bezeichnung "Burgenländischer Müllverband" mit dem Sitz in Oberpullendorf. Gemäß § 1 LAO gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes in Angelegenheiten (lit. b) der nicht bundesrechtlich geregelten Beiträge an öffentlich Fonds oder an Körperschaften des öffentlichen Rechtes, die nicht Gebietskörperschaften sind, soweit diese Beiträge unbeschadet auf ihrem Gebiete bestehender bundesrechtlicher Vorschriften von (unter anderem) Gemeindeverbänden zu verwalten sind und nicht Abgabenbehörden des Bundes (§ 52 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) einzuschreiten haben.

Der Gemeindeverband "Burgenländischer Müllverband" hat daher bei der Einhebung seiner Beiträge - worauf die Gegenschriften zur Beschwerde zutreffend verweisen - die LAO (und nicht das AVG) anzuwenden.

Nach § 189 Abs. 1 LAO ist gegen Bescheide, welche die Abgabenbehörden erster Instanz erlassen, als Rechtsmittel die Berufung gegeben, soweit nicht in Abgabenvorschriften ein Rechtsmittel für unzulässig erklärt wird.

Die Berufung muss gemäß § 195 LAO die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet (lit. a), die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (lit. b), die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (lit. c) und eine Begründung (lit. d), enthalten.

§ 62 Abs. 1 bis 3 LAO lautet (auszugsweise):

"A. Anbringen

§ 62. (1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, ... Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

(2) Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

(3) Die Abgabenbehörde hat mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen


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a)
wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen oder
b)
wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist oder
c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann.
..."
Die Abgabenbehörde erster Instanz hat gemäß § 203 Abs. 1 leg. cit. eine Berufung, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde (lit. b).
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung darauf gestützt, gegen den Bescheid vom , mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde, sei ein Rechtsmittel nicht erhoben worden, weshalb dieser in Rechtskraft erwachsen sei.
Sie übersieht dabei jedoch, dass der diesen Bescheid vom behebende Bescheid vom rechtswirksam erlassen wurde, in Rechtskraft erwuchs und damit für das weitere Verfahren bindend war. Die belangte Behörde verkennt, dass aus dem Umstand, dass ihrer Auffassung nach die Behörde wegen des vermeintlichen Fehlens einer tauglichen Berufung nicht berechtigt gewesen wäre, den Bescheid vom zu beheben, nicht gefolgert werden darf, dass diese Aufhebung nicht wirksam geworden wäre und ungeachtet dessen von der Unterlassung eines Rechtsmittels ausgegangen werden dürfe. Daraus folgt aber, dass die Berufungsvorentscheidung vom nicht wirkungslos geblieben ist; sie hat vielmehr den Bescheid vom beseitigt, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen worden war. Die Berufungsbehörde war daher an einer Entscheidung in der Sache - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht durch den Bescheid vom gehindert.
Die belangte Behörde hat dies auf Grund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung nicht erkannt, weshalb der angefochtene Bescheid - wegen des untrennbaren Zusammenhanges auch hinsichtlich Spruchpunkt I - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Eine Rechtsgrundlage für einen Zuspruch von Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof besteht nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/03/0304), weshalb das diesbezügliche Kostenbegehren ebenso wie jenes betreffend den Ersatz von - bereits im Schriftsatzaufwand enthaltener - Umsatzsteuer abzuweisen war.
Wien, am