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VwGH vom 27.11.2000, 96/17/0422

VwGH vom 27.11.2000, 96/17/0422

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Gänserndorf in 2230 Gänserndorf, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8-1709/95, betreffend Zerlegung des Steuermessbetrages nach der Lohnsumme für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei begehrte mit ihrem Antrag vom (eingelangt beim Finanzamt für Körperschaften am ) die Festsetzung des Steuermessbetrages für die Lohnsummensteuer 1989 der ÖMV-AG. Die beschwerdeführende Gemeinde habe in der Vergangenheit dem Erdölbund (Bund der Niederösterreichischen Erdöl- und Erdgasgemeinden) angehört, der für die Mitgliedsgemeinden die interne Aufteilung der Lohnsummensteuer geregelt habe. Sie sei im Februar 1989 aus dem Erdölbund ausgetreten. Da trotz mehrerer Urgenzen die ÖMV-AG den internen Aufteilungsschlüssel des Erdölbundes weiter auf die beschwerdeführende Partei angewendet habe und eine Änderung nicht vorzunehmen gedenke, der angewendete Schlüssel aber nicht der Sach- und Rechtslage entspreche, werde der vorliegende Antrag gestellt. Die beschwerdeführende Partei vertrat vor allem den Standpunkt, dass ein näher bezeichnetes Areal in ihrem Bereich als (eigenständige) Betriebsstätte zu werten sei und die Löhne und Gehälter aller dort beschäftigten Arbeitnehmer als Berechnungsgrundlage der Lohnsummensteuer für die beschwerdeführende Partei herangezogen werden müssten. Die Tatsache, dass die Betriebsstätten der ÖMV-AG untereinander mit verschiedenen Rohrleitungen verbunden seien, reiche für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte nicht aus. Selbst bei der Annahme einer solchen aber müsste auf die beschwerdeführende Partei ein größerer Anteil an der Lohnsummensteuer entfallen, wie im Einzelnen näher dargelegt wird.

Aus dem in der Folge abgeführten Verfahren (vgl. die zur hg. Zl. 93/13/0252 erhobene Säumnisbeschwerde) ist die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom hervorzuheben; mit dieser wurde der erstinstanzliche Abweisungsbescheid vom ersatzlos aufgehoben. In ihrer Entscheidung vom verwies die belangte Behörde auf ein Gutachten einer näher bezeichneten Wirtschaftstreuhand-KG über die Gewerbesteuerzerlegung bei integrierten Erdöl- und Erdgasgewinnungs- Verarbeitungs- und Verteilungsbetrieben vom August 1988. Der Bund der Niederösterreichischen Erdöl- und Erdgasgemeinden habe am beim Finanzamt für Körperschaften die Festsetzung des Steuermessbetrages nach der Lohnsumme der ÖMV-AG für die Jahre 1984 bis 1988 für die in ihm zusammengeschlossenen Gemeinden beantragt; im Zuge dieses Antrages sei unter Hinweis auf das erwähnte Gutachten auf die Möglichkeit des Vorliegens einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte und deren Ausmaß hingewiesen worden. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass - zusammengefasst - das Vorliegen eines Rohrleitungssystemes eine "mehrgemeindliche Betriebsstätte" begründen könne. Dem Bescheid lässt sich weiters die Ansicht nehmen, dass dieses Gutachten Grundlage des bis 1988 (unter Einschluss der beschwerdeführenden Partei) geltenden Zerlegungsübereinkommens gewesen sei. Feststellungen betreffend die Frage des Vorliegens einer ("mehrgemeindlichen") Betriebsstätte sind dem Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde verneinte vielmehr in dem erwähnten Bescheid vom das Vorliegen einer Einigung im Sinne des § 34 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz 1953 (in der Folge: GewStG) für das Jahr 1989 unter Einschluss der beschwerdeführenden Partei; der darauf gegründete erstinstanzliche Abweisungsbeschluss sei deshalb ersatzlos aufzuheben gewesen.

In der Folge nahm das Finanzamt für Körperschaften mit Bescheid vom die Zerlegung des Lohnsummensteuermessbetrages für das Jahr 1989 vor. Die Behörde bejahte das Vorliegen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte "auf Grund des räumlichen Zusammenhanges der durch das Rohrleitungsnetz gegeben" sei. Es heißt in diesem Bescheid wörtlich:

"Im vorliegenden Fall gewinnt die ÖMV-AG in den Gebieten der 'Bundgemeinden' Erdöl und Erdgas und transportiert es durch ein im Bereich der Lagerstätten sehr dichtes Rohrleitungsnetz in ein Tanklager (Wien-Lobau) und weiter zur Raffinerie (Schwechat).

Somit stellen sich die in Rede stehenden Betriebsstätten der ÖMV-AG (Gewinnungsfeld, Tanklager Lobau und Raffinerie Schwechat) als eine in sich geschlossene wirtschaftliche Einheit dar, die infolge ihrer engen Verbindung als organisatorisch, technisch und wirtschaftlich einheitliches Ganzes angesehen werden muss.

Da sich im Gemeindegebiet von Gänserndorf Betriebseinrichtungen befinden, die der eben dargestellten wirtschaftlichen Einheit zuzurechnen sind, erstreckt sich das Gebiet der mehrgemeindlichen Betriebsstätte auch über das Gemeindegebiet von Gänserndorf, zumal Gänserndorf ja 'mitten' im Gewinnungsfeld liegt und ein Herauslösen der Gemeinde Gänserndorf begrifflich gar nicht möglich ist."

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, die in ihrem Gemeindegebiet gelegene Betriebsstätte sei als eigene Betriebsstätte zu behandeln (vgl. lit. a der Berufung). Sie verwies dazu auf die Begründungen der im Laufe des Verfahrens bereits gestellten Anträge, darunter auch auf die ihres Antrages vom . Im Übrigen befasste sie sich in ihrer Berufung mit der von ihr behaupteten Unrichtigkeit der im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommenen Zerlegung.

Sie stellte weiters den Antrag auf eine mündliche Berufungsverhandlung.

Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung vom stellte die beschwerdeführende Partei einen rechtzeitigen Vorlageantrag. Nunmehr entschied die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom über die Berufung der beschwerdeführenden Partei, wobei sie dieser teilweise Folge gab und den Steuermessbetrag nach der Lohnsumme für 1989 wie aus dem Spruch des Bescheides näher ersichtlich zerlegte. In ihrer Begründung bezog sie sich auf das bereits erwähnte Gutachten der näher bezeichneten Wirtschaftstreuhand KG; aus diesem ergebe sich, dass die ÖMV-AG in den Gebieten der "Bundesgemeinden" Erdöl- und Erdgas gewinne, dieses mittels eines im Bereich der Lagerstätten sehr dichten, vernetzten Rohrleitungssystems in ein in der Gemeinde Wien (Lobau) gelegenes Tanklager transportiere und von dort in der Folge über oberirdische und unterirdische Rohrleitungen - die Donau querend - in die Raffinerie Schwechat (Gemeinde Schwechat) zur Verarbeitung verbringe. Daraus leitete die belangte Behörde ab, dass sich die Betriebsstätten der ÖMV-AG (Gewinnungsfeld, Tanklager Lobau und Raffinerie Schwechat) als eine in sich geschlossene wirtschaftliche Einheit darstellten, die infolge ihrer engen Verbindung als organisatorisch, technisch und wirtschaftlich einheitliches Ganzes angesehen werden müsse. Die belangte Behörde bejahte daher das Vorliegen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte und begründete die unter diesem Gesichtspunkt vorgenommene Aufteilung.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Gehör dadurch verletzt, dass - entgegen dem gestellten Antrag - keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt worden sei; überdies sei sie in ihrem Recht auf richtige Festsetzung des Steuermessbetrages nach der Lohnsumme verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 1 GewStG 1953, BGBl. Nr. 2/1954 idF BGBl. Nr. 620/1981 (in der Folge: GewStG), ist der einheitliche Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten werden. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt.

Gemäß § 32 leg. cit. ist, wenn sich die Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, der einheitliche Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten.

Nach § 36 leg. cit. ist, wenn sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, der unter Zugrundelegung der Lohnsumme berechnete Steuermessbetrag durch den Unternehmer auf die beteiligten Gemeinden in entsprechender Anwendung der §§ 32 und 33 zu zerlegen. Auf Antrag einer beteiligten Gemeinde setzt das Finanzamt den Zerlegungsanteil fest.

§ 34 Abs. 1 leg. cit. bestimmt, dass, sofern die Zerlegung nach den §§ 30 bis 33 zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen ist, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. In dem Zerlegungsbescheid hat das Finanzamt darauf hinzuweisen, dass bei der Zerlegung der erste Satz angewendet worden ist. Der Steuermessbetrag ist gemäß Abs. 2 leg. cit. nach Maßgabe der Einigung zu zerlegen, wenn sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung einigen.

Die im § 34 Abs. 2 und im § 36 geregelten Aufgaben der Gemeinde sind gemäß § 36a leg. cit. solche des eigenen Wirkungsbereiches.

Sofern eine vorrangig heranzuziehende Einigung der beteiligten Gemeinden und des Steuerschuldners nicht zustande kommt, sind für das Zerlegungsverfahren gemäß § 1 lit. a der Bundesabgabenordnung 1961, BGBl. Nr. 194 (BAO), die Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes auf das Zerlegungsverfahren anzuwenden.

Nach § 196 Abs. 2 BAO hat das Finanzamt über die Zerlegung einen Zerlegungsbescheid zu erlassen. Die für die Festsetzung der Abgaben geltenden Vorschriften finden auf die Zerlegung sinngemäß Anwendung.

Die beschwerdeführende Partei rügt vor dem Verwaltungsgerichtshof, sie habe - in Verletzung der Bestimmung des § 284 Abs. 1 BAO - trotz rechtzeitiger Antragstellung keine Gelegenheit erhalten, sich in der mündlichen Berufungsverhandlung zu äußern, da eine solche nicht durchgeführt worden sei.

Gemäß § 284 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es (unter anderem) eine Partei beantragt. Dieser Antrag ist in der Berufung, in der Beitrittserklärung oder in einem Antrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO zu stellen.

Hat eine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat iSd § 284 Abs. 1 BAO rechtzeitig beantragt, dann hat sie einen Rechtsanspruch auf Durchführung dieser Verhandlung mit dem Ergebnis erworben, dass das Unterbleiben einer solchen mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat in jedem Fall einen Verfahrensmangel begründet. Ob ein solcher Verfahrensmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grunde zu führen hat, hängt allerdings davon ab, ob die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, was die beschwerdeführende Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof soweit darzustellen hat, dass ein solches Ergebnis vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 95/13/0044, 0045).

Der von der beschwerdeführenden Partei somit zutreffend aufgezeigte Verfahrensmangel infolge Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung erweist sich aber auch als relevant: Dem Beschwerdevorbringen lässt sich entnehmen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle der Einräumung des Parteiengehörs in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebracht hätte, die Betriebsstätte in ihrem Gemeindegebiet sei ein (eigenes) eingezäuntes Areal mit einem umfangreichen Betriebsgebäude und daher eine (eigene) Betriebsstätte. Demgegenüber hat sich die belangte Behörde im bekämpften Bescheid in Anlehnung an das bereits erwähnte Gutachten auf das Vorliegen eines Rohrleitungssystems gestützt und daraus auf eine "mehrgemeindliche Betriebsstätte" geschlossen. Erwiese sich dem entgegen das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei als zutreffend, könnte insoweit eine (nicht "mehrgemeindliche") Betriebsstätte gegeben sein; § 29 BAO (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 818/1993) definiert nämlich die Betriebsstätte im Sinne der Abgabenvorschriften als jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Gewerbebetriebes dient. Die einem Unternehmen dienenden Anlagen und Einrichtungen, die für sich den Erfordernissen des § 29 BAO entsprechen, können zwar, soweit sie durch Leitungen verbunden sind, eine einheitliche Betriebsstätte bilden; befinden sich die durch Leitungen - das können auch Rohrleitungen sein (vgl. etwa das Urteil des BFH vom , Zl. I R 12/92 = BStBl 1997 II, 12) - verbundenen Anlagen und Einrichtungen in mehreren Gemeinden, so bilden sie nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 93/15/0114 und 0116 mwN auch aus der Lehre) eine mehrgemeindliche Betriebsstätte, wenn sie in räumlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein Ganzes darstellen. Die beschwerdeführende Partei hat jedoch gerade das Vorliegen dieser Voraussetzung bestritten; Feststellungen hiezu fehlen.

Die beschwerdeführende Partei hat aber darüber hinaus darauf hingewiesen, dass sie - bei Unterbleiben des Verfahrensmangels - näher dargelegt hätte, warum sie die von der Behörde vorgenommene Aufteilung der Lohnsumme und die hiefür herangezogenen Kriterien für unzutreffend ansieht. So sei etwa im Betrieb im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Partei der Großteil der Arbeitnehmer der Steuerschuldnerin auf Dauer beschäftigt, weshalb die Aufteilung der Lohnsummen zwischen der beschwerdeführenden Partei und dem Bund der Erdölgemeinden "extrem falsch" sei. Auch die Aufteilung betreffend Flächen und Anlagen sei unzutreffend.

Auf Grund des Gesagten bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung und sind Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Infolgedessen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am