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VwGH vom 19.12.2005, 2003/03/0196

VwGH vom 19.12.2005, 2003/03/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des DDr. F S in W, vertreten durch Dr. Rainer Maria Schilhan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl 825.291/4-II/Sch2/03, betreffend Enteignung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz (mitbeteiligte Partei: W GesmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Mag. Martin Kratky, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Museumstraße 4/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom war der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl Nr 60/1957 idF BGBl I Nr 166/1999 (EisbG), die eisenbahnrechtliche Konzession zum Bau und Betrieb der U-Bahnlinie U1 (U1-Nord), Streckenabschnitt K bis L mit anschließender Wende- und Abstellanlage, erteilt worden. Das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten U-Bahn überwiege die entgegenstehenden Interessen, es liege also Gemeinnützigkeit der Eisenbahn vor.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 35 Abs 1 und § 36 Abs 1 und 2 EisbG unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Rechte und unter Vorschreibung näher bestimmter Bedingungen und Auflagen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den bautechnischen Ausbau inklusive Bauhilfsmaßnahmen (für die Kunstbauten, tiefbaumäßigen Maßnahmen, Hochbauten, bautechnische Anordnung der maschinentechnischen und elektrotechnischen Anlagen) und für den Oberbau der U-Bahnlinie U1- Nord im dritten Bauabschnitt "A Straße" mit den Streckenabschnitten vom Bauabschnitts-Anfang (MGasse) über die Station "A Straße" bis zum Bauabschnitts-Ende (JStraße), "nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und der technischen Berichte (Entwurfsgleichstücke 1 bis 45)" erteilt (Spruchpunkt I.A.).

Weiters wurden Einwendungen u.a. des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen, auf den Zivilrechtsweg verwiesen bzw als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.B).

Eine von anderen Parteien des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zlen 2002/03/0072, 0073, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde gemäß §§ 2 Abs 1 und 2 Z 3 und 4 sowie § 21 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl Nr 71/1954 idF BGBl I Nr 191/1999 (EisbEG), auf Grund des Antrages der mitbeteiligten Partei die Enteignung durch Einräumung von Dienstbarkeiten auf einem näher genannten Grundstück des Beschwerdeführers verfügt, nämlich einerseits durch Einräumung einer Dienstbarkeit auf Dauer (hinsichtlich eines planlich näher dargestellten Bereiches im Ausmaß von 1.874 m2, zur Duldung der Errichtung von zwei U-Bahntragwerken und von zwei befestigten Revisionsstreifen entlang der U-Bahntragwerke sowie zur Duldung des Bestandes und der Benützung dieser U-Bahnanlangen seitens der mitbeteiligten Partei bzw durch sie ermächtigte Dritte), andererseits die Enteignung durch Einräumung einer Dienstbarkeit auf Baudauer von 12 Monaten (hinsichtlich eines planlich näher dargestellten Bereiches im Ausmaß von 978 m2 zur Duldung der Durchführung aller zum Ausbau des U-Bahntunnels notwendigen Baumaßnahmen seitens der mitbeteiligten Partei bzw durch sie ermächtigte Dritte).

Gleichzeitig wurden Einwendungen des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen bzw als unbegründet abgewiesen.

Begründend verwies die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen auf den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid, mit dem - für das Enteignungsverfahren bindend - festgestellt worden sei, dass die durch den Bau der U-Bahn für die Öffentlichkeit entstehenden Vorteile größer seien als die einzelnen Verfahrensparteien daraus erwachsenden Nachteile. Im rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid liege also die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Durchführung des Bauvorhabens die entgegenstehenden Interessen überwiege. Im Enteignungsverfahren sei nicht etwa zu prüfen, ob auch andere Trassenführungen mit anderen berührten Liegenschaften möglich gewesen wären, sondern von der konkreten, mit Bescheid verbindlich festgelegten Trassenführung auszugehen. Entscheidend sei, ob ein Eigentumseingriff für den Bau und den Betrieb einer Eisenbahn notwendig sei, wobei nur das jeweils noch zum Ziel führende gelindeste Mittel gewählt werden dürfe. In Anbetracht sämtlicher in § 2 Abs 2 EisbEG aufgezählter Eingriffsmöglichkeiten stelle die im gegenständlichen Fall beantragte Enteignung durch Begründung von Servituten das gelindeste Mittel dar. Das im § 1 EisbEG genannte Erfordernis der Gemeinnützigkeit bedeute, dass die Eisenbahn im öffentlichen Interesse gelegen sei. Bei bundeseigenen Eisenbahnen ergebe sich dieses öffentliche Interesse aus dem die Eisenbahn vorsehenden Bundesgesetz, bei sonstigen Eisenbahnen liege Gemeinnützigkeit dann vor, wenn es sich um eine öffentliche Eisenbahn im Sinn des § 2 EisbG handle, weil die Verleihung einer Konzession für öffentliche Eisenbahnen vom Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen abhänge. Da mit Verleihung der Konzession an die mitbeteiligte Partei die Gemeinnützigkeit des Eisenbahnunternehmens dokumentiert sei, stehe ihr auch gemäß § 1 EisbEG die Ausübung des Enteignungsrechtes zu. Die von der mitbeteiligten Partei beantragten Servituten entsprächen den für Bau und Betrieb der verlängerten U-Bahn bestehenden bautechnischen Erfordernissen und überschritten nicht das unbedingt notwendige Ausmaß.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufungen des Beschwerdeführers und der M-AG entschieden und dabei den erstinstanzlichen Bescheid auf Grund einer im Berufungsverfahren erfolgten Einschränkung des Enteignungsantrages dahin abgeändert, dass näher bezeichnete Teilflächen nunmehr lediglich auf Baudauer von 12 Monaten (und nicht mehr auf Dauer) durch Einräumung einer Dienstbarkeit belastet wurden. Im Spruchpunkt I. heißt es, dass die näher bezeichneten Dienstbarkeiten "im Enteignungswege lastenfrei eingeräumt" würden. Im Übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde führte zu den Einwendungen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren im Wesentlichen aus, dass die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei gegeben sei, weil sich die von § 1 EisbEG geforderte Gemeinnützigkeit aus der Konzessionsverleihung ergebe, zumal gemäß § 17 Abs 3 EisbG die Konzession nur verliehen werden dürfe, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstünden oder wenn das Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn die entgegenstehenden Interessen überwiege (Gemeinnützigkeit der Eisenbahn). Unberechtigt sei auch der Einwand, dass im Baugenehmigungsbescheid die Trassenführung gar nicht genehmigt worden sei, weil nach Ansicht des Beschwerdeführers ein "autoritatives Wollen" fehle. Vielmehr verweise der eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid hinsichtlich der Lage der Hoch- und Kunstbauten und der ortsfesten eisenbahntechnischen Einrichtungen auf die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und technischen Berichte. Während im Konzessionsbescheid die grundsätzliche Trassenführung festgelegt werde, komme es im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren zur Festlegung der konkreten Lage. In der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung liege auch die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Durchführung des Bauvorhabens die entgegenstehenden Interessen überwiege, weshalb im Enteignungsverfahren auf die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers nicht mehr einzugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensverfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit einem Aufhebungsantrag.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 EisbEG steht die Ausübung des Enteignungsrechtes in dem vollen durch § 365 ABGB zugelassenen Umfang jedem Eisenbahnunternehmen insoweit zu, als die Gemeinnützigkeit des Unternehmens von der hiezu berufenen staatlichen Verwaltungsbehörde anerkannt ist. Der mitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom gemäß § 17 EisbG die - gemäß § 14 Abs 1 EisbG für Bau und Betrieb einer öffentlichen Eisenbahn erforderliche - Konzession verliehen. Gemäß § 17 Abs 1 EisbG ist im Verleihungsantrag (ua) glaubhaft zu machen, dass die geplante Eisenbahn den öffentlichen Interessen dient; gemäß § 17 Abs 3 EisbG darf die Konzession nur verliehen werden, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder wenn das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn die entgegenstehenden Interessen überwiegt (Gemeinnützigkeit der Eisenbahn).

Wie oben dargestellt, wurde die Verleihung der Konzession an die mitbeteiligte Partei damit begründet, dass das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn die entgegenstehenden Interessen überwiege. Damit wurde die Gemeinnützigkeit der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 1 EisbEG "anerkannt". Eine darüber hinausgehende gesonderte Feststellung der Gemeinnützigkeit sieht das EisbG bei öffentlichen Eisenbahnen - im Gegensatz zu nichtöffentlichen Eisenbahnen (§ 52 Abs 1 EisbG) -

nicht vor.

Gemäß § 2 EisbEG kann das Enteignungsrecht zu einer dauernden oder vorübergehenden Enteignung nur insoweit ausgeübt werden, als es die Herstellung und der Betrieb der Eisenbahn notwendig machen. Gemäß § 3 Abs 1 EisbEG kann unter der in § 2 bezeichneten Voraussetzung die dauernde oder vorübergehende Abtretung von Grundstücken insoweit begehrt werden, als es zur Herstellung der Bahn, der Bahnhöfe, der an der Bahn und an den Bahnhöfen für Zwecke des Eisenbahnbetriebes zu errichtenden Gebäude oder zu sonstigen Anlagen, deren Herstellung dem Eisenbahnunternehmen obliegt, dann zur Unterbringen des beim Bau zu entfernenden Erdmaterials und Schuttes, endlich zur Gewinnung der notwendigen Schüttungs-, Rohstein- und Schottermateriales erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer stellt das Vorliegen einer rechtskräftigen eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung nicht in Abrede, meint aber - unter Hinweis auf Auszüge aus der Begründung dieses Bescheides -, in dieser Entscheidung sei die Trassenfestlegung nicht genehmigt worden, weil seine diesbezüglichen Einwendungen ohne inhaltliche Auseinandersetzung pauschal zurückgewiesen worden seien.

Im Spruch des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheides vom wurde, wie oben näher dargestellt, hinsichtlich der Kunstbauten, der tiefbaumäßigen Maßnahmen, Hochbauten, bautechnischen Anordnung der einzelnen Anlagen und des Oberbaues auf die "mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und technischen Berichte" verwiesen. Dass solche Pläne nicht existierten oder dem Bescheid nicht angeschlossen gewesen seien, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Aus welchen Gründen aber die Behörde Einwendungen des Beschwerdeführers ab-, zurück- oder auf den Zivilrechtsweg verwies, ist für die Frage des Umfangs der Rechtskraftwirkungen dieses Bescheides irrelevant. Selbst wenn die genehmigende Behörde unter Hinweis auf eine Bindung an die im Konzessionsverfahren erfolgte Trassenfestlegung zu Unrecht gemeint hätte, im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren seien diesbezügliche Einwendungen nicht mehr zu erörtern, erfolgte mit dem eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid jedenfalls eine Festlegung auch der Trasse (vgl das schon erwähnte eben diesen Bescheid betreffende hg Erkenntnis vom ).

Die belangte Behörde ist daher in ihrer Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass die rechtskräftige eisenbahnrechtliche Baugenehmigung den Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn im Sinne § 2 EisbEG notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festlegt. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdeführer als Eigentümer der durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2001/03/0096, mwN). Vielmehr war im Enteignungsverfahren nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang eine Enteignung für die Ausführung dieser Maßnahmen erforderlich war. Dass für die Ausführung der verfahrensgegenständlichen, in der eisenbahnrechtlichen Baubewilligung vorgeschriebenen Maßnahmen etwa lediglich eine geringere Grundfläche erforderlich wäre oder die Einräumung von Servituten in geringerem Ausmaß ausgereicht hätte, wird vom Beschwerdeführer, der mit seinem Hinweis auf die Möglichkeit einer unterirdischen Verbauung nur - unzulässig - die Rechtswidrigkeit des Baugenehmigungsbescheides darzutun versucht, gar nicht konkret behauptet.

Unberechtigt ist auch die Rüge des Beschwerdeführers, im angefochtenen Bescheid sei unklar geblieben, für welche "notwendigen" Maßnahmen das Servitut eingeräumt worden sei:

Der Umfang der Enteignung lässt sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides selbst, der auf den "einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Enteignungsplan ..."

verweist, klar entnehmen. Daraus geht eindeutig hervor, welche Grundflächen des Beschwerdeführers in Anspruch genommen werden. Welche konkreten Maßnahmen aber von der mitbeteiligten Partei durchzuführen und damit "notwendig" sind, wird im Einzelnen im in Rechtskraft erwachsenen - auch dem Beschwerdeführer gegenüber erlassenen - Baugenehmigungsbescheid bestimmt.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Formulierung im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides rügt, die strittigen Dienstbarkeiten würden "lastenfrei" eingeräumt, ist nicht ersichtlich, in welchen Rechten er damit verletzt sein könnte. Die Ansicht, damit könnte eine "entschädigungslose" Enteignung verfügt worden sei, wird schon durch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid ausgeschlossen, die klarstellen, dass im Verwaltungsverfahren keine Enteignungsentschädigung festgesetzt wird, vielmehr die Ermittlung und Festsetzung der Enteignungsentschädigung in einem gerichtlichen Verfahren zu erfolgen hat.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am