VwGH vom 24.01.2000, 96/17/0404

VwGH vom 24.01.2000, 96/17/0404

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des H, bei Einbringung der Beschwerde vertreten durch D, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. MD-VfR-W/96, betreffend Haftung gemäß §§ 7 und 54 WAO i.A. von Müllabfuhrabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der W-GmbH das Konkursverfahren eröffnet; der Beschwerdeführer war Geschäftsführer dieser GmbH.

Mit Schreiben vom teilte der Masseverwalter über Anfrage der Behörde mit, dass die Konkursmasse "nahezu gänzlich vermögenslos" und nach seinem Informationsstand davon auszugehen sei, "dass sämtliche Konkursgläubiger vollständig leer ausgehen" würden. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe allerdings in Aussicht gestellt, demnächst einen Zwangsausgleich mit der gesetzlichen Mindestquote beantragen zu wollen; die Erfüllung eines derartigen Zwangsausgleiches müsse allerdings ausschließlich von dritter Seite erfolgen.

Der Magistrat der Stadt Wien richtete in der Folge am an den Beschwerdeführer ein Schreiben, worin er diesem unter Hinweis auf die §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO Gelegenheit einräumte, zu seiner Haft- und Zahlungspflicht betreffend rückständige Müllabfuhrabgabe in der Gesamthöhe von S 27.356,-- (im erwähnten Schreiben näher aufgeschlüsselt) Stellung zu nehmen.

Hieraufhin erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben seines Anwaltes vom , dass am der Zwangsausgleichsantrag mit einer Quote von 20 % angenommen worden sei; die geltend gemachte Forderung sei von der Quotenregelung umfasst und somit ab Rechtskraft der gerichtlichen Bestätigung zu 80 % erloschen.

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 7 und § 54 der Wiener Abgabenordnung (WAO) für den Rückstand an Müllabfuhrabgaben der W-GmbH für den Zeitraum des 4. Quartals 1993 und des 1. und 2. Quartals 1994 in der Höhe von S 21.885,-- haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß § 171 WAO binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten, widrigenfalls die zwangsweise Einbringung veranlasst werde. Von dem offenen Rückstand in der Höhe von S 27.356,-- werde nur der Betrag von S 21.885,-- geltend gemacht, da eine 20 %ige Ausgleichsquote bestätigt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, es sei bisher keinerlei Ermittlungsverfahren zur Schuldform des Haftungsbeteiligten erfolgt bzw. aktenkundig; es stehe fest, dass kein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer beantragt, eröffnet, geführt oder abgeschlossen worden sei. Darüber hinaus werde geltend gemacht, dass es sich bei der Forderung um eine solche der Privatwirtschaftsverwaltung handle, die jedenfalls von der Wirkung des Zwangsausgleichs erfasst sei. Es werde daher beantragt, den bekämpften Bescheid, der in Verfolgung unvertretbarer Rechtsansicht (§ 8 AHG) zustande gekommen sei, aufzuheben.

Der Magistrat der Stadt Wien richtete hierauf am an den Beschwerdeführer (z.Hd. seines Rechtsvertreters) ein Schreiben mit dem Ersuchen, innerhalb von drei Wochen nach Zustellung Beweismittel zu erbringen, aus denen sich die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers ergebe. Eine Reaktion hierauf ist nicht aktenkundig.

Nach Ergehen einer mit datierten Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer am einen Vorlageantrag. Eine Bevorzugung der Abgaben erhebenden Gebietskörperschaft sei rechtlich nicht vertretbar. Darüber hinaus bürde die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer eine "schier unmögliche Beweislast" auf, da zum Zeitpunkt des Beginns dieses Verfahrens sämtliche Buchhaltungsunterlagen gerichtlich beschlagnahmt bzw. in der ausschließlichen Verfügungsmacht des Masseverwalters gewesen seien. Gegen den Beschwerdeführer seien jedoch keinerlei Strafverfahren durchgeführt worden.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die in den §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO gegebenen Haftungsvoraussetzungen lägen vor; der Höhe nach werde die ausständige Abgabenforderung (inkl. der Säumniszuschläge) nicht bestritten. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei gemäß § 171 WAO davon auszugehen, dass ein erfüllter Ausgleich oder Zwangsausgleich nicht die Geltendmachung von Haftungen hindere. Die Pflichtverletzung des Berufungswerbers ergebe sich aus § 16 des Müllabfuhrgesetzes 1965, LGBl. für Wien Nr. 19, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 73/1990, hinsichtlich des aushaftenden Rückstandes für das

4. Quartal 1993 und das 1. Quartal 1994 und aus § 40 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 13/1994, hinsichtlich des 2. Quartals 1994, wonach die Müllabfuhrabgabe zu je einem Viertel am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November des laufenden Abgabenjahres (Kalenderjahres) fällig werde. Der Beschwerdeführer hätte Sorge tragen müssen, dass die Müllabfuhrabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde. Er habe aber die Gründe nicht dargetan, aus denen ihm die Erfüllung der ihm durch Gesetz übertragenen Verpflichtungen unmöglich gewesen sei, weshalb die Behörde von einer schuldhaften Pflichtversäumnis auszugehen gehabt habe. Dem Beschwerdeführer sei nach Abschluss des Konkursverfahrens ausreichend Zeit eingeräumt worden, sich allfällige Unterlagen zu beschaffen und der Behörde vorzulegen, wobei eine ausdrückliche diesbezügliche Aufforderung der Behörde erster Instanz unbeachtet geblieben sei.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er erachtet sich in seinem Recht auf Nichtinanspruchnahme von Haftungen in Abgabensachen bei Nichtvorliegen von gesetzlichen Haftungsgründen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO idF der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 haften die in den §§ 54 ff WAO bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den im § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer einer GmbH.

Nach § 7 Abs. 1 WAO idF der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 ist nicht mehr die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung - wie bei § 7 Abs. 1 WAO idF vor der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 -, sondern der Umstand, dass die Abgabe beim Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann. Diese Schwierigkeiten bei Einbringung müssen auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen sein. Diese kann in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung unmöglich gewesen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0144, mwN).

Aufgabe des Geschäftsführers ist es darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Vorliegen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom , mwN).

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer keine geeigneten Schritte zum Nachweis dafür erbracht, dass eine Pflichtverletzung hinsichtlich der Abgabenentrichtung im dargestellten Sinne nicht vorliegt. Soweit er darauf verweist, dass gegen ihn ein Strafverfahren nicht eingeleitet worden sei, verkennt er, dass ihm nicht ein strafrechtlich relevantes Verhalten (etwa fahrlässige Krida) zur Last gelegt wird. Im Beschwerdefall geht es vielmehr darum, ob der Beschwerdeführer die ihm obliegenden Verpflichtungen als Geschäftsführer zur Entrichtung der Abgaben (Müllabfuhrabgabe) erfüllt hat oder nicht.

Wenn der Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof vorbringt, es sei "aktenwidrig", wenn die belangte Behörde davon ausgegangen sei, er hätte nach Abschluss des Konkursverfahrens Unterlagen beschaffen und vorlegen können, so trifft dies nicht zu. Wie der Beschwerdeführer selbst vorbringt, wurde der Konkurs mit aufgehoben, er hätte daher noch vor Ergehen der Berufungsvorentscheidung (, Zustellung am ) zumindest aber mit seinem Vorlageantrag Unterlagen vorlegen können, wenn ihm vorher ein zweckentsprechendes Beweisanbot tatsächlich unmöglich gewesen sein sollte.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer der ihm obliegende Nachweis, nicht schuldhaft seine (abgabenrechtlichen) Pflichten vernachlässigt zu haben, nicht gelungen ist.

Nach § 171 letzter Satz WAO idF LGBl. für Wien Nr. 40/1992, hindert ein erfüllter Ausgleich oder Zwangsausgleich die Geltendmachung der Haftung (nach den §§ 7 und 54 WAO) nicht (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0229).

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 96/15/0049, zu § 9 BAO ausgeführt, dass die Akzessorität der Haftung des Vertreters nicht losgelöst von den bestimmenden Gesichtspunkten insoweit verselbständigt werden könne, dass Vertreter von der im öffentlichen Recht wurzelnden Abgabenhaftung auch in Konstellationen freigestellt würden, die geradezu im Kernbereich der ratio legis liegen. Die Haftung sei nur insoweit akzessorisch, als sie das Bestehen des Abgabenanspruches zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhalts voraussetze. Ob ein Erlöschen der Schuld auch dem Haftungspflichtigen zu Gute komme, sei hingegen nach dem Zweck der den Schulderlöschensgrund beinhaltenden jeweiligen Vorschrift zu prüfen. Davon ausgehend stelle der (Zwangs-)Ausgleich des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar.

Es sei auch sachlich nicht zu rechtfertigen, dass es zur Haftungsfreistellung auf den grundsätzlich nicht vorhersehbaren Zeitpunkt der (letztinstanzlichen) Erlassung des Haftungsbescheides ankommen solle; dies mit der Wirkung, dass bei einer Erledigung vor Bestätigung des (Zwangs-)Ausgleichs die Haftung des Geschäftsführers unausweichlich weiter bestünde (die Bestätigung des Zwangsausgleichs bilde auch keinen Wiederaufnahmegrund, Zitat des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 98/14/0090), danach aber nicht mehr festgestellt werden dürfe. Es käme dabei vom Sicherungsgedanken des Abgabengläubigers durch die Haftungsbestimmungen her auch zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung zu der jedenfalls im vollen Umfang gegebenen Haftung eines Geschäftsführers bei (bloßem) Konkurs des Primärschuldners.

Die Haftung nach § 9 BAO (ebenso die nach den §§ 7 und 54 WAO) sei einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet, denn diese gesetzlich begründete Mitschuld habe ein pflichtwidriges Verhalten des Vertreters und einen dadurch bewirkten (zu befürchtenden) Einnahmenausfall der Finanzbehörde zur Voraussetzung. Durch die Normierung einer Mithaftung im Abgabenverfahren werde die Einbringung einer Schadenersatzklage entbehrlich. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweise sich die Ansicht als gerechtfertigt, dass der Abschluss eines (Zwangs-)Ausgleichs keinen Einfluss auf die Haftung nach § 9 BAO habe und zum Einen die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vertreters und dem eingetretenen Schaden zu beachten sei, zum Anderen der Abschluss des (Zwangs-)Ausgleichs keinesfalls den (teilweisen) Untergang der Ersatzforderung bewirke.

Der Verwaltungsgerichtshof gelangte somit zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass eine rechtskräftige Bestätigung eines (Zwangs-)Ausgleichs des Primärschuldners der Geltendmachung der Haftung nach den § 80 ff BAO auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegenstehe.

Damit vertritt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr auch zu § 9 BAO eine Rechtsauffassung, die sich jedenfalls im Ergebnis nicht von der Rechtslage unterscheidet, die der Wiener Landesgesetzgeber - wie erwähnt - normiert hat.

Aus den hier wiedergegebenen Erwägungen sieht aber der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, die Anregung des Beschwerdeführers aufzugreifen und an den Verfassungsgerichtshof die Frage heranzutragen, ob der Regelungsgehalt des § 171 WAO verfassungsrechtlich zulässig sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am