VwGH vom 09.10.2001, 99/05/0030
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Gemeinde Gurten, vertreten durch Dr. Georg Schwarzmayr-Lindinger, Rechtsanwalt in Altheim, Marktplatz 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-P-106021/3-1998/MO, betreffend eine Raumplanungsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Eigentümer der betroffenen Grundstücke suchte mit Eingabe vom , gerichtet an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin, um Umwidmung einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 507/1 und des Grundstückes Nr. 507/2 von Grünland-Landwirtschaft auf Bauland-Wohngebiet an. Er wolle die Umwidmung in Bauland für seine drei Kinder.
In der Gemeinderatssitzung vom wurde ein Grundsatzbeschluss über die Einleitung des Verfahrens zur Änderung des Flächenwidmungsplanes gefasst.
Im Rahmen der Grundlagenforschung wurden in einem Formular die Voraussetzungen einer Umwidmung aufgelistet. Danach liege kein öffentliches Interesse, sondern das Interesse des Grundeigentümers vor. Alle Nachbarliegenschaften seien als Grünland gewidmet. Die Baulandeignung wurde als gegeben angesehen; die Aufschließung erfolge durch die Wagnerberger Bezirksstraße. Bezüglich der Abwasserbeseitigung wurde ausgeführt, dass ein Kanalanschluss derzeit nicht möglich sei. Die Flächenbilanz der Beschwerdeführerin für 1997 wies eine Ausnutzung der Wohngebietsflächen zu 48 % auf.
Der Ortsplaner erklärte in seiner Stellungnahme vom , dass es sich um eine umzuwidmende Fläche von ca.
5.600 m2 handle, die sich ca. 150 m westlich von der Ortschaft Wagnerberg an der Wagnerberger Bezirksstraße befinde. Mittels Pumpanlage könne Wagnerberg an das Kanalnetz angeschlossen werden. Hier solle eine Weiterentwicklung der Bebauung nur den örtlichen Bedürfnissen entsprechend erfolgen. Eine Entwicklung des Dorfgebietes bzw. dörflich durchmischten Gebietes sei im Wagnerberg vorgesehen. Derzeit bestehe kein Kanalprojekt für Wagnerberg, aus der Sicht der Ortsplanung könnte eine Umwidmung unter Einbeziehung des Wohngebäudes im Grünland eventuell möglich sein.
In ihren über Aufforderung erstatteten Stellungnahmen haben die Agrarbezirksbehörde und die Bezirksbauernkammer keine Einwände erhoben. Die Straßenverwaltung erklärte sich unter bestimmten Voraussetzungen einverstanden.
In ihrer Stellungnahme gemäß § 33 Abs. 1 bzw. § 36 Abs. 4 Oö. ROG sprach sich die belangte Behörde gegen die beantragte Umwidmung aus.
In seiner Sitzung vom beschloss der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde die gegenständliche Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.01. Erfasst von dieser Änderung sind eine Teilfläche des Grundstückes Nr. 507/1, das (offenbar bebaute) Grundstück Nr. 507/2 und das Grundstück Nr. 507/3, sodass eine an der Bezirksstraße gelegene Fläche von 40 m bzw. 50 m Breite und rund 160 m Länge umgewidmet wurde.
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ihre Absicht mit, gemäß § 34 Abs. 2 Z. 1 und 4 Oö. ROG die Genehmigung zu versagen. Ihre Prüfung habe ergeben, dass es sich bei der beantragten Umwidmung um einen Siedlungssplitter ohne Kanal handle. Diese Umwidmung sei bereits anlässlich der Erstellung des örtlichen Entwicklungskonzepts und der damit verbundenen Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes für das gesamte Gemeindegebiet negativ begutachtet worden. Da sich bis heute weder die räumlichen Verhältnisse noch die gesetzlichen Grundlagen geändert hätten, bliebe der gravierende Widerspruch zu den Raumordnungsgrundsätzen gemäß § 2 Abs. 1 Z. 5, 6, 7, 8 und 10, zu § 21 Abs. 1 und 2 Oö. ROG, als auch zum Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1995, wie bereits bei der Überarbeitung des Gesamtplanes mitgeteilt, aufrecht. Nachdem die Fläche richtigerweise auch nicht im örtlichen Entwicklungskonzept als Bauland vorgesehen sei, werde von der Aufsichtsbehörde nicht verstanden, dass solche Änderungsanträge überhaupt im Gemeinderat beschlossen würden.
In ihrer Stellungnahme vom erklärte die Beschwerdeführerin, dass die Gemeinderatsmitglieder zur einstimmigen Auffassung gelangt seien, die Gemeinde würde im Falle einer Genehmigung der beantragten Änderung bis zum gegenständlichen Bereich einen öffentlichen Kanal errichten. In unmittelbarer Nähe zur beantragten Umwidmung befände sich bereits ein derzeit noch nicht an den Kanal angeschlossenes Wohnhaus. Eine Genehmigung der beabsichtigten Umwidmung würde den Kanalbau wesentlich wirtschaftlicher machen.
Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde die beantragte Genehmigung. Sie verwies auf die bereits mit Schreiben vom mitgeteilten Versagungsgründe; die von der Gemeinde daraufhin angeführten Gründe, dass ein Kanal errichtet werden würde und dass sich in der Umgebung bereits Wohnhäuser befänden, die den Kanalbau wirtschaftlicher machten, reichten für eine Genehmigung nicht aus. Insbesondere sei die Umwidmungsfläche nicht in das örtliche Entwicklungskonzept-Bauland aufgenommen worden. Durch die Umwidmung würde ein Siedlungssplitter entstehen; auch die Errichtung des Kanals würde eine solche Splitterbildung nicht rechtfertigen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 36 Oö. ROG 1994 regelt die Voraussetzungen der Änderung eines Flächenwidmungsplanes und eines Bebauungsplanes; das aufsichtsbehördliche Verfahren wird in § 34 ROG geregelt. Diese Bestimmungen lauten:
"§ 36
Änderung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes
(1) Flächenwidmungspläne (einschließlich dem örtlichen Entwicklungskonzept) und Bebauungspläne sind
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder | |||||||||
2. | wenn es das Gemeinwohl erfordert, zu ändern. |
(2) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne können geändert werden, wenn
1. öffentliche Interessen, die nach diesem Landesgesetz bei der Erlassung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, dafür sprechen oder
2. diese Änderung den Planungszielen der Gemeinde nicht widerspricht und
3. Interessen Dritter nicht verletzt werden.
(3) Langen bei der Gemeinde Anregungen auf Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes ein, so hat der Gemeinderat binnen sechs Monaten zu entscheiden, ob die Voraussetzungen zu Änderungen gemäß Abs. 1 oder 2 gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen vor, ist das Verfahren zur Änderung des Planes einzuleiten.
(4) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des § 33 und des § 34, jedoch ist benachbarten Gemeinden und Körperschaften öffentlichen Rechtes nur dann Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn deren Interessen durch die beabsichtigten Planänderungen berührt werden. Eine Planauflage ist nicht erforderlich, wenn die von der beabsichtigten Planänderung Betroffenen vor der Beschlussfassung verständigt oder angehört werden. Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen.
(5) Auf Nutzungen, die der bisherigen Widmung entsprechen, ist bei Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne möglichst Rücksicht zu nehmen.
(6) Die Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes ist durch den Gemeinderat zu begründen; bei der Änderung von Flächenwidmungsplänen muss der Begründung oder den Planungsunterlagen überdies die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung zu entnehmen sein."
"§ 34
Aufsichtsverfahren und Kundmachung
(1) Beschließt der Gemeinderat einen Flächenwidmungsplan, so ist dieser mit dem dazugehörigen Akt und den Planungsunterlagen vor Kundmachung des Beschlusses der Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Ein Bebauungsplan ist der Landesregierung vor Kundmachung des Beschlusses nur dann zur Genehmigung vorzulegen, wenn überörtliche Interessen im besonderen Maß berührt werden. Überörtliche Interessen werden dann besonders berührt, wenn dies der Gemeinde von der Landesregierung anlässlich ihrer Stellungnahme gemäß § 33 Abs. 1 mitgeteilt wurde.
(2) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Plan
1. Raumordnungszielen und -grundsätzen oder festgelegten Planungen angrenzender Gemeinden oder
2. einem Raumordnungsprogramm oder einer Verordnung gemäß § 11 Abs. 6 oder
Tabelle in neuem Fenster öffnen
3. | dem örtlichen Entwicklungskonzept oder | |||||||||
4. | sonstigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Verfahrensbestimmungen, widerspricht oder | |||||||||
5. die geordnete wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung anderer Gemeinden oder des Landes wesentlich beeinträchtigen würde. |
(3) Vor Versagung der Genehmigung hat die Landesregierung der Gemeinde den Versagungsgrund mitzuteilen und ihr Gelegenheit zu geben, hiezu binnen einer angemessenen, jedoch mindestens sechs Wochen betragenden Frist Stellung zu nehmen.
(4) Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn
1. der Gemeinde nicht innerhalb von vier Monaten nach Einlangen des genehmigungspflichtigen Planes und der nötigen Unterlagen (Abs. 1) beim Amt der Landesregierung ein Versagungsgrund mitgeteilt wird oder
2. der Gemeinde innerhalb von drei Monaten nach Einlangen ihrer Stellungnahme zu den mitgeteilten Versagungsgründen kein das Verfahren abschließender Bescheid zugestellt wird.
(5) Innerhalb von zwei Wochen nach Einlangen des genehmigten Planes bei der Gemeinde oder nach Fristablauf ist der Plan kundzumachen. Bei Versagung der Genehmigung hat eine Kundmachung des Planes zu unterbleiben. Zwei Ausfertigungen des kundgemachten Planes sind dem Amt der Landesregierung vorzulegen. "
Die in § 34 Abs. 2 Z. 1 genannten Raumordnungsziele und Grundsätze sind in § 2 Abs. 1 ROG aufgezählt. Diese Bestimmung lautet:
"§ 2
Raumordnungsziele und -grundsätze
(1) Die Raumordnung hat insbesondere folgende Ziele:
1. den Schutz der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen sowie die Sicherung oder Wiederherstellung eines ausgewogenen Naturhaushaltes;
2. die Sicherung oder Verbesserung der räumlichen Voraussetzungen für sozial gerechte Lebensverhältnisse und die kulturelle Entfaltung;
3. die Sicherung oder Verbesserung einer Siedlungsstruktur, die mit der Bevölkerungsdichte eines Gebietes und seiner ökologischen und wirtschaftlichen Tragfähigkeit im Einklang steht;
4. die Sicherung oder Verbesserung der räumlichen Voraussetzungen für eine leistungsfähige Wirtschaft einschließlich der Rohstoffsicherung sowie die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen, insbesondere in Krisenzeiten;
5. die Sicherung oder Verbesserung der räumlichen Voraussetzung für eine existenz- und leistungsfähige Land- und Forstwirtschaft, insbesondere die Verbesserung der Agrarstruktur;
6. die sparsame Grundinanspruchnahme bei Nutzungen jeder Art sowie die bestmögliche Abstimmung der jeweiligen Widmungen;
7. die Vermeidung von landschaftsschädlichen Eingriffen, insbesondere die Schaffung oder Erweiterung von Baulandsplittern (Zersiedelung);
8. die Sicherung und Verbesserung einer funktionsfähigen Infrastruktur;
9. die Schaffung und Erhaltung von Freiflächen für Erholung und Tourismus;
10. die Erhaltung und Gestaltung des Stadt- und Ortsbildes einschließlich der Ortsentwicklung sowie die Erhaltung des typischen Orts- und Landschaftsbildes; unvermeidbare Eingriffe in die Landschaft sind durch entsprechende landschaftspflegerische Maßnahmen bestmöglich auszugleichen."
Der Gemeinderat hatte bei der beabsichtigen Änderung des Flächenwidmungsplanes zunächst das Vorliegen der in § 36 Abs. 1 oder 2 ROG genannten Voraussetzungen zu prüfen. Vom Vorliegen des zwingenden Änderungstatbestandes des § 36 Abs. 1 ROG kann hier keine Rede sein, aber auch auf das Vorliegen öffentlicher Interesse im Sinne des Abs. 2 Z. 1 leg. cit. hat sich der Gemeinderat nicht berufen.
§ 36 Abs. 2 Z. 2 ROG nennt als negative Voraussetzung einer Änderung, dass sie den Planungszielen der Gemeinde nicht widersprechen dürfe; weiters (Z. 3) dürfen Interessen Dritter nicht verletzt werden. Im Rahmen der zwingenden Vorlage an die Aufsichtsbehörde auch bei Flächenwidmungsplanänderungen (§ 36 Abs. 4 ROG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 ROG) werden im Versagungskatalog des § 34 Abs. 2 ROG weitere negative Voraussetzungen genannt.
Die belangte Behörde hat sich auf die Z. 1 des § 34 Abs. 2 ROG gestützt, also einen Widerspruch zu den im § 2 ROG aufgezählten Raumordnungszielen und -grundsätzen geltend gemacht, wobei sie sich u.a. auf die Z. 7 des § 2 Abs. 1 ROG (Vermeidung landschaftsschädlicher Eingriffe, insbesondere Zersiedlung) berufen hat.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, es handle sich nicht um eine Zersiedlung, weil im unmittelbaren Nahbereich bereits "Liegenschaften" bestünden, nicht nur Bauernhöfe, sondern auch Einfamilienhäuser. Das Projekt liege direkt an einer Straße und darüber hinaus nur einige 100 m außerhalb des Ortsgebietes. Wenn zufolge der guten infrastrukturellen Einrichtung direkt an einer Straße, dort wo nämlich schon Häuser gebaut sind, zusätzlich Häuser gebaut werden, liege kein Widerspruch zu den Raumordnungsgrundsätzen vor.
Dem ist zu erwidern, dass der herangezogene Versagungstatbestand nicht darauf abstellt, ob das Planungsgebiet durch eine Straße erschlossen ist oder nicht. Entscheidend ist, dass das Gebiet vollständig von Grünland umschlossen wird. Aus dem vorliegenden Plan ergibt sich, dass derzeit zwischen dem ostseitig davon gelegenen Gebiet mit Baulandwidmung und dem westseitig davon gelegenen Gebiet mit dieser Widmung der Abstand rund 500 m beträgt; innerhalb dieses Grünlandbereiches soll eine Baulandinsel geschaffen werden. Gerade das soll aber durch das im § 2 Abs. 1 Z. 7 ROG postulierte Raumordnungsziel verhindert werden; ob im Grünland zulässige oder nicht zulässige Bauten vorhanden sind, spielt für die Qualifikation des Planvorhabens als Baulandsplitter hingegen keine Rolle.
Schon dieser eindeutige Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Z. 7 ROG rechtfertigte die Versagung, sodass es eines Eingehens auf die übrigen von der belangten Behörde geltend gemachten Versagungsgründe nicht bedarf. Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet; auf Grund der eindeutigen Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am