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VwGH vom 30.05.2000, 99/05/0021

VwGH vom 30.05.2000, 99/05/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Dipl. Ing. Andreas Hofer, 2. der Eva Beneder und 3. des Stefan Hofer, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Erich Ehn, Rechtsanwalt in Wien I, Seilerstätte 28, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B X - 6/98, betreffend Gehsteigherstellung gemäß § 54 Abs. 6 Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Eigentümer der Liegenschaft Grundäckergasse ONr. 11, EZ 37 des Grundbuches der KG Oberlaa Land, gemäß § 54 Abs. 6 Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides entlang der Baulinie des Bauplatzes einen bauordnungsmäßigen Gehsteig herstellen zu lassen.

Die dagegen von den Beschwerdeführern als Eigentümern der angeführten Liegenschaft erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es unbestritten sei, dass das Grundstück der Beschwerdeführer unbebaut sei. Im Hinblick auf das Kriterium der "überwiegenden Bebauung" hätten die im Berufungsverfahren ergänzten Ermittlungen ergeben, dass die Grundäckergasse an der Seite der ungeraden Hausnummern bis auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer durchgehend verbaut sei. Bei der Grundäckergasse handle es sich somit um eine Verkehrsfläche, an der bereits überwiegend Baulichkeiten errichtet worden seien. Da lediglich die Liegenschaft der Beschwerdeführer unverbaut sei, sei diese als Baulücke im Sinne des § 54 Abs. 6 Bauordnung für Wien anzusehen und sei damit auch der Auftrag zur Herstellung eines Gehsteiges in endgültiger Bauart möglich. Diese Aussage werde durch eine im Auftrag der Berufungsbehörde von der Magistratsabteilung 37/10 verfasste und den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachte Skizze bestätigt. Diese Feststellungen könnten die Beschwerdeführer durch die bloße Behauptung, nur für weniger als die Hälfte dieser Grundstücke bestünde eine gesetzliche Verpflichtung zur Gehsteigherstellung, nicht widerlegen. Zur Frage, ob öffentliche Interessen die Errichtung eines Gehsteiges vor der Liegenschaft der Beschwerdeführer erfordere, sei das Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom eingeholt worden. Auf Grund der als schlüssig beurteilten Ausführungen dieses Gutachtens nahm es die belangte Behörde als erwiesen an, dass die Errichtung eines Gehsteiges vor der Liegenschaft der Beschwerdeführer zur Gewährleistung der sicheren Benützbarkeit der Grundäckergasse durch Fußgänger erforderlich sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörden stützen sich im vorliegenden Fall auf § 54 Abs. 6 Bauordnung für Wien i.d.F. LGBl. Nr. 18/1976 (im Folgenden: BO). Der gesamte § 54 wurde zwar mit der Novelle LGBl. Nr. 45/1996 geändert und enthielt eine Regelung, wie sie § 54 Abs. 6 in der angeführten Fassung vorgesehen hat, nicht mehr. Diese Novelle ist jedoch noch vor ihrem Inkrafttreten am durch die weitere Novelle zur BO, LGBl. Nr. 40/1997, wieder aufgehoben worden. Es wurde ausdrücklich angeordnet, dass u.a. § 54 BO in der am geltenden Fassung (das ist die Fassung der angeführten Novelle LGBl. Nr. 18/1976) weiter in Kraft steht.

§ 54 Abs. 6 BO in der angeführten Fassung ordnet Folgendes an:

"Wenn öffentliche Interessen dies erfordern, kann die Behörde dem Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft den Auftrag erteilen, dass vor unbebauten Grundstücken im Zuge von Verkehrsflächen, an denen bereits überwiegend Baulichkeiten errichtet worden sind, ein Gehsteig in vorläufiger Bauart herzustellen ist; vor Baulücken und Einfahrten kann die Behörde auch die Herstellung des Gehsteiges in endgültiger Bauart verlangen."

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie schon in der Berufung vorgetragen hätten, dass an der Südseite der Grundäckergasse, an der auch ihr Grundstück gelegen sei, zahlreiche weitere Grundstücke unbebaut seien. Ermittlungen der Magistratsabteilung 37/10 hätten ergeben, dass nur ihr Grundstück unbebaut sei. Die belangte Behörde habe sich nicht mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht. Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift im Besonderen darauf hingewiesen, dass etliche Grundstücke zwischen den beiden Verkehrsflächen der Grundäckergasse und der Oberlaaer Straße gelegen und bebaut seien. Für die belangte Behörde war in Bezug auf die Frage der überwiegenden Bebauung an der Grundäckergasse einzig und allein maßgeblich, dass die unmittelbar an der Grundäckergasse südseitig gelegenen Grundstücke bebaut sind, unabhängig davon, an welcher Stelle der in Frage stehenden Grundstücke die Bebauung erfolgt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur bezüglich des Kriteriums der überwiegenden Bebauung an einer Verkehrsfläche zu der Problematik der Lage vorhandener Bauten auf den unmittelbar an die Verkehrsfläche angrenzenden Grundstücken (die zwischen zwei Verkehrsflächen gelegen sind) bisher noch nicht Stellung nehmen müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 83/05/0095, BauSlg. Nr. 416, und vom , Zl. 88/05/0146). Das Kriterium "im Zuge von Verkehrsflächen, an denen bereits überwiegend Bauten errichtet worden sind" in § 54 Abs. 6 BO muss aber in dem Falle, dass ein Grundstück zwischen zwei Verkehrsflächen gelegen ist, dahin ausgelegt werden, dass nur jene Bebauung von unmittelbar an die fragliche Verkehrsfläche angrenzenden Grundstücken maßgeblich ist, die entlang oder im Nahebereich der zu dieser Verkehrsfläche verlaufenden Baufluchtlinie gelegen ist. Die Beschwerdeführer haben sich in der Berufung und in ihrer Stellungnahme im Berufungsverfahren insbesondere auf jene Grundstücke als unbebaut berufen, auf denen die auf dem Grundstück errichteten Bauten im Nahebereich zu der anderen Verkehrsfläche, der Oberlaaer Straße, errichtet worden waren. Ausgehend von der erwähnten unzutreffenden Rechtsauffassung hat die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, ob in diesem Sinne an der Grundäckergasse auf der Seite des Grundstückes der Beschwerdeführer bereits eine überwiegende Bebauung vorliegt. Sie hat sich daher auch nicht mit dem in diese Richtung gehenden Vorbringen der Beschwerdeführer auseinander gesetzt. Auf Grund der vorliegenden Akten kann diese Frage vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beantwortet werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalsätze (u.a. für Schriftsatzaufwand) abzuweisen. In diesem Pauschalsatz ist die Umsatzsteuer mitenthalten.

Von der von den Beschwerdeführern beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am