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VwGH vom 20.12.1994, 94/04/0232

VwGH vom 20.12.1994, 94/04/0232

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der X-GmbH in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes vom , Zl. BMU 7/93-3 und BMU 8/93-3, betreffend Musterschutz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes vom wurden die von der Beschwerdeführerin am eingereichten zwei Musteranmeldungen abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in einer Sammelmusteranmeldung zunächst zehn Muster angemeldet, in der Folge sodann auf acht dieser Muster verzichtet. Zu MU n1/92 seien von der Beschwerdeführerin zwei schwarz-weiß Fotos in zweifacher Ausfertigung vorgelegt und das Warenverzeichnis Kl. 05-03 "Stickerei mit Knöpfen" beansprucht worden. Zu MU n2/92 sei von ihr ein schwarz-weiß Foto in zweifacher Ausfertigung vorgelegt und das Warenverzeichnis Kl. 05-03 "Stickerei" beansprucht worden. Die zu MU n1/92 vorgelegte Beschreibung laute: "Die Stickerei mit Knöpfen kann, wie in den Abbildungen dargestellt, im Bereich der Knopflöcher einer Jacke angebracht sein." Auf dem einen zur erstgenannten Anmeldung vorgelegten Foto sei eine Teilansicht einer Knopfleiste eines Oberbekleidungsstückes zu sehen, auf der vier Knopflöcher mit Metallknöpfen abgebildet seien, wobei zwischen dem ersten und zweiten Knopfloch fünf kleinere Knöpfe in Längsrichtung angenäht und links daneben eine Stickerei, die linksbündig mit den Knopflöchern abschließe, aufgestickt seien. Die zweite Abbildung zeige eine Detailansicht der ersten Abbildung und beinhalte zwei Knopflöcher mit fünf kleinen Knöpfen und Stickereien. Die zur zweiten Anmeldung vorgelegte Abbildung zeige eine Stickerei, wobei in der Mitte ein Hirsch seitlich stehend, links davon zweimal der Großbuchstabe "A" und rechts davon zweimal der Großbuchstabe "B", darunter links "Anno" und darunter rechts "1867" eingestickt seien. Eingerahmt werde die oben beschriebene Stickerei rechts und links oben, sowie unten von Blumengirlanden. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die Beschwerdeabteilung aus, gemäß § 1 Abs. 1 MuSchG sei ein Muster das Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses. Ein Erzeugnis sei laut Duden, Bedeutungswörterbuch, ein Produkt bzw. eine Ware. Gewerblich bedeute, daß das Produkt bzw. die Ware auf irgendeinem gewerblichen Gebiet hergestellt oder benutzt werden könne. Die gewerblichen Erzeugnisse müßten selbständig verkehrsfähig sein. Aus der Formulierung des § 1 "eines gewerblichen Erzeugnisses" ergebe sich weiters, daß der Schutz immer nur ein einheitliches Erzeugnis betreffe, nicht jedoch eine Anordnung mehrerer selbständiger Erzeugnisse. Das Muster müsse geeignet sein, einem gewerblichen Erzeugnis als Vorlage zu dienen und es müsse als Vorlage für ein gewerbliches Erzeugnis bestimmt sein. Gemäß § 12 Abs. 2 MuSchG sei das Muster, = das Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses, bei der Anmeldung durch Vorlage einer Musterabbildung oder eines Musterexemplares zu offenbaren. Gemäß § 12 Abs. 4 leg. cit. seien weiters die Erzeugnisse, für die das Muster bestimmt sei, anzugeben. Für die vorliegenden Anmeldungen sei als Ware, für die Schutz begehrt werde, "Stickerei" angegeben worden. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, daß man unter "Stickerei" ein "Muster aus Fäden auf Stoff" bzw. "mit der Hand oder mit Maschine ausgeführte Darstellungen oder Verzierungen auf Geweben oder ähnlichem" verstehe. Gemäß Duden,

Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Band 6, verstehe man unter "Stickerei" 1. das Sticken und

2. a) ein gesticktes Muster oder b) eine gestickte Verzierung bzw. etwas, was mit gestickten Mustern oder gestickten Verzierungen versehen ist. Gemäß dem großen deutschen Wörterbuch (C. Bertelsmann-Verlag) sei Stickerei 1. das Sticken und 2. ein durch Sticken verzierter Gegenstand. Diese letzte angeführte Definition müsse man für die Ware "Stickerei" im Warenverzeichnis der internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle nach dem Abkommen von Locarno heranziehen. Alle anderen Definitionen beträfen kein "gewerbliches Erzeugnis", das heißt keinen gestalteten Gegenstand im Sinne des Musterschutzgesetzes. Der Schutz als "Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses" bedinge eine Abbildung des gewerblichen Erzeugnisses zur Gänze, also im gegenständlichen Fall "einen durch Sticken verzierten Gegenstand". Die Beschwerdeführerin irre, wenn sie meine, ein Erfordernis, das Erzeugnis, für welches das Muster ein Vorbild sein solle, also an dem das Muster verwirklicht sei, durch die Abbildung in seinen äußeren Grenzen erkennbar zu offenbaren, bestehe im Musterschutzgesetz nicht bzw. sei aus diesem nicht herleitbar. Der Umstand, daß das Aussehen eines Erzeugnisses und nicht das Aussehen einzelner seiner Merkmale, Bereiche oder Teile Gegenstand des Musterschutzes sei, bedeute, daß das Muster durch eine Gesamtansicht des Erzeugnisses zu offenbaren sei. In den erläuternden Bemerkungen, 1141 BLGNR. 17.GP, zum Musterschutzgesetz 1990 heiße es zu § 1: "dem Musterschutz zugänglich sind demnach die das Aussehen eines solchen Erzeugnisses bestimmenden Merkmale in ihrer Gesamtheit, sodaß eine zergliedernde Betrachtungsweise unzulässig erscheint". Hieraus folge, daß der Musterschutz nicht das Aussehen einzelner Merkmale, Bereiche oder Teile eines Erzeugnisses erfasse, sondern ausschließlich das Aussehen des Gesamterzeugnisses. Zu MU n1/92 begehre die Beschwerdeführerin Schutz für, wie sie in ihrer Äußerung vom ausgeführt habe, "eine Stickerei mit Knöpfen, die so wie in den Abbildungen dargestellt ist, im Bereich der Knopflöcher einer Jacke (die ihrerseits nicht Gegenstand des Musterschutzes ist) angebracht sein kann." Schutz werde also begehrt für ein "Design" und nicht für ein gewerbliches Erzeugnis als solches. Die Beschwerdeführerin vermeine dabei irrtümlich, dadurch, daß das Wort "Stickerei" in der Klassifikation des Abkommens von Locarno genannt werde, werde ein Schutz für "auf die besondere Art und Weise der Anordnung und Ausführung der Stiche aus denen die Stickerei bestehe" gewährt. Sie führe aus, für den gegenständlichen Fall sei nur die Ausbildung der Stickerei als solche, die Zuordnung der Knöpfe zu der Stickerei und die Anordnung der Knöpfe untereinander maßgeblich. Ein Schutz für diese Kombination als solche könne jedoch durch den Musterschutz nicht erworben werden. Lediglich wenn ein "durch Sticken verzierter Gegenstand" zur Gänze dargestellt wäre, der die Kombination aufwiese, z.B. ein Kleidungsstück oder aber auch eine Meterware, könnte für das entsprechend dargestellte gewerbliche Erzeugnis der Schutz erworben werden. Diese Ausführungen träfen auch für die zu MU n2/92 erfolgte Anmeldung zu. Zum Unterschied zur erstgenannten Anmeldung ergebe sich hier aber aus der vorgelegten Abbildung nicht ohne weiteres, daß kein gewerbliches Erzeugnis im Sinne des Musterschutzgesetzes dargestellt sei. Die Abbildung könnte durchaus einen konkreten Gegenstand zeigen bzw. man könnte, wäre es entsprechend dargelegt worden, vermeinen, es sei ein Teil einer nichtkonfektionierten Meterware abgebildet. Erst die Warenangabe und vor allem die Ausführungen der Beschwerdeführerin insbesondere in der mündlichen Verhandlung dahingehend, es werde nicht für einen "durch Sticken verzierten Gegenstand" Schutz begehrt, sondern für die Anordnung und Ausführung der Stiche, also für ein "Muster aus Fäden auf Stoff", führten zur Unzulässigkeit der Anmeldung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Registrierung der Muster aufgrund ihrer gesetzmäßig erfolgten Musteranmeldung verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, entgegen der Annahme der belangten Behörde seien Stickereien selbständig verkehrsfähig, wie nachfolgendes Beispiel zeige: Der Besitzer eines Kleidungsstückes oder eines Stoffstückes gehe in ein Geschäft, in dem Stickereien erzeugt würden und erteile den Auftrag, auf dem Bekleidungsstück die in den beim Patentamt hinterlegten Abbildungen gezeigte Stickerei mit Knöpfen bzw. auf dem Stoffstück die dargestellte Stickerei anzubringen ("zu erzeugen"). Der Kunde erwerbe also nicht etwa ein "Bekleidungsstück" oder eine "Meterware", sondern nur die Stickerei als ein vom Geschäft gewerblich hergestelltes Erzeugnis. Dieses Erzeugnis sei daher selbständig verkehrsfähig. Die selbständige Verkehrsfähigkeit ergebe sich aus der Tatsache, daß die Stickereien auch als solche verkauft werden könnten, um dann beispielsweise auf einem Bekleidungsstück oder auf einem Polster angebracht oder um als Bild aufgehängt zu werden. Bei einer Stickerei sei es schon begrifflich erforderlich, daß sie auf einem Träger angebracht sein müsse. Sie könne entweder auf dem Träger verkauft oder, wie im obigen Beispiel beschrieben, auf einem vom Kunden mitgebrachten Träger angebracht werden. In jedem Fall handle es sich bei der Stickerei um ein einheitliches selbständiges verkehrsfähiges Erzeugnis. Bei einer Stickerei komme es nicht auf den Träger an und auch nicht, ob dieser meterweise verkauft werde oder nicht, sondern auf die besondere Art und Weise der Anordnung und Ausführung der Stiche, aus denen die Stickerei bestehe. Auch bei der Stickerei mit Knöpfen sei der Träger für das Muster nicht maßgeblich. Maßgeblich sei hingegen lediglich die Ausbildung der Stickerei als solche, die Zuordnung der Knöpfe zu der Stickerei und die Anordnung der Knöpfe untereinander. Zusammenfassend sei festzuhalten, daß sowohl eine "Stickerei mit Knöpfen" als auch eine "Stickerei" ein gewerbliches Erzeugnis sei, für welches die angemeldeten Muster Vorbild seien. Da gemäß § 1 Abs. 1 MuSchG ein Muster das Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses sei und die von der Beschwerdeführerin angemeldeten Muster diesem Erfordernis entsprächen, seien die von ihr angemeldeten Muster auch antragsgemäß zu registrieren. Durch die von ihr vorgelegten Abbildungen der Muster habe sie diese auch gehörig geoffenbart. § 12 Abs. 2 MuSchG schreibe vor, daß das Muster, nicht aber auch der Mustergegenstand oder etwa das Erzeugnis bei der Musteranmeldung durch Vorlage einer Abbildung zu offenbaren sei. Weiters könne gemäß § 12 Abs. 3 MuSchG zur Erläuterung des Musters eine Beschreibung überreicht werden. Es sei im MuSchG nicht festgelegt, daß gleichzeitig mit der Musteranmeldung wenigstens eine Abbildung des Erzeugnisses auf dem oder an dem das Muster verwirklicht werden solle, in seinen äußeren Grenzen erkennbar wiedergegeben sein müsse. Es müsse dem Musteranmelder überlassen sein, ob er ein Musterrecht erwerben wolle, das ein Vorbild für das Aussehen des gesamten Erzeugnisses (z.B. Jacke mit Stickerei) sei oder ob er stattdessen oder zusätzlich eines oder mehrere Muster erwerbe, welche Vorbild für das Aussehen von charakteristischen Teilen des Gesamterzeugnisses (z.B. Stickerei, Kragen) seien. Diese Möglichkeiten seien auch in der Lehre anerkannt, wonach für das Aussehen eines (selbständig verkehrsfähigen oder nichtverkehrsfähigen) Teiles eines Erzeugnisses Musterschutz erworben werden könne. Es müsse daher die vorgelegte Abbildung lediglich das Muster offenbaren. Der Beschreibung zum Muster MU 2924/92 habe die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom eine klargestellte Fassung dahingehend gegeben, daß die Stickerei mit den Knöpfen so wie in den Abbildungen dargestellt im Bereich der Knopflöcher einer Jacke - die ihrerseits nicht Gegenstand des Musterschutzes sei - angebracht sein könnten. Dadurch komme klar zum Ausdruck, daß nicht die Jacke, die nur als Beispiel dafür diene, wo das Muster angebracht werden könne, Gegenstand des Musterschutzes sein solle. Die Beschreibung die zur Musteranmeldung MU n1/92 vorgelegt worden sei, sei auch ein Teil der Offenbarung des Musters, da im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 MuSchG im § 12 Abs. 3 MuSchG nicht ausgeführt sei, daß die Beschreibung des Musters für dessen Offenbarung außer Betracht zu bleiben habe. Es folgen sodann Ausführungen zur Klassifikation der Muster nach dem Abkommen von Locarno. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte, wenn sie auf den Abbildungen das Bekleidungsstück als ein "störendes" und daher im Sinne des § 13 PAV unzulässiges Beiwerk angesehen habe, die Beschwerdeführerin auffordern müssen, ihre Musteranmeldung entsprechend zu verbessern.

Gemäß § 1 Abs. 1 Musterschutzgesetz 1990 (MuSchG) ist Muster im Sinne dieses Bundesgesetzes das Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann für neue Muster, die weder ärgerniserregend sind noch gegen die öffentliche Ordnung oder das Doppelschutzverbot verstoßen, nach diesem Bundesgesetz Musterschutz erworben werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 94/04/0097, ausgesprochen hat, kann als gewerbliches Erzeugnis im Sinne dieser Gesetzesstelle nur ein einheitlicher, selbständiger und verkehrsfähiger Gegenstand angesehen werden. Teilen eines solchen gewerblichen Erzeugnisses kommt hingegen Musterschutz nicht zu. Daraus folgt aber, daß auch einem bloßen Design, also der Gestaltung von Teilen eines gewerblichen Erzeugnisses Musterschutz nicht zukommen kann.

Im vorliegenden Fall begehrt die Beschwerdeführerin Musterschutz für eine besondere Gestaltung einer auf beliebigen Trägerobjekten anzubringenden Stickerei, verstanden als "gegenseitige Zuordnung von Strickfäden bzw. eine solche Stickerei samt Knöpfen, wobei Gegenstand des begehrten Musterschutzes nicht das fertige Trägerobjekt samt Stickerei, sondern lediglich die besondere Form der Stickerei sein soll". Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, begehrt die Beschwerdeführerin somit Musterschutz für ein "Design", was aber, wie oben dargelegt, nicht Gegenstand des Schutzes nach § 1 MuSchG sein kann. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Abweisung dieses Begehrens durch die belangte Behörde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Beschwerdeausführungen zur Frage der Klassifikation der angemeldeten Muster nach dem Abkommen von Locarno einzugehen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.