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VwGH vom 17.03.1997, 96/17/0326

VwGH vom 17.03.1997, 96/17/0326

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des C in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 011534/1 - 1995 Gm/Die, betreffend Vorstellung i.A. Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Gehsteiges öffentlicher Verkehrsflächen (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom wurde über Antrag des Beschwerdeführers die Bauplatzbewilligung für das Grundstück Nr. 7N2/10, EZ. N1, KG U, erteilt. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am .

Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 20, 21 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35/1976 (im folgenden O.ö. BauO 1976), in der geltenden Fassung, für diesen Bauplatz ausgehend von einer anrechenbaren Gehsteigbreite von 1,70 m, einer anrechenbaren Frontlänge von 27,06 m, dem Einheitssatz von S 907,-- pro m2, unter Berücksichtigung der Ermäßigung gemäß § 20 Abs. 10

O.ö. BauO 1976 im Ausmaß von 60 v.H. ein Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Gehsteiges öffentlicher Verkehrsflächen in der Höhe von S 16.689,-- vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, gemäß § 3 Abs. 1 O.ö. Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 30/1984 (im folgenden O.ö. LAO), entstehe der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpfe. Im vorliegenden Fall sei die Bauplatzbewilligung mit Bescheid vom erteilt worden. Die Errichtung des Gehsteiges entlang des bewilligten Bauplatzes sei im September 1994 erfolgt. Der Abgabentatbestand des § 21 in Verbindung mit § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976 sei daher mit der Errichtung des Gehsteiges noch im zeitlichen Geltungsbereich der O.ö. BauO 1976 verwirklicht worden.

Der betreffende Gehsteig sei von der mitbeteiligten Stadtgemeinde auf einer Grundfläche errichtet worden, welche durch Straßenfluchtlinien als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen sei und daher auch in straßenrechtlicher Hinsicht als öffentliche Verkehrsfläche gelte. Es sei daher unzweifelhaft, daß das in § 21 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 umschriebene Tatbestandsmerkmal der "Errichtung eines Gehsteiges im Zuge einer öffentlichen Verkehrsfläche" erfüllt worden sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, angesichts der zeitlichen Abfolge, nämlich der Erteilung der Bauplatzbewilligung im Jahre 1991 und der Errichtung des Gehsteiges im September 1994 sei die Abgabenvorschreibung auf § 21 i.V.m. § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976 zu stützen. Abgabentatbestand sei daher die Errichtung des Gehsteiges. Die Argumentation des Beschwerdeführers, die Abgabe hätte anläßlich der Bauplatzbewilligung vorgeschrieben werden müssen, gehe daher ins Leere. Im übrigen sei ein "zeitlicher Zusammenhang" zwischen Entstehung des Abgabenanspruches und Vorschreibung der ziffernmäßig bestimmten Abgabe vom Gesetz nur insoweit gefordert, als seit Entstehen des Abgabenanspruches die Bemessungsverjährungsfrist noch nicht abgelaufen sein dürfe.

Ob den Eigentümern anderer an der "T-Straße" gelegener Bauplätze ebenfalls ein Gehsteigkostenbeitrag vorgeschrieben worden sei oder nicht, sei bedeutungslos, weil allein aus dem Umstand, daß in gleichgelagerten anderen Fällen eine gesetzwidrige Entscheidung getroffen bzw. eine Rechtsvorschrift nicht angewendet worden sei, niemand einen Rechtsanspruch darauf ableiten könne, daß dieselbe Gesetzesverletzung auch bei ihm zur Anwendung komme.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe für den Gehsteig bereits einen Teil des Grundstückes an die mitbeteiligte Landeshauptstadt abtreten müssen und habe anläßlich der Bauplatzbewilligung für diesen abgetretenen Grundstücksteil nochmals S 800,-- pro m2 zu bezahlen und zusätzlich eine Anliegerleistung zur Fahrbahnerrichtung zu erbringen gehabt, sei entgegenzuhalten, daß die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten der Errichtung der Fahrbahn bzw. eines Gehsteiges durch die vorherige Abtretung von Grundflächen nicht gehindert werde. Die kumulative Vorschreibung von Beiträgen zu den Grunderwerbskosten, zu den Kosten der Errichtung der Fahrbahn und zu den Kosten der Errichtung des Gehsteiges sei zulässig, wie die Systematik der §§ 19, 20 und 21 O.ö. BauO 1976 zeige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten der Herstellung des Gehsteiges einer öffentlichen Verkehrsfläche mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 und § 21 O.ö. BauO 1976 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 82/1983 und LGBl. Nr. 33/1988, lauteten auszugsweise:

"§ 20

Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn

öffentlicher Verkehrsflächen

(1) Hat die Gemeinde eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet, so hat sie anläßlich der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung der Fahrbahn dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrages trifft den Eigentümer jener Grundflächen, für die die Bewilligung gemäß § 4 oder § 7 erteilt wird.

(3) Die Höhe des Beitrages ist gleich dem Produkt aus der anrechenbaren Breite der Fahrbahn (Abs. 4), der anrechenbaren Frontlänge (Abs. 5) und dem Einheitssatz (Abs. 6).

...

(11) Wird eine öffentliche Verkehrsfläche von der Gemeinde erst nach Erteilung der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Bewilligung der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) errichtet, so ist der Beitrag anläßlich der Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben. Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 10 gelten mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Beitrag erst nach der Beschlußfassung des Gemeinderates über die Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche vorgeschrieben werden kann und daß der Beitrag drei Monate nach Rechtskraft der Vorschreibung fällig wird.

...

§ 21

Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Gehsteiges

öffentlicher Verkehrsflächen

(1) Wird im Zuge einer öffentlichen Verkehrsfläche ein Gehsteig errichtet, so hat die Gemeinde einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung dieses Gehsteiges vorzuschreiben.

(2) Hinsichtlich dieses Beitrages gelten die Bestimmungen des § 20 sinngemäß mit folgenden Abweichungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Anrechenbare Breite des Gehsteiges ist die im Bebauungsplan festgesetzte Gehsteigbreite, wenn der Gehsteig (die Gehsteigbreite) im Bebauungsplan aber nicht gesondert ausgewiesen ist bzw. ein Bebauungsplan nicht besteht, die Breite, in der der Gehsteig tatsächlich errichtet wird, in allen Fällen höchstens aber eine Breite von drei Metern.
b)
Den Einheitssatz hat der Gemeinderat durch Verordnung nach den durchschnittlichen Kosten der Herstellung von Gehsteigen in den jeweils ortsüblichen Ausführungen pro Quadratmeter hinsichtlich jeder dieser Ausführungen festzusetzen; der Bemessung der Höhe des Beitrages ist der jeweils in Betracht kommende Einheitssatz zugrundezulegen.

(3) ..."

§ 60 Abs. 1 und 2 der O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/1994, lauten:

"(1) Dieses Landesgesetz tritt mit in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes tritt das Landesgesetz vom , mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird (O.ö. Bauordnung - O.ö. BauO.), LGBl. Nr. 35/1976, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 59/1993 und die Kundmachung LGBl. Nr. 32/1994, mit Ausnahme der §§ 35 bis 40 außer Kraft."

Enthalten materiell-rechtliche Abgabenvorschriften keine besonderen Anordnungen über den Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, so ist prinzipiell jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/17/0178).

Gemäß § 3 Abs. 1 O.ö. LAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft.

Nach § 21 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 ist der Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Gehsteiges öffentlicher Verkehrsflächen vorzuschreiben, wenn im Zuge einer öffentlichen Verkehrsfläche ein Gehsteig errichtet wird. Hinsichtlich dieses Beitrages gelten aus dem Grunde des § 21 Abs. 2 O.ö. BauO 1976 die Bestimmungen des § 20 O.ö. BauO 1976 unbeschadet der für die Berechnung der Abgabe getroffenen abweichenden Bestimmungen sinngemäß. Der Verweis des § 21 Abs. 2 O.ö. BauO 1976 bezieht sich auf dessen § 20 in seiner Gesamtheit, umfaßt also sowohl den Abgabentatbestand des § 20 Abs. 1, als auch jenen des § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976. Der Verweis bedeutet, daß das in den letztgenannten Abgabentatbeständen umschriebene Tatbestandselement der "Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche" zur Ermittlung des Abgabentatbestandes für den Beitrag nach § 21 O.ö. BauO 1976 durch das in § 21 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 umschriebene Tatbestandselement der "Errichtung eines Gehsteiges im Zuge einer öffentlichen Verkehrsfläche" zu ersetzen ist. Die Wortfolge "im Zuge" ist nicht in zeitlicher, sondern in örtlicher Hinsicht zu verstehen und bedeutet soviel wie "entlang". Der Zweck des Beitrages zu den Kosten der Herstellung eines Gehsteiges öffentlicher Verkehrsflächen verwirklicht sich nämlich unabhängig davon, ob der Gehsteig in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche selbst, oder aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, hergestellt wird.

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, kommt der Tatbestand des § 21 iVm § 20 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 vorliegendenfalls schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Gemeinde im Zeitpunkt der Bewilligung des Bauplatzes den Gehsteig noch nicht errichtet hatte.

Als Rechtsgrundlage der Abgabenvorschreibung käme daher ausschließlich § 21 O.ö. BauO 1976 iVm § 20 Abs. 11 leg. cit. in Betracht. Unstrittig ist, daß der Gehsteig im Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung bereits errichtet war und entlang der vom Beschwerdeführer selbst als öffentliche Verkehrsfläche qualifizierten "T-Straße" verläuft. Damit allein sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 iVm § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976 noch nicht erfüllt. Nach dem zweiten Satz des § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976 kann der Beitrag nämlich erst nach der Beschlußfassung des Gemeinderates über die Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche (aus dem Grunde des § 21 Abs. 1 und 2 O.ö. BauO 1976 hier: des Gehsteiges) vorgeschrieben werden. Die bloß faktische Errichtung reicht daher zur Verwirklichung des Abgabentatbestandes nicht aus. Die Zulässigkeit der Abgabenvorschreibung ist auch davon abhängig, daß der Gemeinderat einen Beschluß über die Herstellung des Gehsteiges im Zuge der öffentlichen Verkehrsfläche gefaßt hat.

Feststellungen in diese Richtung wurden von der Berufungsbehörde nicht getroffen. Indem die belangte Behörde ungeachtet dieser Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides die Vorstellung des Beschwerdeführers abwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Falle der Verwirklichung des Abgabentatbestandes nach § 21 iVm § 20 Abs. 11 O.ö. BauO 1976 bestünden auch unter Berücksichtigung des Gebotes verfassungskonformer Interpretation unter Beachtung des Grundrechtes des Beschwerdeführers auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie des Gleichheitsgrundsatzes vor dem Hintergrund der hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/17/0097, und vom , Zl. 92/17/0108, gegen die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten der Errichtung eines Gehsteiges im Zuge einer öffentlichen Verkehrsfläche keine Bedenken. Dies gilt unabhängig davon, ob den Eigentümern benachbarter Grundstücke ebenfalls ein solcher Beitrag vorgeschrieben wurde oder nicht (vgl. hiezu die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rz 1357, wiedergegebene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).

Zutreffend ist auch die Beurteilung der belangten Behörde, daß ein zeitliches Naheverhältnis zwischen der Entstehung des Abgabenanspruches und der Vorschreibung nicht zu fordern ist, sondern letztere innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist erfolgen kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).