VwGH vom 20.10.1999, 99/04/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. C in G, vertreten durch E & Partner, Rechtsanwaltssozietät in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 321.174/1-III/A/9/99, betreffend Verweigerung der Parteistellung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: H Gesellschaft m.b.H. in P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei stellte am in Ansehung ihrer Betriebsanlage den "Antrag zur Errichtung und Betriebnahme einer Dampfkesselanlage in Verbindung mit einer Änderungsgenehmigung der gegenständlichen Anlagen gemäß den Bestimmungen des § 81 (1) GewO". Mit Kundmachung vom beraumte der Landeshauptmann von Steiermark als Gewerbebehörde erster Instanz über dieses Ansuchen für den 26. und eine Verhandlung an. Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Steiermark der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 81, 334 Z. 7, §§ 356b und 359 GewO 1994 unter Zugrundelegung der Bestimmungen des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen und der Bestimmungen des ASchG sowie gemäß den §§ 49 und 50 Forstgesetz in Verbindung mit der zweiten Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen die beantragte Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen.
In einem mit datierten und am bei der Erstbehörde eingelangten Schreiben erklärte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den "nach Durchführung der öffentlichen Verhandlung am 26. und " erlassenen Bescheid vom , er erachte sich u. a. im Recht auf gesetzmäßige Anwendung der Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, insbesondere der Bestimmungen des § 29 Abs. 1 Z. 3, im Recht auf Anwendung der Bestimmungen des § 3 und des § 30 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und damit zusammenhängend im Recht auf gesetzmäßige Anwendung des § 56 AVG verletzt, weil er seiner Meinung nach in jedem Fall als Nachbar, der durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb des Vorhabens gefährdet oder belästigt werde, betroffen sei. Die Erstbehörde forderte daraufhin den Beschwerdeführer mit Schreiben vom auf, mitzuteilen, aus welchen Gründen konkret er offensichtlich zu der Meinung gelangt sei, dass es sich im Gegenstand um eine Anlage handle, die dem Regime des AWG bzw. des UVP unterliege und in welchen subjektiv-öffentlichen Rechten er sich in der gegenständlichen Angelegenheit verletzt fühle. Mit Eingabe vom (bei der Erstbehörde eingelangt am ) erklärte der Beschwerdeführer, er sei grundbücherlicher Eigentümer näher bezeichneter Waldgrundstücke, die im unmittelbaren Einzugsgebiet der in Rede stehenden Betriebsanlage lägen. Von dieser Betriebsanlage gingen Emissionen in Form von Staub, Rauch und vor allem Luftschadstoffen aus, die diese Grundstücke samt dem darauf befindlichen Haus (aus näher bezeichneten Gründen) gefährdeten, weshalb er die Anträge stellte, ihm Parteistellung einzuräumen, ihm Akteneinsicht zu gewähren und ihm die im gegenständlichen Verfahren ergangenen Bescheide zuzustellen.
Nach einer entsprechenden Urgenz wies die Erstbehörde diese Anträge mit Bescheid vom gemäß § 356 Abs. 1 und 3 GewO 1994 mit der Begründung zurück, der Beschwerdeführer habe "in der Zeit zwischen der Kundmachung GZ. 04-15.1/193-97/56 vom und der Augenscheinsverhandlung vom " keine Einwände im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 erhoben und somit keine Parteistellung erlangt.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom wurde die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage führte der Bundesminister zur Begründung aus, wie aus dem Verfahrensakt hervorgehe, sei die Kundmachung vom , welche die Verhandlung für den
26. und festgelegt habe, sowohl in der Marktgemeinde P. als auch in der Marktgemeinde W. an der Amtstafel vom bis zum angeschlagen gewesen. Die mit gleichzeitig ergangene Kundmachung zur Vorbesprechung bzw. wasserrechtlichen Vorprüfung sei nur an die mitbeteiligte Partei, die beiden genannten Gemeinden und an alle jene Ämter der Steiermärkischen Landesregierung, die dem Änderungsgenehmigungsverfahren beizuziehen gewesen seien, ergangen. Es sei somit die den eigentlichen Verhandlungstermin beinhaltende Kundmachung rund drei Wochen an der Amtstafel der betroffenen Gemeinden ausgehängt gewesen, weshalb die Bekanntmachung den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen habe. Wie aus dem Verteiler der Kundmachung weiters hervorgehe, sei diese den unmittelbar an der Betriebsanlage anrainenden Nachbarn, wie vom Gesetz vorgeschrieben, direkt zugestellt worden. Weiters beinhalte die Kundmachung die Anleitung, unter welchen Voraussetzungen und von welchem Zeitpunkt an ein Nachbar Partei des Verfahrens werde sowie dass im Falle der Nichterhebung von Einwänden Präklusion eintrete. Der Beschwerdeführer habe erstmals mit Schreiben vom Einwendungen vorgebracht, bei denen es sich allerdings nicht um solche im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 gehandelt habe. Mangels rechtzeitig erhobener Einwendungen sei somit Präklusion eingetreten und es gehe daher der Antrag vom , dem Beschwerdeführer Parteistellung einzuräumen, ins Leere. Ebenso sei das Begehren, Akteneinsicht zu gewähren und die im Verfahren ergangenen Bescheide zuzustellen, zurückzuweisen gewesen, da es sich dabei um Rechte handle, die ausschließlich den Parteien des Verfahrens zustünden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift den Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht, dem in Rede stehenden Verwaltungsverfahren als Partei zugezogen zu werden, verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes weist er auf die Divergenz der Entscheidungsbegründungen der Bescheide erster und zweiter Instanz hin und meint, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, da er mit keiner Silbe ausführe, was die Begründung des erstbehördlichen Bescheides (betreffend die Kundmachung vom ) mit der Begründung des angefochtenen Bescheides (betreffend die Kundmachungen vom ) zu tun habe und wie sich die Richtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides durch die Begründung des beschwerdegegenständlichen Bescheides erklären solle. Die gegenständliche Betriebsanlage betreffend seien am zwei verschiedene und am ein weiterer Bewilligungsbescheid ergangen. In Kenntnis des Akteninhaltes erkenne man, dass einer der Bescheide vom und jener vom schon von vornherein überhaupt nichts mit der Kundmachung vom zu tun haben könne. Wenn man sich vor diesem Hintergrund mit der Begründung des Bescheides erster Instanz auseinander setze, dann erkenne man, dass die dort genannte Kundmachung vom mit den Bescheiden vom nichts zu tun haben könne. Vor diesem Hintergrund werde man verstehen, dass sich der Beschwerdeführer im Endeffekt durch die Begründung des erstbehördlichen Bescheides in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides gleichsam "hin- und hergeschoben" fühle, da offenbar "je nach dem jeweiligen Bescheidverfasser scheinender Opportunität eine andere Begründung dafür gegeben" werde, ihm die Parteistellung abzuerkennen. Derartige Bescheidbegründungen entsprächen nicht den Erfordernissen des § 60 AVG. Dazu komme, dass die Begründung sowohl des erstbehördlichen Bescheides als auch jene des angefochtenen Bescheides inhaltlich unrichtig und rechtswidrig sei. Denn die Kundmachung vom sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil eine ausreichende Vorbereitungszeit nicht gegeben gewesen sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer der Behörde erster Instanz auf Grund seiner Eingabe vom als Beteiligter bekannt gewesen, sodass er gemäß § 41 Abs. 1 AVG jedenfalls durch persönliche Verständigung zu informieren gewesen wäre. Zur Kundmachung vom werde seitens der belangten Behörde vollkommen unberücksichtigt gelassen, dass der Inhalt dieser Kundmachung offenbar überhaupt nichts mit den letztlich ergangenen Bescheiden zu tun habe, sodass ihm der Umstand, dass er seine Einwendungen nicht längstens bei der Verhandlung vom erhoben habe, nicht als zur Präklusion führend angelastet werden könne. Im Übrigen sei auch diese Kundmachung vom als rechtswidrig anzusehen, da die "Anschlagszeit" vom bis zum , die ja nur 15 Werktage umfasse, noch dazu - was der Behörde ja wohl nicht unbekannt gewesen sein dürfte - in der Zeit der steirischen Semester- bzw. "Energieferien" gelegen gewesen sei, womit von einer ausreichenden Vorbereitungszeit im Sinne des § 41 AVG ebenfalls nicht gesprochen werden könne.
Soweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass in dessen Begründung nicht auf die Begründung des erstbehördlichen Bescheides näher eingegangen wird, ist auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG zu verweisen, wonach die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, und nicht mit Aufhebung des angefochtenen Bescheides vorzugehen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Berufungsbehörde ist daher bei Erlassung des Berufungsbescheides, abgesehen von der Bindung an die Sache, in keiner Weise an den Inhalt des erstbehördlichen Bescheides gebunden. Es kann daher auch keine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides begründen, wenn in dessen Begründung lediglich die (eigenständigen) Erwägungen der Berufungsbehörde ohne weiteres Eingehen auf die Begründung des erstbehördlichen Bescheides dargelegt werden. Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich aber der angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum, wenn er in seiner Begründung allein auf den erstbehördlichen Bescheid vom , mit welchem der mitbeteiligten Partei eine gewerbebehördliche Genehmigung erteilt wurde und auf das davor liegende Verwaltungsverfahren Bezug nimmt. Denn auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sich sein verfahrensgegenständlicher Antrag allein auf das mit diesem Bescheid abgeschlossene Verfahren bezieht.
Warum der Beschwerdeführer meint, die Kundmachung vom habe letztlich nichts mit jenem Bescheid vom zu tun, auf den sich sein Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung beziehe, ist für den Verwaltungsgerichtshof in Anbetracht des eingangs dargestellten Verfahrensganges nicht nachvollziehbar.
Schließlich vermag sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht der Rechtsansicht des Beschwerdeführers anzuschließen, die Zeit des Anschlages der Kundmachung vom vom bis zum sei zu kurz gewesen.
Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, ausgenommen in den Fällen des § 359b, auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern bekannt zu geben; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in den Häusern zu dulden. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.
Gemäß § 41 Abs. 2 AVG ist die Verhandlung so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können.
Zwar trifft das Gesetz über die erforderliche Dauer des Anschlages der Kundmachung in der Gemeinde keine ausdrückliche Regelung, aus ihrem Zweck in Verbindung mit der Anordnung des § 41 Abs. 2 AVG ergibt sich aber, dass der Anschlag solange zu dauern hat, dass Nachbarn, die nach § 356 Abs. 1 GewO 1994 nicht persönlich zu laden waren, bei entsprechender Aufmerksamkeit Gelegenheit haben, von der Kundmachung so rechtzeitig Kenntnis zu erlangen, dass sie gegebenenfalls zur Verhandlung rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Auf dem Boden dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof die im konkreten Fall eingehaltene Dauer des Anschlages der Kundmachung in den in Betracht kommenden Gemeinden von drei Wochen und zwei Tagen nicht als zu kurz bemessen zu erkennen. Daran vermag der Umstand, dass in den fraglichen Zeitraum die steirischen Semesterferien gefallen sind, schon deshalb nichts zu ändern, weil das AVG eine den Bestimmungen der §§ 222 ff ZPO über die Gerichtsferien vergleichbare Regelung weder für die so genannten Semesterferien noch für einen sonstigen Zeitraum des Kalenderjahres kennt.
Entsprach aber solcherart die Verlautbarung der Kundmachung vom dem Gesetz und erhob der Beschwerdeführer (wie er nicht bestreitet) bis zum Ende der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz keine Einwendungen gegen das in Rede stehende Projekt, so erweist sich die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in dem zur Erlassung des Genehmigungsbescheides vom führenden Verfahren Parteistellung nicht - und zwar auch nicht durch seine erst mit Schriftsatz vom erhobenen Einwendungen - erlangt, als frei von Rechtsirrtum. Denn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines dem in § 356 Abs 3 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandselemet der unverschuldeten Hinderung, Parteistellung nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle zu erwerben, entsprechenden Sachverhaltes liegen nicht vor und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am