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VwGH vom 10.11.1999, 99/04/0121

VwGH vom 10.11.1999, 99/04/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63-W 366/97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: N W in E, vertreten durch Dr. W & Partner, Rechtsanwalts-KEG in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Genehmigung zur Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage durch Betrieb einer Musikanlage in dem mit "P" bezeichneten Teil der Betriebsanlage erteilt wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1994 die Genehmigung zur Änderung ihrer an einem näher bezeichneten Standort in Wien betriebenen gastgewerblichen Betriebsanlage unter gleichzeitiger Zurückweisung eines Teiles dieses Änderungsbegehrens erteilt, wobei die beabsichtigten Änderungen spruchgemäß wie folgt umschrieben wurden:

"Stromabwärts der Salztorbrücke wird ein Lokal hinzugenommen, das barartig geführt werden soll. Es besteht aus einem ca. 60 m2 großen Gastraum, einer Arbeitnehmergarderobe und einem ca. 6 m2 großen Lager. Es sollen offene Weine ausgeschenkt werden und kleine Imbisse (Erwärmung mit Mikrowellenherd, Nudelkocher) verabreicht werden. Weiters ist ein Eisverkauf geplant. Im Inneren des Lokals werden ca. 30, davor ca. 60 Verabreichungsplätze vorhanden sein. Die Lüftung erfolgt über öffenbare Fenster. Die zugehörige Toilettenanlage soll links neben der Hafenkneipe im Bereich der öffentlichen Toilettenanlagen eingerichtet werden, bestehend aus zwei Damensitzzellen, zwei Herrensitzzellen, einem Herrenarbeitnehmer-WC mit Dusche und drei Pissoirs. Die WCs und die Dusche sollen mechanisch ins Freie entlüftet werden. Es soll eine Musikanlage betrieben werden, wobei die Lautsprecher im Inneren des Lokals situiert sind. Zusätzlich sollen im P sowie im Lokal 'W' Musikanlagen samt Boxen im Inneren betrieben werden. Die gesamte Betriebsanlage soll nunmehr in der Betriebsart einer Bar geführt werden. An das bestehende Lokal W soll ein Schanigartenversorgungsbuffet kaiseitig aufgestellt werden, in dem im Wesentlichen diverse Kochgeräte, ein Donutsfritter und Kühlgeräte betrieben werden sollen. Im Gastgarten vor dem Boot sollen eine flüssiggasbeheizte Pfanne und ein flüssiggasbeheizter Kebabgrill verwendet werden. An den Geräten sollen je eine Flüssiggasflasche mit ca. 11 kg Flüssiggas angeschlossen werden, wobei zwei Ersatzflaschen zu je ca. 11 kg Flüssiggas auf dem P im Freien donaukanalseitig zu Reservezwecken in einem Schutzschrank aufgestellt werden. Das P-Gartl soll anschließend an den Gastgarten des P donaukanalabwärts verlegt werden, entsprechende Absturzsicherung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ist vorgesehen. Bei den ca. 60 Verabreichungsplätzen vor dem neuen Lokal stromabwärts der Salztorbrücke und dem neu situierten 'P-Gartl' (12 Verabreichungsplätze) handelt es sich um Gastgärten gemäß § 148 Abs. 1 GewO 1994. Sie befinden sich auf öffentlichem Grund und sollen von 8.00 bis 22.00 Uhr, von 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr betrieben werden. Sie werden ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen wird vom Gastgewerbetreibenden untersagt. Auf dieses Verbot hinweisende Anschläge werden dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht. In der gesamten Betriebsanlage soll hinkünftig das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar ausgeübt werden."

Die mit diesem Bescheid vorgeschriebenen Auflagen Nr. 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

"1. Die in der Betriebsanlage verwendeten Musikanlagen sind mit einem Begrenzer auszustatten, sie dürfen ohne Begrenzer nicht betrieben werden.

2. Die Begrenzer in den elektrischen Musikanlagen sind nachweislich durch eine Fachfirma so einzustellen, dass in einem Abstand von 1 Meter zu den Lautsprechern ein maximaler Schalldruckpegel von 75 dB (A) nicht überschritten wird. Dies ist durch die Messung eines Zivilingenieurs im Rahmen seiner Befugnisse oder einer staatlichen autorisierten bzw. akkreditierten Prüfstelle für Schallschutz oder der Magistratsabteilung 22 nachzuweisen und die Anlage auf diesen Wert zu plombieren. Die diesbezüglichen Nachweise sind in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme bereit zu halten."

Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges, soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, zu geltend gemachten Belästigungen durch Musik aus, die Musikanlagen dürften projektgemäß nur im Inneren der Betriebsanlage verwendet werden. Der lärmtechnische Amtssachverständige der Magistratsabteilung 22 habe zunächst auf die Auflage im Punkt 2 des erstbehördlichen Bescheides verwiesen, wonach die Musikanlage so einzustellen sei, dass der maximale Schalldruckpegel in 1 Meter Entfernung von den Lautsprecherboxen den Wert von 75 dB (A) nicht überschreiten (es habe im Übrigen die Auflage im Punkt 3 des Bescheides vom zu Recht zu entfallen; der vom Beschwerdeführer vermutete Widerspruch zur Auflage im Punkt 2 dieses Bescheides könne nicht erblickt werden). In dem Lokal, das neu hinzugenommen werden solle, seien 30 Verabreichungsplätze geplant, sodass im Raum mit einem A-bewerteten energieäquivalenten Dauerschallpegel von 80 dB zu rechnen sei. Das bedeute, dass die Lautstärke der Musik hier 5 dB unter dem Gästelärm liegen werde, sodass von Hintergrundmusik gesprochen werden könne. Dasselbe gelte in noch deutlicherem Ausmaß für die beiden anderen Lokale (P mit 154 Verabreichungsplätzen und "W" mit 38 Verabreichungsplätzen), weil auf Grund der höheren Gästezahl mit einem höheren energieäquivalenten Dauerschallpegel zu rechnen sei. Bei nach 22.00 Uhr durchgeführten Lärmmessungen sei bei geöffneten Wohnungsfenstern beim Beschwerdeführer ein Grundgeräuschpegel von 45 dB (A) gemessen worden. Der durch Straßenverkehr verursache Umgebungsgeräuschpegel sei als energieäquivalenter Dauerschallpegel mit einem Wert von 58 dB (A) ermittelt worden. Der mittlere Spitzenpegel des Umgebungsgeräusches habe 65 dB (A) betragen. Diese Werte würden durch die projektgemäß nur im Inneren der Betriebsanlage betriebenen, entsprechend der Auflage in Punkt 2 des erstbehördlichen Bescheides plombierten Musikanlagen nicht überschritten. Es sei daher bei konsensgemäßem Betrieb der Musikanlagen mit keiner Belästigung von Nachbarn zu rechnen.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen die Genehmigung der Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage durch Betrieb einer Musikanlage im als "P" bezeichneten Teil dieser Betriebsanlage, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Erlaubnis, auf dem der Betriebsanlage zugehörigen, im Donaukanal verankerten P eine mit Begrenzer ausgestattete Musikanlage zu verwenden, in dem Recht verletzt, von der belangten Behörde als Nachbar einer Betriebsanlage vor unzumutbaren und gesundheitschädigenden Lärmemissionen geschützt zu werden bzw. durch die Lärmemission dieser Betriebsanlage als Nachbar nicht gefährdet zu werden. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes rügt der Beschwerdeführer unter anderem, der angefochtene Bescheid werde der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht, wonach grundsätzlich in einem Betriebsanlagenänderungsverfahren von bereits erteilten Auflagen nur dann Abstand genommen werden könne, wenn sinngemäß auf Grund der beantragten Änderung der Betriebsanlage eine Verminderung der von der geänderten Betriebsanlage ausgehenden Emission erwartet werden könne bzw. als denknotwendig zu erwarten sei. Der mitbeteiligten Partei sei mit Bescheid der Erstbehörde vom die Betriebsanlagengenehmigung - ausschließlich bezogen auf das nunmehr in der geänderten Betriebsanlage ebenfalls enthaltene "P" - erteilt und folgende Auflagen vorgeschrieben worden:

"2. Auf dem P sind musikalische Darbietungen, mit Ausnahme von Piano- und Geigenspiel, Grammophonmusik ohne elektrische Verstärker und Gleichwertigem verboten.

3. Die Verwendung von elektrischen Verstärkeranlagen ist in der gesamten Betriebsanlage verboten."

In diesem Bescheid habe es die erstinstanzliche Behörde somit auf Grund von Messungen schalltechnischer Natur für notwendig erachtet, dem Betreiber jegliche musikalischen Darbietungen im Zusammenhang mit elektrischen Verstärkern oder Gleichwertigem zu untersagen. Die Bewilligung der Änderung der Betriebsanlage stelle nun zwangsläufig jenen Fall dar, in welchem auf Grund der beantragten Änderungen eine Verminderung der von der geänderten Betriebsanlage ausgehenden Emissionen keinesfalls erwartet werden könne, vielmehr sei eine Erhöhung der Emissionen (Gästelärm) im Verfahren festgestellt worden. Es sei daher ein Abgehen von jenen Auflagen, die der Bescheid vom für das der Betriebsanlage inneliegende "P" vorgesehen habe, nicht zulässig.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I 63/1997 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der §§ 74 und 77. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

§ 81 GewO 1994 enthält keine gesetzliche Ermächtigung, nachträglich die Abstandnahme von der Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes oder von für den Betrieb erteilten Auflagen zu bewilligen. § 81 GewO 1994 ermächtigt somit nicht dazu, die erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insoferne die bestehende bescheidmäßig erfolgte Regelung einer Reform zu unterziehen, sondern lediglich dazu, die bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache - nämlich die genehmigungspflichtige "Änderung" - einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/04/0061, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Rahmen eines Verfahrens nach § 81 GewO 1994 kann daher die Beseitigung oder Änderung einer in einem früheren Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflage mit einem allein auf dieses Ziel gerichteten Antrag nach § 81 GewO 1994 nicht erreicht werden. Vielmehr kann dies im Rahmen eines solchen Verfahrens nur dann erzielt werden, wenn gleichzeitig eine Änderung der Anlage selbst, etwa in Ansehung ihres Umfangs oder ihrer Betriebsweise angestrebt wird, die ihrerseits - entweder unmittelbar oder zumindest in Form der in § 81 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 umschriebenen Rückwirkungen - jenen Teil der bereits genehmigten Anlage betrifft, auf den sich die in Rede stehende Auflage bezieht. Denn Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens nach § 81 GewO 1994 ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/04/0165), primär nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn die geplante Änderung auch zu einer Änderung der von der Altanlage ausgehenden Emissionen in einem die in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen beeinträchtigenden Ausmaß führen kann.

Seit der Gewerberechtsnovelle 1997 können zwar gemäß § 79c GewO 1994 die nach § 77, § 79 oder § 79b vorgeschriebenen Auflagen auf Antrag mit Bescheid aufgehoben werden, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen. Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des Gesetzes bildet aber auch diese Regelung keine Durchbrechung der Rechtskraft des die fragliche Auflage vorschreibenden Genehmigungsbescheides. Sie gibt vielmehr lediglich der Behörde die Möglichkeit, nächträglichen Änderungen des Sachverhaltes in Form des Wegfalles jener Tatsachen, die nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Auflage gebildet haben, Rechnung zu tragen.

Im vorliegenden Fall wurde nun, worauf sich schon die Begründung des angefochtenen Bescheides bezieht, in Ansehung des mit "P" bezeichneten Teils der in Rede stehenden Betriebsanlage mit Bescheid der Erstbehörde vom eine Auflage erteilt, wonach dort musikalische Darbietungen unter Verwendung elektrischer Verstärker und Gleichwertigem verboten sind. Diese Auflage steht zweifellos mit der mit dem angefochtenen Bescheid erteilten Genehmigung zum Betrieb einer Musikanlage auch in diesem Teil der Betriebsanlage in Widerspruch, sodass sich diese Genehmigung inhaltlich als Beseitigung dieser Auflage darstellt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun der im angefochtenen Bescheid gegebenen Beschreibung der damit genehmigten Änderungen der in Rede stehenden Betriebsanlage nicht zu entnehmen, dass dies solche seien, die - abgesehen von der Genehmigung zur Inbetriebnahmer einer Musikanlage - unmittelbar oder mittelbar im Sinn des § 81 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 Rückwirkungen auf diesen "P" haben. Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie meinte, der von ihr im Wege des § 81 GewO 1994 genehmigte Betrieb einer Musikanlage auf dem fraglichen "P" stehe nicht im Widerspruch zur Auflage Punkt 2 des erstbehördlichen Bescheides vom und sei daher zulässig.

An der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnte es nichts ändern, wenn man im vorliegenden Antrag auf Genehmigung der gegenständlichen Musikanlage auch einen Antrag im Sinn des § 79c und in der Erteilung dieser Genehmigung implizite eine in Ansehung der fraglichen Auflage ergangene Entscheidung nach § 79c erblicken wollte, weil sich die belangte Behörde in Verkennung der oben dargestellten Rechtslage nicht mit dem in § 79c enthaltenen Tatbestandselement des Wegfalles der Voraussetzungen für die Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage auseinander gesetzt und daher auch nicht die entsprechenden Feststellungen getroffen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher im Rahmen der Anfechtung durch die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am