VwGH vom 22.11.1999, 96/17/0237
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der L reg. Genossenschaft mbH, vertreten durch Dr. H und Dr. P, Rechtsanwälte in A, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - L 10/95, betreffend Nachsicht von Kanaleinmündungsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Partei anlässlich der Errichtung von Betriebsgebäuden auf einer näher bezeichneten Liegenschaft die Entrichtung einer Kanaleinmündungsgebühr in der Höhe von S 117.542,-- vorgeschrieben. Mit weiterem Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Partei für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebsgebäudes auf derselben Liegenschaft die Entrichtung einer Kanaleinmündungs-Ergänzungsgebühr in der Höhe von S 58.781,-- vorgeschrieben. Mit dem weiteren Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Partei anlässlich der Errichtung von Betriebsgebäuden auf einer näher umschriebenen Liegenschaft die Entrichtung einer Kanaleinmündungsgebühr in der Höhe von S 740.021,-- vorgeschrieben. Alle erwähnten Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.
Erstmals mit Schreiben vom ersuchte die beschwerdeführende Partei um Nachsicht von der Kanaleinmündungsgebühr, weil diese wegen der Eigenart der Liegenschaft zu einer offensichtlichen Härte führen würde. Die Härte bestehe darin, dass die nächstgelegene Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Kanal in einer Entfernung von rund 415 m gegeben sei. Es könne also kein Kanalanschluss durch die Stadt Wien zur Verfügung gestellt werden, sondern müsse auf eigene Kosten der beschwerdeführenden Partei 415 m Kanal auf öffentlichem Gut als Privatkanal errichtet werden. Dieser Kanal koste laut Anbot des Bestbieters S 3,539.214,80. Nachdem in diesen Privatkanal auch die Oberflächenwässer der neu errichteten O.-Gasse eingeleitet würden, habe die Stadt Wien eine Zuzahlung in der Höhe von S 1,402.579,60 übernommen, sodass der beschwerdeführenden Partei ein Kostenanteil von S 2,136.635,20 verbliebe.
Mit weiterem Schreiben vom verwies die beschwerdeführende Partei nochmals auf die Eigenart der Liegenschaft und die daraus ihrer Meinung nach resultierende offensichtliche Härte. Die Kosten für den Privatkanal betrügen laut Schlussrechnung S 3,822.142,56 (ohne Mehrwertsteuer). Die Stadt Wien habe davon S 1,685.507,36 übernommen, da in den Privatkanal auch die Oberflächenwässer der O.-Gasse eingeleitet würden. Für die beschwerdeführende Partei verbleibe daher ein Kostenanteil von S 2,136.635,20 (zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer). Um diese Härte zu minimieren, werde um Nachsicht der Kanaleinmündungsgebühren in der Höhe von insgesamt S 916.344,-- angesucht.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde dieser Antrag abgewiesen.
Im Zusammenhang mit der dagegen erhobenen Berufung führte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom nach Zusammenfassung des bisherigen Sachvorbringens noch aus, die Mitnutzung des Privatkanals für die Ableitung der Oberflächenwässer der O.-Gasse durch die Stadt Wien hätte zur Folge gehabt, dass der Hauptkanal über öffentliches Gut habe geführt werden müssen, was beträchtliche Änderungen und Mehrkosten nach sich gezogen habe. Die Mehrkosten betrügen S 1,805.089,-- (zuzüglich Mehrwertsteuer), worauf die Stadt Wien S 1,500.000,-- erstattet habe. Diese Zahlung bewirke keine Zahlungserleichterung für den Kanalanschluss der beschwerdeführenden Partei, sondern nur eine Rückerstattung der Zusatzkosten, die das Mitbenutzungsrecht für die Stadt Wien für die Straßenentwässerung verursacht habe. Darüber hinaus seien die von der beschwerdeführenden Partei zu tragenden Kosten für einen Hauptkanal weitaus höher als die Anschlusskosten, die bei Vorhandensein einer Kanalanschlussmöglichkeit zu bezahlen wären. Sollte die Bezahlung der Anschlussgebühr nicht erlassen werden, würde der von der beschwerdeführenden Partei zu leistende Aufwand mehr als das 3,5 fache der Kosten, die bei Vorhandensein eines Kanals entstünden, betragen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der Magistrat der Stadt Wien als Abgabenbehörde erster Instanz der Berufung keine Folge. Hierauf beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Der dagegen zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , B 3908/95-9, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die beschwerdeführende Partei in ihrer - ergänzten - Beschwerde den Bescheid der belangten Behörde ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Sie erachtet sich durch die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass auf Grund fehlender Unbilligkeit die Abgabenschuldigkeit nicht nachgesehen werden könne, als beschwert.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 182 der Wiener Landesabgabenordnung, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 21/1962, können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre (Abs. 1). Gemäß Abs. 2 erster Satz leg. cit. findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere auch zum inhaltsgleichen § 236 Abs. 1 BAO, setzt der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder im Steuergegenstand gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere immer dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann gegeben sein, wenn bei Anwendung des Gesetzes im Einzelfall ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Die zitierte Bestimmung soll der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnen, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, Konjunkturschwankungen oder Geschäftsvorfälle, die den Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen sind, rechtfertigen eine Nachsicht nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0118, mwN).
Die beschwerdeführende Partei geht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon aus, dass durch die Vorschreibung der Gebühren die wirtschaftliche Existenz der beschwerdeführenden Partei nicht gefährdet wird. Auch außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen, die mit der Abstattung der Abgabenschuld verbunden wären, liegen nach dem Akteninhalt und den Behauptungen der beschwerdeführenden Partei nicht vor.
Zu prüfen ist daher, ob die Anwendung der Abgabenvorschriften zu einem im Einzelfall vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnis führen würden.
Die beschwerdeführende Partei verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ihr durch den Ausbau des Privatkanales besondere Kosten entstanden sind.
Zutreffend gehen sowohl die beschwerdeführende Partei wie auch die belangte Behörde davon aus, dass die hier vorgeschriebenen Gebühren ein Äquivalent für die Errichtung und Erhaltung des öffentlichen Kanalnetzes sind. Mit der Inanspruchnahme des öffentlichen Kanalnetzes (hier durch den Privatkanal der beschwerdeführenden Partei) entsteht die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr (vgl. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 22/1955). Unstrittig ist auch, dass eine Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei zur Inanspruchnahme des öffentlichen Kanalnetzes nicht bestanden hat.
Damit aber rechtfertigt das von der beschwerdeführenden Partei selbst angesprochene Äquivalenzprinzip grundsätzlich die Vorschreibung der Gebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen Kanalnetzes. Dies wird auch von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten.
Die beschwerdeführende Partei erachtet nun die besonders berücksichtigungswürdigen Umstände des Einzelfalles darin gelegen, dass der von ihr hergestellte Privatkanal auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Stadt Wien auch zur Entsorgung der Oberflächengewässer der O.-Gasse dient. Dadurch seien erhöhte Aufwendungen für die Anlage des Privatkanales entstanden.
Damit strebt aber die beschwerdeführende Partei mit ihrem vorliegenden Antrag nichts anderes an, als die Berücksichtigung einer ihr unzutreffend erscheinenden Kostenaufteilung hinsichtlich des Privatkanals. Allein der Umstand, dass Vertragspartner dieser Benützungsvereinbarung die Stadt Wien war und nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei überwiegend wirtschaftlichen Nutzen hieraus gezogen hat, vermag die Nachsicht von der Kanaleinmündungsgebühr nicht zu rechtfertigen.
Aber auch die von der beschwerdeführenden Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof angesprochenen öffentlichen Interessen am Schutz der Allgemeinheit durch die Errichtung des Privatkanales und dessen Mitbenützung zur Ableitung der Oberflächenwässer vermögen eine Unbilligkeit der Abgabenbemessung nicht aufzuzeigen. Eine abnormale Belastungswirkung und ein im Vergleich zu ähnlichen Fällen atypischer Vermögenseingriff durch die hier vorgeschriebenen Gebühren lässt sich jedenfalls nicht erkennen, beziehen sich doch die geltend gemachten Kosten auf die Errichtung eines Privatkanals im Verhältnis zur Nutzung durch einen anderen. Ein durch die Gebührenvorschreibung hervorgerufener Nachteil, den der Gesetzgeber bei Kenntnis vermieden hätte, liegt somit nicht vor, da es sich bei der Belastung der beschwerdeführenden Partei durch die Gebühren nur um eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage handelt, durch die alle vom betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 7/72).
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am