VwGH vom 15.09.1999, 99/04/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der I S in S, vertreten durch Dr. G und Dr. K, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 319.926/2-III/A/9/99, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: S & Söhne Gesellschaft m. b. H. & Co. KG in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung ihrer bestehenden Betriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort durch Zubau einer Produktionshalle, diverse Umbauarbeiten sowie Errichtung einer Heizungs- und Lüftungsanlage nach Maßgabe des vorgelegten Projektes und der in der Verhandlungsschrift vom enthaltenen Beschreibung unter Vorschreibung von Auflagen gemäß den §§ 74, 77, 78, 81 und 359 GewO 1994 sowie § 93 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ASchG erteilt. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere des Inhaltes der von ihm eingeholten Sachverständigengutachten, und nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage aus, er folge mit seiner Entscheidung den klaren, eindeutigen und schlüssigen Aussagen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen. Daraus ergebe sich, dass durch die geplante Änderung ein Näherrücken der Emissionsstelle zur Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführerin um maximal 20 m erfolge, wodurch sich eine Schallpegelzunahme von maximal 1 dB ergebe. Aus technischer Sicht sei daher nicht anzunehmen, dass es dadurch zu einer wesentlichen Veränderung der bereits von der Erstbehörde festgestellten Störgeräuschverhältnisse im Bezug zum vorhandenen Umgebungsgeräusch komme. Auch bezüglich der Fahrgeräusche bzw. der Geräusche der Lüftung seien die Annahmen der ersten Instanz bestätigt worden. Auf Grund der Entfernung von über 200 m sei auch eine Verdünnung des in der Abluft enthaltenen Ölgehaltes um mindestens den Faktor 100 und somit von unter 3 mg/m3 auf unter 0,03 mg/m3 zu erwarten. Seitens des Sachverständigen werde sogar ein weit größerer Verdünnungseffekt erwartet. Die Heizungsanlage sei mit jener eines gleich großen Wohnhauses verglichen worden. Aus technischer Sicht sei auch nicht angenommen worden, dass im Rahmen des Regelbetriebes der planmäßig geänderten Betriebsanlage CKW-Verunreinigungen in die Umgebungsluft abdampfen würden. Es lägen somit die befürchteten Beeinträchtigungen bei den Nachbarn nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtgenehmigung einer Betriebsanlage gemäß § 74 GewO, welche insbesondere das Leben oder die Gesundheit der Nachbarn gefährdet bzw. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise beeinträchtigt, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie im Wesentlichen vor, der erstbehördliche Bescheid sei gemäß § 335 a GewO 1994 im Namen des Landeshauptmannes erlassen worden. Das setze die Zuständigkeit des Landeshauptmannes in erster Instanz voraus, was gemäß § 334 Z. 7 leg. cit. wiederum nur der Fall sei, wenn die Änderung der Betriebsanlage einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfe. Sollte dies zutreffen, so habe die belangte Behörde widerrechtlich keinerlei Erhebungen getätigt, welche einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren entsprechen würden. Träfen die Voraussetzungen des § 334 Z. 7 GewO 1994 aber nicht zu, so hätte in erster Instanz eine unzuständige Behörde entschieden, was von der belangten Behörde aufzugreifen gewesen wäre. Nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 habe die Genehmigung nach dieser Gesetzesstelle auch die bereits genehmigte Anlage zu erfassen, wenn dadurch auch von der Altanlage neue oder größere Immissionen ausgelöst würden. Im vorliegenden Fall sei von der Erstbehörde festgestellt worden, dass eine Umstrukturierung des Betriebes der mitbeteiligten Partei vorgesehen sei, die auch die Durchführung eines
24 Stunden-Betriebes umfasse. Daraus folge, dass neue bzw. wesentlich größere Emissionen von der bestehenden Betriebsanlage ausgelöst würden. Es hätte daher das vorliegende Genehmigungsverfahren auch die bestehende Betriebsanlage umfassen müssen. Von der belangten Behörde sei auch zu keinem Zeitpunkt überprüft worden, ob die bestehende Betriebsanlage überhaupt ordnungsgemäß genehmigt sei. Die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass nach ihrem Informationsstand das im unmittelbaren Nahbereich der neu errichteten Produktionshalle befindliche Chemikalienlager von keiner gewerbebehördlichen Genehmigung umfasst sei. Mangels Vorliegens einer Betriebsanlagengenehmigung hätte daher auch nicht die Änderung dieser Betriebsanlage bewilligt werden dürfen. Die im erstbehördlichen Bescheid erwähnten Lagepläne und technischen Beschreibungen sowie der Grundrissplan seien der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden. Es könne daher nicht nachgeprüft werden, welche Umbauarbeiten nun bewilligt und tatsächlich durchgeführt worden seien. Diese Vorgangweise widerspräche § 59 AVG. Wie bereits in der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid ausgeführt, sei die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht antragslegitimiert gewesen. Sie sei zwar Eigentümerin der Betriebsliegenschaft, keinesfalls aber Inhaber bzw. Betreiber der Betriebsanlage, da sie selbst keiner operativen Tätigkeit nachgehe. Die Geschäftstätigkeit in der gegenständlichen Betriebsanlage werde vielmehr von einer anderen namentlich genannten
Gesellschaft m. b. H. geführt, sodass diese ausschließlich zur Antragstellung auf Änderung der bestehenden Betriebsanlage legitimiert gewesen wäre. Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten entspreche nicht den Anforderungen an ein solches. Auf der Betriebsliegenschaft seien Altlasten festgestellt worden, welche zu einer Eintragung im Altlastenatlas des Umweltbundesamtes unter der Prioritätsklasse 1 geführt hätten, insbesondere deshalb, weil massive Grenzwertüberschreitungen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen im Bereich der Entfettungsanlage sowie des Chemielagers festgestellt worden seien. Da das Chemikalienlager nach den der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Informationen auch zum jetzigen Zeitpunkt noch betrieben werde, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, hinsichtlich dieses Umstandes Befund und Gutachten einzuholen und im Anschluss daran im angefochtenen Bescheid darüber abzusprechen. Auch wäre abzuklären gewesen, ob die in Rede stehende Betriebsanlage weiterhin gefährliche Stoffe emittiere, die in der Vergangenheit zur Altlast geführt hätten.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Bei der Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage nach dieser Gesetzesstelle handelt es sich ebenso wie bei der Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nach § 77 GewO 1994, wie sich aus § 353 leg. cit. ergibt, um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Zur Antragstellung ist, wie aus der Bestimmung des § 80 Abs. 4 leg. cit. folgt, wonach durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage die Wirksamkeit der Genehmigung nicht berührt wird, der Inhaber der Anlage legitimiert (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/04/0055).
Ausgehend von dieser Rechtslage wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, in Erledigung des diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung die Inhabereigenschaft der mitbeteiligten Partei an der in Rede stehenden Betriebsanlage und damit deren Legitimation zur Stellung des dem vorliegenden Verwaltungsverfahren zugrunde liegenden Antrages zu prüfen und hiezu entsprechende Ermittlungen anzustellen.
Da die belangte Behörde eine solche Prüfung und entsprechende Feststellungen im angefochtenen Bescheid unterließ, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Denn entgegen dem Vorbringen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei ist die Erteilung einer gewerberechtlichen Genehmigung nach § 81 GewO 1994 ohne entsprechenden, von einer legitimierten Partei gestellten Antrag durchaus geeignet, einen Nachbarn in den aus der Gewerbeordnung erfließenden subjektiv-öffentlichen Rechten zu verletzen.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu dem Hinweis veranlasst, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es bestehe für die in Rede stehende Betriebsanlage keine (aufrechte) Betriebsanlagengenehmigung im Sinne des § 77 GewO 1994, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des § 80 Abs. 1 GewO 1994, auseinander zu setzen. Dem angefochtenen Bescheid ist ferner, trotz entsprechenden Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, nicht zu entnehmen, ob die in der Betriebsbeschreibung des erstbehördlichen Bescheides enthaltenen und somit vom Genehmigungsumfang des angefochtenen Bescheides umschriebenen Betriebszeiten eine Erweiterung gegenüber dem allenfalls bestehenden Grundkonsens bedeuten. Sollte Letzteres zutreffen, wäre nämlich im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu prüfen gewesen, ob die Erweiterung der Betriebszeit auch hinsichtlich der bestehenden Betriebsanlage eine Vorgangsweise im Sinne des § 81 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 erfordert hätte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am