VwGH vom 30.10.2003, 2003/02/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des L P in S, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, Kaigasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom , Zl. UVS-19/10123/8-2003, betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der P. GesmbH mit Sitz in S. für diese zu verantworten, dass, wie bei einer Erhebung am Unfallort - einer näher umschriebenen Baustelle -
durch ein Organ des Arbeitsinspektorates festgestellt worden sei, der Arbeitnehmer T.P. am um ca. 16.30 Uhr auf der seitlich ungesicherten Balkonplatte im 1. Obergeschoss das Kopfstück des Schrägaufzuges an seinen Kollegen im 2. Obergeschoss weitergeben habe wollen und dabei beim Rückwärtsgehen seitlich über die ungesicherte freie Seite des Balkons ca. 2,80 m abgestürzt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 und 2 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV (BGBl. Nr. 340/1994) iVm § 118 Abs. 3 und § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer beruft sich zunächst auf § 4 Abs. 4 BauV und ist der Ansicht, daraus sei zu entnehmen, dass die "Aufsichtsperson" - hier sei dies der Verunfallte T.P. selbst gewesen - die alleinige Verantwortung für die Durchführung der Arbeiten trage; eine Berufung auf § 9 VStG - wie dies die belangte Behörde vermeine - scheide daher im Hinblick auf dessen "Subsidiarität" aus.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten, ergibt sich doch aus der Vorschrift, dass Bauarbeiten nur unter Aufsicht einer "geeigneten Aufsichtsperson" durchgeführt werden dürfen - § 4 Abs. 1 BauV - und den weiteren Regelungen in diesem Paragrafen, insbesondere auch aus dessen Abs. 4 (wo eine Regelung für den Fall der nicht ständigen Anwesenheit der Aufsichtsperson auf der Baustelle und die sodann bestehenden Pflichten eines "geeigneten Arbeitsnehmers" zum Schutz der Arbeitnehmer getroffen wird) kein Anhaltspunkt für die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsansicht. Der Arbeitgeber kann sich daher nur durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 bzw. 3 VStG) - was im Beschwerdefall nicht zutrifft - von seiner Verantwortung befreien, wobei hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften § 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 zum Tragen kommt. Wollte man aber der Rechtsanschauung des Beschwerdeführers zu § 4 BauV folgen, so wären die Sondervorschriften des § 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (vgl. insbesondere dessen Abs. 1 erster Satz über den Zeitpunkt der "Rechtswirksamkeit" der Bestellung ab Einlangen beim Arbeitsinspektorat) in einen solchen Fall wirkungslos. Bei diesem Ergebnis kann daher dahinstehen, ob T.P. überhaupt die Eigenschaft als "Aufsichtsperson" im Sinne des § 4 BauV zukam.
Aber auch mit seinem Vorbringen, eine Verletzung des "§ 7" BauV liege nicht vor, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.
Gemäß § 7 Abs. 1 BauV sind bei Absturzgefahr - eine solche lag unbestrittenermaßen vor (vgl. § 7 Abs. 2 Z. 4 BauV) - Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.
Der Beschwerdeführer beruft sich nicht auf § 7 Abs. 4 BauV, wonach die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen kann, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist, wobei die Arbeitnehmer in diesen Fällen entsprechend § 30 sicher angeseilt sein müssen. Er vermeint vielmehr, die auf der Baustelle vorhanden gewesene "Seilsicherung" samt "Sicherheitsgurten" seien als "Schutzeinrichtungen" gemäß § 10 (Abs. 1) BauV anzusehen, zumal Absturzsicherungen nach § 8 bzw. Abgrenzungen nach § 9 aus arbeitstechnischen Gründen nicht angebracht hätten werden können.
Dem ist nicht beizupflichten:
§ 10 Abs. 1 BauV lautet:
"Können Absturzsicherungen nach § 8 oder Abgrenzungen nach § 9 aus arbeitstechnischen Gründen nicht verwendet werden, müssen Schutzeinrichtungen zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien vorhanden sein, wie Fanggerüste (§ 59) oder Auffangnetze, sowie bei Dächern Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden (§ 88)."
Es mag sein, dass die Verwendung des Wortes "wie" vor dem Wort "Fanggerüste" - so der Beschwerdeführer - auf eine "beispielsweise" Aufzählung hindeutet. Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, kann damit aber schon deshalb nicht auch etwa eine Verwendung von Sicherheitsseilen (samt Sicherheitsgürteln) gemeint sein, weil damit ein Widerspruch zu § 7 Abs. 4 BauV entstünde: Nach dieser Vorschrift kann nämlich (unter den dort angeführten Voraussetzungen) die Anbringung von "Schutzeinrichtungen" nach § 10 entfallen, wobei dann allerdings an deren Stelle das "sichere Anseilen" der Arbeitnehmer nach § 30 tritt. Von daher gesehen braucht auf die Frage, aus welchen Gründen T.P. diese "Sicherungsmittel" nicht verwendet hat, nicht mehr eingegangen werden.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am