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VwGH vom 08.10.1990, 90/19/0332

VwGH vom 08.10.1990, 90/19/0332

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. VII/2a-V-1239/1/3-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der H.P.-AG. zu verantworten, daß diese AG. in ihrer für den Kleinverkauf von Waren bestimmten, örtlich näher beschriebenen Betriebseinrichtung in Wien am Samstag, dem , vier namentlich genannten Arbeitnehmerinnen die Wochenendruhe nicht beginnend mit spätestens 13 Uhr gewährt habe, da diese Arbeitnehmerinnen über diesen Zeitpunkt hinaus bis 15.50 Uhr beschäftigt worden seien, obwohl die Verkaufsstelle bereits am geöffnet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch vier Verwaltungsübertretungen gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz-ARG (BGBl. Nr. 144/1983) begangen. Es wurden vier Geldstrafen zu je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 2 ARG hat die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.

Gemäß § 1 ARG-VO (BGBl. Nr. 149/1984) dürfen Arbeitnehmer während der Wochenend- und Feiertagsruhe nur die in der Anlage angeführten Tätigkeiten während der jeweils angeführten Zeiträume ausüben. Zufolge der mit "Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe (Ausnahmekatalog)" überschriebenen Anlage zu § 1 ARG-VO, näherhin deren Abschnitt XVII. Handel, Z. 1 Verkaufstätigkeiten an Samstagen, dürfen Arbeitnehmer an Samtagen alle Tätigkeiten in Verkaufsstellen i.S. des § 1 Abs. 1 bis 3 des Ladenschlußgesetzes BGBl. Nr. 156/1958, ausüben, soweit die jeweils geltenden Ladenschlußvorschriften ein Offenhalten dieser Verkaufsstellen vorsehen.

Nach Z. 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom , LGBl. Nr. 38, mit der eine Sonderregelung für den Ladenschluß an den letzten drei Samstagen vor dem getroffen wird (im folgenden kurz: LVO), durften im Jahre 1988 - abweichend von der Regelung des § 16 Abs. 1 der Wiener Ladenschlußverordnung - die Verkaufsstellen für den Kleinverkauf von anderen Waren als Lebensmitteln nur an den letzten drei Samstagen vor dem 24. Dezember bis 18 Uhr offengehalten werden. (Gemäß § 16 Abs. 1 der Wiener Ladenschlußverordnung, LGBl. Nr. 21/1965, durften die Verkaufsstellen für den Kleinverkauf von anderen Waren als Lebensmitteln an den letzten vier Samstagen vor dem 24. Dezember bis 18 Uhr offengehalten werden.)

Soweit der Beschwerdeführer die "(Verfassungs-)Gesetzwidrigkeit" der LVO behauptet, genügt der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0263 (vgl. § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG). Der Verwaltungsgerichtshof teilt sohin diese Bedenken nicht. Von einem "Fehlen einer das Offenhalten einer Wiener Verkaufsstelle verbietenden Regelung" für den Tattag kann keine Rede sein:

Dieser, von der "gleichzeitigen" Geltung der LVO und dem § 16 Abs. 1 der Wiener Ladenschlußverordnung LGBl. Nr. 21/1965, abgeleitete Schluß ist schon vom Ansatzpunkt verfehlt, läßt sich doch aus dem Wortlaut der Z. 1 der LVO unschwer entnehmen, daß diese Regelung "abweichend" von der erwähnten Gesetzesstelle gelten soll. Einer dem Beschwerdeführer vorschwebenden "formellen" Aufhebung des § 16 Abs. 1 der Wiener Ladenschlußverordnung bedurfte es darüberhinaus nicht.

Zu Unrecht behauptet der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe die Ausnahmeregelungen des § 3 Abs. 4 und des § 11 (Abs. 1, Z. 2, dritter Fall) ARG nicht beachtet.

Diese beiden Bestimmungen lauten:

§ 3 (4) Wird in Verbindung mit Feiertagen eingearbeitet und die ausfallende Arbeitszeit auf die Werktage der die Ausfallstage einschließenden Wochen verteilt (§ 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969), so kann der Beginn der Wochenendruhe bis spätestens Samstag 18 Uhr aufgeschoben werden.

Ausnahmen in außerwöhnlichen Fällen

§ 11 (1) Während der Wochenend- und Feiertagsruhe dürfen Arbeitnehmer in außergewöhnlichen Fällen mit vorübergehenden und unaufschiebbaren Arbeiten beschäftigt werden, soweit diese

2. zur Verhütung ... eines sonstigen unverhältnismäßigen

wirtschaftlichen Schadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zu diesem Zweck nicht möglich sind.

Der Beschwerdeführer hat allerdings im Verwaltungsverfahren keine Umstände ins Treffen geführt, die auf die Behauptung eines Anwendungsfalles des § 3 Abs. 4 oder des § 11 Abs. 1 Z. 2, dritter Fall, hinausliefen. Seine nunmehrige, gegenteilige Behauptung ist aktenwidrig, sein diesbezügliches Vorbringen fällt unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Gleiches gilt hinsichtlich der Beschwerdebehauptung eines existenzbedrohenden, wirtschaftlichen Schadens und der davon abgeleiteten Notstandsituation i.S. § 6 VStG 1950. Weiters sei vermerkt, daß es bei der Übertretung des § 27 in Verbindung mit § 3 ARG nicht darauf ankommt, ob der einzelne Arbeitnehmer an einer Überschreitung der Arbeitszeit keinen Anstoß nimmt oder allfenfalls sogar daran interessiert ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/08/0026).

Was den vom Beschwerdeführer behaupteten entschuldbaren Rechtsirrtum anlangt, vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof gleichfalls nicht beizupflichten: Zunächst kann von einer "unübersichtlichen Rechtslage" im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der LVO keine Rede sein. Die Kompliziertheit einer dem Beschwerdeführer bekannten Vorschrift bildete keinen Schuldausschließungsgrund (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, S. 576, zu Z. 28 zit. hg. Vorjudikatur). Soweit der Beschwerdeführer auf eine Rechtsauskunft seiner Berufsvertretung verweist, ist festzuhalten, daß er im Verwaltungsverfahren in diesem Zusammenhang vorgebracht hatte, es bestünden aufgrund "wiederholter auch öffentlicher Erklärungen und Auskünfte von Funktionären der Interessensvertretungen und verschiedener Politiker berechtigte Zweifel" an der Gültigkeit eines Verbotes des "Offenhaltens". In der Beschwerde wird dazu vorgebracht, es habe in dieser Hinsicht eine "kontroversielle mediale Diskussion", insbesondere auch die einander widersprechenden Erklärungen und Auskünfte der Funktionäre von Interessensvertretungen und verschiedener Politiker gegeben. Selbst auf dem Boden dieses Vorbringens mußten dem Beschwerdeführer somit erhebliche Zweifel an der Richtigkeit einer, das Nichtbestehen eines Verbotes des Offenhaltens beinhaltenden Auskunft der Berufsvertretung erwachsen, wozu der erwähnte eindeutige Wortlaut der LVO kommt. Es wäre daher dem Beschwerdeführer oblegen, zusätzlich bei der Behörde anzufragen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, aaO., S. 574 zu Z. 1 zitierte hg. Vorjudikatur).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde zu Recht vom Kumulationsgebot des § 22 VStG 1950 Gebrauch gemacht. Hiezu genügt es gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG, auf die diesbezüglichen Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0263, zu verweisen.

Ausgehend von obigen Darlegungen können die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel nicht wesentlich sein. Der Schuldspruch ist frei von Rechtsirrtum.

Der Beschwerdeführer rügt auch die Strafbemessung, doch ist er damit gleichfalls nicht im Recht.

Einen besonderen Milderungsgrund im Sinne des § 34 Z. 12 StGB (Begehung der Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum) mußte die belangte Behörde entsprechend dem oben Gesagten nicht annehmen. Gleiches gilt hinsichtlich des von der Beschwerde offenbar ins Auge gefaßten besonderen Milderungsgrund des § 34 Z. 11 StGB (Begehung der Tat unter Umständen, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde aber berechtigt, spezialpräventive Überlegungen bei der Strafbemessung miteinzubeziehen. Von der Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG Gebrauch zu machen, war sie jedoch schon im Hinblick darauf, daß Anhaltspunkte für ein "geringfügiges" Verschulden fehlten, nicht verpflichtet. Von einem Überschreiten des Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung (vgl. die Strafdrohung des § 27 Abs. 1 ARG: Strafe von S 500,-- bis S 30.000,--) kann im Zusammenhang mit den günstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers keine Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.