VwGH vom 20.09.1994, 94/04/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten in Klagenfurt, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 7W-101/4/94, betreffend Feststellung nach § 3a des Berufsausbildungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: H-Gesellschaft m.b.H. in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom wurde gemäß § 3a Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 und nach Maßgabe des § 2a des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) festgestellt, daß der Betrieb der mitbeteiligten Partei so eingerichtet ist und geführt wird, daß die durch die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, BGBl. Nr. 171/1972, mit der Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker erlassen worden seien, festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse nicht im vollen Umfang vermittelt werden könnten. Die Ausbildung von Lehrlingen sei daher nur dann zulässig, wenn eine ergänzende Ausbildung durch Ausbildungsmaßnahmen für nachstehende Berufsbildpositionen in einem anderen hiefür geeigneten Betrieb oder einer anderen hiefür geeigneten Einrichtung erfolge:
2. Lehrjahr:
Pos. 21 Wartungsaufgaben an Zündanlagen
Pos. 30 Aus- und Einbau der Zündanlagen
3. Lehrjahr:
Pos. 24 Auswuchten von Rädern
Pos. 32 Mechanische und optische Vermessung
der Lenkgeometrie
Pos. 33 Einstellen von Scheinwerfern
3. und 4. Lehrjahr:
Pos. 36 Kenntnis der Benzineinspritzung
Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der maßgeblichen Gesetzesstellen aus, zur Klärung des Sachverhaltes habe er am im Betrieb der mitbeteiligten Partei einen Ortsaugenschein durchgeführt, anläßlich dessen der beigezogene nichtamtliche Sachverständige folgendes Gutachten abgegeben habe:
"Nach Besichtigung des gegenständlichen Betriebes durch die Amtsabordnung wird festgestellt, daß nur die im angefochtenen Bescheid unter "Auflagen" festgehaltenen Berufsbildpositionen und zwar
im 2. LEHRJAHR: Wartungsaufgaben an Zündanlagen, Aus- und Einbau der Zündanlagen;
im 3. LEHRJAHR: Auswuchten von Rädern; Mechanische und optische Vermessung der Lenkgeometrie; Einstellen von Scheinwerfern;
Kenntnis der Benzineinspritzung;
im 4. LEHRJAHR: Kenntnis der Benzineinspritzung
nicht vermittelt werden können, weil die hiefür erforderlichen Einrichtungen fehlen. Es fehlen Prüfgeräte für die Wartung und Prüfung der Zündanlagen. Auch fehlt eine Auswuchtmaschine; ferner fehlen ein Scheinwerfereinstellgerät, ein Achsmeßstandgerät und die Testgeräte für die Benzineinspritzung. Alle anderen Berufsbildpositionen können vermittelt werden.
Auf Befragung des Verhandlungsleiters, ob eine ergänzende Ausbildung im Sinne des § 2a BAG im vorliegenden Fall zulässig ist, sei festgehalten:
Der Gesetzgeber bestimmt:
Eine solche ergänzende Ausbildung ist nur dann zulässig, wenn im Lehrbetrieb die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden können.
Im Hinblick auf diese gesetzliche Bestimmung vertrete ich die Auffassung, daß die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse im Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker in diesem Betrieb überwiegend selbst vermittelt werden können.
Prüft man das Berufsbild, so findet man eine Reihe von Ausbildungspositionen. Diese Ausbildungspositionen, die hier nicht vermittelt werden können, stehen in der Anzahl und in der Gewichtung in einem derartigen untergeordneten Verhältnis, daß man davon ausgehen kann, daß die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in diesem Betrieb hier überwiegend selbst vermittelt werden können."
Der Landeshauptmann fuhr fort, er finde keine Veranlassung, dieses Gutachten in Zweifel zu ziehen, zumal es weder auf einem unrichtigen oder mangelhaften Befund gründe noch in sich widerspruchsvoll sei oder auf unlogischen Schlüssen beruhe. Die Wertung dieses Sachverständigengutachtens unterliege der freien Beweiswürdigung der entscheidenden Behörde. Die Berufungsbehörde messe diesem Gutachten einen höheren Beweiswert zu als dem unbegründet gebliebenen Berufungsvorbringen, weshalb der Entscheidung die vom Sachverständigen gezogenen Schlußfolgerungen zugrunde gelegt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde geltend, sie habe in ihrer im Rahmen des Verfahrens erstatteten Stellungnahme 11 Berufsbildpositionen dargestellt, die im Betrieb der mitbeteiligten Partei nicht vermittelt werden könnten. Dabei handle es sich ihrer Ansicht nach sehr wohl um wesentliche Berufsbildpositionen, deren Vermittlung im Betrieb selbst erfolgen müsse. Mit diesem auch in der Berufung wiederholten Vorbringen habe sich die belangte Behörde nur teilweise auseinandergesetzt. Der Sachverständige sei nur auf sechs dieser Positionen eingegangen, die anderen Positionen seien unerörtert geblieben. Zu Unrecht habe die belangte Behörde auch dem Verfahren einen nichtamtlichen Sachverständigen beigezogen. Solches sei gemäß § 52 Abs. 1 AVG nur zulässig, wenn ein Amtssachverständiger nicht zur Verfügung stehe. Außerdem sei der beigezogene Sachverständige sowohl im Verfahren erster Instanz als auch im Verfahren vor der belangten Behörde als Sachverständiger beigezogen worden. Dies stelle eine Verletzung des § 53 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG dar. Die oberflächlichen und letztlich nicht begründeten Ausführungen des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen gäben Anlaß zu Zweifeln an seiner Fachkunde. Der Beschwerdeführerin sei im Zuge einer Besichtigung des Betriebes der mitbeteiligten Partei bekannt geworden, daß dort nicht die Reparatur oder Herstellung von Kraftfahrzeugen, sondern die Reparatur von Planierraupen durchgeführt werde. Dabei handle es sich jedoch nicht um Kraftfahrzeuge im Sinne des Kraftfahrgesetzes. Es sei daher ungeachtet der Möglichkeit des sogenannten Ausbildungsverbundes daran zu zweifeln, daß im Betrieb der mitbeteiligten Partei überhaupt Kfz-Mechaniker ausgebildet werden könnten.
Gemäß § 2 Abs. 6 BAG ist die Ausbildung von Lehrlingen nur zulässig, wenn der Betrieb oder die Werkstätte so eingerichtet ist und so geführt wird, daß den Lehrlingen die für die praktische Erlernung im betreffenden Lehrberuf nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden können.
Zufolge § 2a Abs. 1 leg. cit. ist, wenn in einem Lehrbetrieb (einer Ausbildungsstätte) die nach den Ausbildungsvorschriften festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse nicht in vollem Umfang vermittelt werden können, die Ausbildung von Lehrlingen dann zulässig, wenn eine ergänzende Ausbildung durch Ausbildungsmaßnahmen in einem anderen hiefür geeigneten Betrieb oder einer anderen hiefür geeigneten Einrichtung erfolgt. Eine solche ergänzende Ausbildung ist nur dann zulässig, wenn im Lehrbetrieb die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden können.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Insbesondere hat die Behörde in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglicher Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen wurde (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 450 und 454).
Für den Fall einer Entscheidung über die Eignung eines Betriebes zur Ausbildung von Lehrlingen wird die Behörde diesem Erfordernis nur gerecht, wenn sie anhand des für den entsprechenden Lehrberuf erlassenen Berufsbildes die für die Berufsausbildung bestehenden fachlichen Erfordernisse darlegt und diese den tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb gegenüberstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/04/0034).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid insofern nicht gerecht, als die belangte Behörde zwar dem Gutachten des von ihr beigezogenen Sachverständigen folgend einzelne für die in Rede stehende Berufsausbildung erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten, welche in dem gegenständlichen Betrieb nicht vermittelt werden können, darstellte; sie unterließ es aber, sich mit den sonstigen nach dem für diesen Lehrberuf erlassenen Berufsbild gegebenen fachlichen Anforderungen auseinanderzusetzen. Einer solchen Auseinandersetzung hätte es einerseits schon im Hinblick darauf bedurft, daß im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht nur die Beschwerdeführerin über die vom beigezogenen Sachverständigen behandelten Berufsbildpositionen hinaus geltend machte, auch andere erforderliche Fertigkeiten und Kenntnisse könnten im gegenständlichen Betrieb nicht vermittelt werden; derartiges ergibt sich vielmehr auch aus dem von Peter Kresitschnig (bei dem es sich, wie aus der Niederschrift der belangten Behörde vom hervorgeht, um ein Mitglied der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Kärnten handelt) unterfertigten Bericht über einen am im Betrieb der mitbeteiligten Partei durchgeführten Lokalaugenschein. Andererseits ist ohne derartige Feststellungen die im § 2a Abs. 1 BAG geforderte und im Rechtsbereich zu treffende Beurteilung, ob im Lehrbetrieb immerhin die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden können, nicht möglich.
Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des dargestellten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, sodaß es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Begehren auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes für die Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen. Im übrigen betrifft die Abweisung nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.