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VwGH vom 04.03.1991, 90/19/0295

VwGH vom 04.03.1991, 90/19/0295

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 311.165/3-III-3/89, betreffend Versagung einer gewerbebehördlichen Genehmigung (mitbeteiligte Parteien: 1. A., 2. B.), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom hatte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz der nunmehr beschwerdeführenden Partei auf deren Ansuchen gemäß den §§ 77, 333 und 359 GewO 1975 iVm § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) für die Errichtung und den Betrieb ihrer Betriebsanlage (Restaurant und Cafe mit technischen Einrichtungen) in L., L.-Straße 53, unter zahlreichen Auflagen die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II waren die Einwendungen unter anderem des

B. und A., der am verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Parteien (mP), soweit sie a) unzumutbare Lärm- und Geruchsbelästigungen betreffen, gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1973 als unbegründet abgewiesen worden, soweit sie b) dem Baurecht zu entnehmen sind, gemäß § 74 Abs. 2 Z. 3 GewO 1973 iVm § 8 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen worden, soweit sie c) dem Privatrecht entspringen, gemäß § 357 GewO 1973 auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden, und soweit sie d) Anträge auf Durchführung eines Verfahrens i.S. des § 360 GewO 1973 bzw. eines Verwaltungsstrafverfahrens betreffen, gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen worden. Unter Spruchpunkt III waren der beschwerdeführenden Partei Verwaltungsabgaben (S 400,--) vorgeschrieben worden.

2. Den dagegen erhobenen Berufungen der mP hatte der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 teilweise Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich der in den Auflagen 22, 47 und 48 angeordneten Maßnahmen ergänzt bzw. abgeändert.

3. Über die von den Vorgenannten auch dagegen erhobene Berufung entschied der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (die belangte Behörde) mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wie folgt:

"Der angefochtene und der diesem zugrundeliegende Bescheid des Bürgermeisters von Linz vom , Zl. 501/0-404/80, werden im Grunde des § 8 AAV, BGBl. Nr. 218/1983, letzterer hinsichtlich seines Spruchteiles III im Grunde des § 78 AVG 1950, behoben.

Das Ansuchen der N. Gesellschaft mbH vom um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung ihrer Betriebsanlage im Standort L.-Straße 53, L. (Restaurant 'G. Z.') wird gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 iVm § 27 Abs. 2 AnSchG 1972 im gleichen Grunde abgewiesen."

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 74 Abs. 2 GewO 1973, der §§ 27 Abs. 1 und 2, 24 Abs. 1 und 3 Abs. 2 ASchG sowie des § 8 Abs. 1, 2 und 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983, (AAV) folgendes aus: Aus dem Gang des bisherigen Verfahrens wie auch aus dem Berufungsvorbringen der Nachbarn B. und A. gehe unzweifelhaft hervor, daß die gegenständliche Betriebsanlage einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfe. Gemäß § 27 Abs. 2 ASchG seien in diesem Fall im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Aus den zitierten Bestimmungen des ASchG und der AAV ergebe sich, daß Arbeitsräume, soweit es die Art der Arbeitsvorgänge zulasse oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich sei, natürlich belichtet sein müßten. Diese natürliche Belichtung müsse ferner grundsätzlich bestimmten, im § 8 Abs. 1 AAV näher ausgeführten Erfordernissen entsprechen; eine Abstandnahme von diesen Erfordernissen sei jedoch gemäß Abs. 2 dieser "Gesetzesstelle" unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Das völlige Fehlen einer natürlichen Belichtung eines Arbeitsraumes könne gemäß Abs. 3 dieser "Gesetzesstelle" nur vom Arbeitsinspektorat in einem eigenen Verfahren zugelassen werden; der Gewerbebehörde sei es dagegen verwehrt, im Rahmen eines von ihr durchgeführten Betriebsanlagenverfahrens Räume, welche über keinerlei natürliche Belichtung verfügten, und in denen entsprechend der aus den Einreichunterlagen ersichtlichen beabsichtigten Betriebsweise Arbeitnehmer beschäftigt werden sollen, zu genehmigen.

Im vorliegenden Fall verfüge die gesamte Betriebsanlage über keinerlei natürliche Belichtung. Gleichzeitig sei ein Betrieb der gegenständlichen Anlage ohne Arbeitnehmer nicht vorstellbar, wie sich allein schon aus der Größe des Gastlokales mit ca. 100 Verabreichungsplätzen, dem Vorhandensein einer Küche und eines Kochvorbereitungsraumes sowie der nicht eingeschränkten Betriebszeit ergebe; zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am seien denn auch dreizehn Arbeitnehmer in der Betriebsanlage beschäftigt gewesen.

Da nun aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes in der Betriebsanlage keine Arbeitnehmer beschäftigt werden dürften, die Betriebsanlage aber ohne solche nicht betrieben werden könne, somit das eingereichte Projekt ohne wesentliche Änderungen nicht genehmigungsfähig sei, seien spruchgemäß die anderslautenden Bescheide der beiden Unterinstanzen zu beheben und das dem gesamten Verfahren zugrundeliegende Ansuchen (der Beschwerdeführerin) abzuweisen gewesen. Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides sei zu beheben gewesen, weil nunmehr eine Genehmigung nicht erteilt werde.

4. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch diesen Becheid in ihrem "Recht auf Erteilung einer gewerbebehördlichen Anlagengenehmigung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 74 ff GewO iVm §§ 3 Abs. 2, 27 Abs. 2 iVm § 30 ANSchG) verletzt". Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mP hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde eingebracht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei hält den angefochtenen Bescheid unter anderem deshalb für inhaltlich rechtswidrig, weil er infolge Mißachtung des Begriffes "Sache" (des Berufungsverfahrens) gegen § 66 Abs. 4 AVG 1950 verstoßen habe. Sache i.S. dieser Bestimmung sei ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zustehe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 10.317/A). Belange des Arbeitnehmerschutzes könnten kein Mitspracherecht der Nachbarn begründen; die Nachbarn hätten im vorliegenden Verfahren auch keine derartigen Einwendungen erhoben. Da die Nachbarn als Berufungswerber hinsichtlich der Frage der ausreichenden natürlichen Belichtung der Arbeitsräume nicht mitzuwirken berechtigt gewesen seien, sei es der belangten Behörde von vornherein verwehrt gewesen, diesen Themenkreis nochmals aufzugreifen.

2.1. Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. In dem von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Rechtsansicht ins Treffen geführten Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem verstärkten Senat (in Abkehr von der in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 4725/A vertretenen Rechtsanschauung) ausgesprochen, § 66 Abs. 4 AVG 1950 besage nicht, daß in Fällen eines eingeschränkten Mitspracherechtes einer Partei aufgrund der von ihr eingebrachten Berufung über den Themenkreis hinausgegangen werden könne, in dem sie mitzuwirken berechtigt sei. Sache i.S. des § 66 Abs. 4 leg. cit. sei ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zustehe. Das eingeschränkte Mitspracherecht der Nachbarn im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren umfaßt - was auch von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zugestanden wird - nicht Belange des Arbeitnehmerschutzes (vgl. § 74 Abs. 2 GewO 1973). Folglich durfte die belangte Behörde aufgrund der von den Nachbarn (den mP) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom erhobenen Berufung - in der sich im übrigen kein Vorbringen zu Fragen des Arbeitnehmerschutzes findet - im Rahmen des von ihr durchgeführten Berufungsverfahrens nicht unter Überschreitung des den Nachbarn vom Gesetz eingeräumten Bereiches eines Mitspracherechtes die Frage der natürlichen Belichtung der Betriebsanlage aufgreifen und das von ihr festgestellte Fehlen einer solchen Belichtung als wesentliches Begründungselement der angefochtenen Entscheidung zugrunde legen.

2.2. Die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift gegen die im zitierten Erkenntnis Slg. Nr. 10.317/A zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht vorgebrachten Argumente sind nicht geeignet, den Gerichtshof zu veranlassen, von dieser seiner Rechtsanschauung - die im Gegensatz zur Meinung der belangten Behörde nicht allein in diesem Erkenntnis, sondern seither in zahlreichen weiteren Erkenntnissen (vgl. dazu die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, S. 547 f unter 117. bis 122. ziterten Entscheidungen) vertreten worden ist - abzurücken.

3. Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.