VwGH vom 11.12.2002, 99/03/0357
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der D in Wien, vertreten durch Binder, Grösswang & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-543, betreffend Weiterbildungsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf "Weiterzahlung des Weiterbildungsgeldes ab ".
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom wurde wie folgt abgesprochen:
"Aufgrund der Eingabe vom wird mitgeteilt, daß gem. § 26 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) BGBl. Nr. 609/1977, ab kein Anspruch auf Bildungskarenz besteht."
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es - nach Zitierung des § 26 Abs. 1, 2 und 3 AlVG - im Wesentlichen, die Beschwerdeführerin sei bis zum in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis zur Ö. Ges.m.b.H. gestanden. Mit Zustimmung vom hätte die Beschwerdeführerin mit ihrem Dienstgeber vereinbart, dass sie für den Zeitraum bis auf Grund des Besuches eines Weiterbildungskurses eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes in Anspruch nehmen würde. Mit habe die Beschwerdeführerin bei der Ö. Ges.m.b.H. ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis angetreten, welches mit Beginn in ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umgewandelt worden sei. Mit sei sie bei der angeführten Firma wiederum als geringfügig beschäftigt angemeldet worden. Voraussetzung für die Gewährung einer Bildungskarenz sei neben der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme eine Vereinbarung mit dem Dienstgeber über das Ruhen des Dienstverhältnisses gegen Entfall des Arbeitsentgeltes. Die dementsprechende Vereinbarung enthalte einen genau bestimmten Zeitraum, in welchem der Entfall des Arbeitsentgeltes festgelegt worden sei. Mit Wiederherstellung des vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit sei diese Karenzierungsvereinbarung schlüssig beendet worden. Eine neue Vereinbarung sei dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Da somit eine Voraussetzung "für die Gewährung der Bildungskarenz" weggefallen sei, sei die erstinstanzliche Entscheidung insofern als richtig anzusehen, als der Antrag auf Gewährung des Weiterbildungsgeldes "für den " abzulehnen gewesen sei. Die Frage der geringfügigen Beschäftigung ab bei der Ö. Ges.m.b.H. habe in diesem Zusammenhang keiner Erörterung bedurft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 26 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 148/1998 hat folgenden Wortlaut:
"(1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1991, in Anspruch nehmen, und die Anwartschaft erfüllen, gebührt für diese Zeit ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Karenzgeldes gemäß § 7 KGG bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muß die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden.
2. Bei einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG muß die Einstellung einer nicht nur geringfügig beschäftigten Ersatzarbeitskraft, die zuvor Arbeitslosenentgelt oder Notstandshilfe bezogen hat, nachgewiesen werden.
(2) Zeiten, die für die Beurteilung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld oder Karenzgeld herangezogen wurden, können bei der Beurteilung der Anwartschaft nochmals berücksichtigt werden.
(3) Bei Vorliegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit gebührt kein Weiterbildungsgeld, es sei denn, daß § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d oder e (Geringfügigkeit) zutrifft.
(4) Die Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz steht der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen."
§ 11 Abs. 1 AVRAG in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 bestimmt:
"Sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers und auf die Erfordernisse des Betriebes für die Dauer von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr vereinbart werden. In Betrieben, in denen ein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat errichtet ist, ist dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers den Verhandlungen beizuziehen. Eine neuerliche Bildungskarenz kann erst drei Jahre nach Rückkehr aus einer Bildungskarenz vereinbart werden."
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, der erstinstanzliche Bescheid vom und der angefochtene Bescheid, der in seinem Spruch den erstinstanzlichen Bescheid bloß bestätige und den Spruchinhalt des erstinstanzlichen Bescheides somit unverändert übernehme, sprächen darüber ab, dass kein Anspruch auf Bildungskarenz bestehe. Die Frage des Anspruches auf Bildungskarenz sei aber nicht Hauptfrage des mit dem Antrag vom eingeleiteten Verwaltungsverfahrens, sondern nur eine Vorfrage für die Beurteilung, ob Weiterbildungsgeld gemäß § 26 AlVG zustehe. Über das Bestehen eines Anspruches auf Bildungskarenz, als einen zivilrechtlichen Anspruch, der in die Entscheidungskompetenz der Zivilgerichte gemäß § 1 JN falle, sei die belangte Behörde nicht zuständig gewesen. Auch habe die belangte Behörde nicht über ihren Antrag auf Zuerkennung bzw. Weiterzahlung des Weiterbildungsgeldes entschieden. Durch die Übernahme des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides, wonach kein Anspruch auf Bildungskarenz bestehe, sei nicht über die Hauptfrage, sondern über eine Vorfrage dieses Verfahrens bescheidmäßig abgesprochen worden.
Soweit sich dieses Beschwerdevorbringen darauf bezieht, es sei nicht über den Antrag der Beschwerdeführerin entschieden worden, ist darauf zu verweisen, dass sich der in Frage stehende Bescheidspruch ausdrücklich auf den Antrag vom bezieht ("Auf Grund der Eingabe vom wird mitgeteilt, ..."). Aber auch dann, wenn nicht schon daraus der Schluss zu ziehen ist, dass die Behörde den Antrag vom erledigt hat, könnte dies nur bedeuten, dass der Spruch, für sich allein betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt, wobei in einem solchen Fall die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9112/A). Aus dem Zusammenhalt von Spruch und Begründung ist aber zweifelsfrei zu schließen, dass die Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin vom abgesprochen hat (vgl. insbesondere die Schlussfolgerung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "ihr Antrag auf Gewährung des Weiterbildungsgeldes für den abzulehnen war").
Daran, dass die belangte Behörde über diesen Antrag und damit über den Anspruch auf Weiterbildungsgeld abgesprochen hat, ändert auch nichts, dass im Bescheidspruch davon die Rede ist, dass "kein Anspruch auf Bildungskarenz besteht". Wenn ein solcher "Anspruch auf Bildungskarenz" im Antrag vom gar nicht begehrt wird (sondern ein solcher auf Weiterbildungsgeld) und überdies ein solcher "Antrag auf Bildungskarenz" nach dem dabei zitierten § 26 Abs. 1 AlVG gar nicht besteht (sondern wiederum nur ein solcher auf Weiterbildungsgeld), so spricht dies dafür, dass es sich bei der Verwendung des Ausdruckes "Bildungskarenz" statt "Weiterbildungsgeld" im Spruch des Bescheides um eine offenbar auf einem Versehen beruhende (auch der Beschwerdeführerin selbst erkennbare) Unrichtigkeit (um ein offenkundiges Vergreifen im verwendeten Ausdruck) handelt, die (das) nicht nur die erstinstanzliche Behörde, sondern auch die Berufungsbehörde zur jederzeitigen Berichtigung von Amts wegen berechtigte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0210). Dieser offenkundige, den Inhalt des Bescheides weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht verändernde Fehler, der einer Berichtigung im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG zugänglich gewesen wäre, stellt keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar.
In der Sache wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass durch das vollversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis mit der Ö. Ges.m.b.H. konkludent eine Vereinbarung zwischen ihr und dem Arbeitgeber dahin geschlossen worden wäre, es sei von der Vereinbarung einer Bildungskarenz schlüssig abgegangen worden. Das vollversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im Dezember 1998 sei nur daraus zu erklären, dass gerade während der Weihnachtsfeiertage ein erhöhter Arbeitsanfall bestehe und daher ein dringender Bedarf nach einer über ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis hinausgehenden Beschäftigung der Beschwerdeführerin während dieses Zeitraumes bestanden habe. Die von § 26 Abs. 3 AlVG für diesen Fall vorgesehene Rechtsfolge des Wegfalls des Weiterbildungsgeldes für diesen Zeitraum sei von der Beschwerdeführerin vor diesem Hintergrund in Kauf genommen worden. Keineswegs könne aber angenommen werden, dass damit ein Abgehen von der Karenzierungsvereinbarung schlüssig begründet worden sei. Selbst wenn die Behörde Derartiges vermutet habe, hätte sie der Beschwerdeführerin diesen Umstand im Verfahren vorhalten müssen. Dass keineswegs von dieser Vereinbarung abgewichen worden sei, zeige auch schon der Umstand, dass nach Dezember 1998 wieder auf ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zurückgegangen worden sei.
Die Beschwerdeführerin vermag auch damit eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht aufzuzeigen.
Es ist nämlich mit Dirschmied (AlVG3, Erl. 5 zu §§ 26 und 26a) davon auszugehen, dass hinsichtlich des Leistungsausschlusses zwischen dem Nichterfüllen von Anspruchsvoraussetzungen und dem Ruhen des Anspruchs zu unterscheiden ist, wobei (u.a.) eine versicherungspflichtige Beschäftigung den Wegfall des Anspruches auf Weiterbildungsgeld bewirkt. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dabei auch der daraus abgeleiteten Schlussfolgerung Dirschmied's an, dass beim zeitweiligen Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung ein neuerlicher Antrag notwendig ist (und insofern kein Ruhenstatbestand vorliegt).
Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch folgende Überlegungen:
Sowohl § 26 AlVG als auch § 11 AVRAG wurden durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, neu geschaffen. Die Erläuterungen (886 BlgNR 20. GP, 81) führen (u.a.) aus, dass der vorrangige Zweck der Implementierung des Bildungskarenzmodells die Schaffung von Arbeitsplätzen für arbeitslose Personen sei. Die dabei entstehenden Kosten der Integration einer arbeitslosen Person würden wesentlich davon abhängen, wie viele der durch Langzeit- oder Bildungskarenz frei werdenden Arbeitsplätze letztlich mit derzeit Arbeitslosen substituiert werden, wie hoch der Anteil der Bildungskarenzen an allen Karenzen und wie hoch der Anteil der Langzeitarbeitslosen und allen Arbeitslosen sein werde, die auf diese Weise als Ersatzkräfte Beschäftigung finden könnten.
Normzweck der gegenständlichen Regelung einer Bildungskarenz ist es somit (jedenfalls auch), dass durch Langzeit- oder Bildungskarenz frei werdende Arbeitsplätze mit Arbeitslosen substituiert werden. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Gesetzgeber für einen relativ längeren Zeitraum eine Substitutionsmöglichkeit (durch Bildungskarenz) frei werdender Arbeitsplätze schaffen wollte und es einem solchen Normzweck (jedenfalls tendenziell) zuwiderliefe, wenn (wie hier) für Zeiten eines erhöhten Arbeitsanfalls eine Unterbrechung der Bildungskarenz (in ihrer Tatbestandswirkung für das Weiterbildungsgeld) möglich wäre und insofern die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Substitution vermindert würde. Dazu kommt noch, dass dann, wenn man das Vorliegen einer über die Geringfügigkeitsgrenze hinausgehenden Beschäftigung als (bloßen) Ruhenstatbestand sehen wollte, ein Wertungswiderspruch zur Regelung des § 11 AVRAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1997) entstünde, wonach eben die Bildungskarenz von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr zu dauern hat und nach der Begrifflichkeit des § 11 AVRAG ("Bildungskarenz") im förderungsrechtlichen Zusammenhang mit § 26 Abs. 1 Z. 1 AlVG vom Normzweck her eben eine für diesen Zeitraum (über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehende) Freistellung des Arbeitnehmers zur Weiterbildung (zur Erreichung oder Verbesserung beruflicher Qualifikation) intendiert ist.
Da somit die unstrittig versicherungspflichtige Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Dezember 1998 zu einem Wegfall des Anspruchs auf Weiterbildungsgeld (mit dem Erfordernis eines neuerlichen Antrages) geführt hat, wurde die Beschwerdeführerin schon deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, ohne dass auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde rechtens davon ausgehen durfte, dass - als arbeitsrechtliche Tatbestandsvoraussetzung für ein Weiterbildungsgeld (zur Relevanz der arbeitsrechtlichen Regelungen des AVRAG als Determinanten für das Weiterbildungsgeld vgl. etwa Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997 in Jabornegg/Resch (Hg), Rechtsfragen des ASRÄG 1997, 24) - durch das vollversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im Dezember 1998 schlüssig von der Vereinbarung einer Bildungskarenz abgegangen worden sei. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn sich ein Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber neben einer Bildungskarenz (mit der Wirkung der Vertragssuspension für die Dauer der Bildungsfreistellung bezüglich der Hauptpflichten der Arbeitsvertragsteile ohne Auflösung des Arbeitsverhältnisses; vgl. Binder, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Anm. 6 zu § 11) zu einer die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Beschäftigung verpflichtet (vgl. zu dieser Problematik etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 12.722/A), wobei damit weiters dahingestellt bleiben kann, ob bei Bejahung dieser Frage eine die Geringfügigkeitsgrenze überschreitende Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nicht schädlich wäre (und ob gleichheitsrechtliche Überlegungen einer solchen Differenzierung entgegenstünden).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am