VwGH vom 19.12.1996, 96/16/0227
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des M M in W, Deutschland, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. ENr. 782/96-Str/VO, betreffend Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am um 3.50 Uhr wurden von einem Organwalter des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz im Kofferraum des PKWs des Beschwerdeführers vorgefundene drei Vögel (zwei Palmkakadus und ein Pyrrhurasittich) gemäß § 89 Abs. 2 Finanzstrafgesetz beschlagnahmt. Dazu war es letztlich gekommen, nachdem der Vater des Beschwerdeführers, G. M., am Vorabend aus Tschechien nach Österreich eingereist war und sich dabei der Grenzkontrolle entzogen hatte; eine Fahndung nach diesem Fahrzeug war erst durch Errichtung einer Straßensperre im Bereich Linz/Urfahr um 0.25 Uhr erfolgreich. Dabei wurde das aufgrund eines sehr ähnlichen deutschen Kennzeichens auffällige Fahrzeug des Beschwerdeführers angehalten.
Bei seiner Einvernahme wollte der Beschwerdeführer weder angeben, von wo wohin er die Vögel transportieren wollte, noch, woher sie stammten und um welche Art von Tieren es sich handle. Es wurde ihm vorgehalten, daß der Verdacht des Schmuggels bestehe, weil nach Ansicht des Haupzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz die drei Vögel von G. M. in Tschechien erworben und diese bei der Einreise über das Zollamt Wullowitz am Vorabend mitgeführt worden wären. Nach der Grenze seien sie in den PKW des Beschwerdeführers umgeladen worden. Zu diesem Vorhalt erklärte der Beschwerdeführer, keine Angaben machen zu wollen.
Die gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG aufgenommene Niederschrift lautet wie folgt:
"Mir wird mitgeteilt, daß die in meinem PKW befindlichen zwei
Stück Papageien (dunkelgrau mit rosa Wangen) und ein Stück
Sittich (grün) als Tatgegenstände eines vorsätzlichen
Finanzvergehens beschlagnahmt werden. Die Beschlagnahme erfolgt
wegen Gefahr im Verzug ohne bescheidmäßige
Beschlagnahmeanordnung, weil zu besorgen ist, daß ein Zuwarten
bis zur Beibringung eines von der zuständigen
Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den
Zweck der Maßnahme gefährdet hätte. Die Beschlagnahme ist
geboten, da zu besorgen ist, daß durch den Verkauf der Ware der
Vollzug des Verfalls vereitelt werden würde. Weiters ist die
Beschlagnahme zur Beweissicherung geboten, weil die
Tatgegenstände zur Ermittlung des Zollwertes (Ermittlung der
Strafbemessungsgrundlage) benötigt würden. Die
Beschlagnahmequittung ... wurde mir ausgefolgt."
In seiner gegen diese Ausübung unmittelbarer
finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 152
Abs. 1 FinStrG erhobenen Beschwerde brachte der
Beschwerdeführer vor:
"Hiermit lege ich Widerspruch (Berufung) gegen die
Beschlagnahme der zwei Palmkakadus und des Pyrrhura-Sittichs
ein ... Da ich die Legalität der betroffenen Tiere zweifelsfrei
nachweisen kann war die Beschlagnahme rechtswidrig. Falls eine weitere Begründung von Nöten ist, folgt sie einem gesonderten Schriftstück."
Dieser Beschwerde gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie ging vom nachstehenden Sachverhalt aus:
"Am reiste G M, geboren am , (Vater des Beschwerdeführers), mit dem PKW "BMW" 730, amtliches XX-XX nnn von Tschechien kommend über das Zollamt Wullowitz nach Österreich ein. Einer beabsichtigten Kontrolle des von ihm benutzten Fahrzeuges entzog sich G M durch Flucht nach Österreich, wobei er seinen Reisepaß beim Grenzzollamt zurückließ. Im Zuge einer daraufhin veranlaßten Fahndung nach dem PKW konnte dieser einige Stunden später aufgegriffen werden. Eine Kontrolle des Fahrzeuges nach geschmuggelten Waren verlief ergebnislos. Es wurde jedoch nach Verhängen einer Geldstrafe eine Observation des Fahrzeuges vorgenommen und diese letztendlich nach mehreren Hin- und Rückfahrten des Verdächtigen zwischen Linz und Freistadt in Linz (Autobahn A 7) am , ca. 1.00 Uhr Nacht, angehalten.
Ebenfalls einer Kontrolle wurde der unmittelbar dahinterfahrende PKW "Opel Kadett", amtliches Kennzeichen YY-YY mm (BRD), unterzogen, wobei dieses Fahrzeug M M, Sohn des G M lenkte. Im Kofferraum dieses PKW wurden nunmehr zwei Stück, nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen geschützte, Palmkakadus und ein Rotscheitelsittich vorgefunden. Beide Verdächtigen machten keine oder nur vage Angaben über die Herkunft der Vögel, sondern beteuerten nur, nichts widerrechtliches begangen zu haben."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt, daß der Verdacht bestanden habe, die drei artengeschützten Vögel seien widerrechtlich in das Zollgebiet der EU verbracht worden, weshalb die Beschlagnahme im Hinblick auf den angedrohten Verfall und die Gefährung des Vollzuges durch Verbringung in das Ausland sowie zur Sicherung als Beweismittel erforderlich gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich der Beschwerdeführer erkennbar (auch) in seinem Recht darauf verletzt erachtet, daß der von ihm mit der Administrativbeschwerde angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt werde. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß der angefochtene Bescheid allein über die Rechtmäßigkeit der (bescheidlosen) Beschlagnahme vom abgesprochen hat. Ein in der Folge vom Beschwerdeführer gestellter Ausfolgungsgantrag (Aufhebungsantrag) nach § 89 Abs. 7 FinStrG ist nicht Gegenstand der angefochtenen Rechtsmittelentscheidung, sodaß insofern durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen wurde.
Gemäß § 89 Abs. 1 hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zu Beweissicherung geboten ist. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind bei Gefahr im Verzug neben den Organen der Finanzstrafbehörde auch die Organe der Abgabenbehörde, der Zollwache und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs. 1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekannt zu geben und in einer Niederschrift festzuhalten.
Tatbestandsvoraussetzung für die Verfügung der Beschlagnahme sind der Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens, die Bedrohung des Gegenstandes mit der Strafe des Verfalls (§ 17 FinStrG) oder der Umstand, daß der Gegenstand als Beweismittel in Betracht kommt, sowie das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls. Daß der Beschuldigte das mit Verfall bedrohte Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe ebenso wie die Feststellung, daß bestimmte Personen den Verfall gegen sich gelten zu lassen haben, erst dem Untersuchungsverfahren nach §§ 114 ff FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt; es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht (siehe die Nachweise bei Fellner, Finanzstrafgesetz5, Rz 4a und 4b zu §§ 89 bis 92 FinStrG). Die Beschlagnahme ohne schriftliche Anordnung erfordert als weitere Voraussetzung, daß Gefahr im Verzug vorliegt; dieser Begriff ist dahingehend zu verstehen, daß eine solche konkrete Gefahr dann anzunehmen ist, wenn durch eine bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme ein Zeitverlust eintrete, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, daß die grundsätzlich mit Bescheid auszusprechende Beschlagnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen. Eine Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgendeinem Grund gefährdet erscheint; schon die geringste Gefahr reicht zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag aus, weil der Sicherungszweck dominiert (siehe die Nachweise bei Fellner aaO., Rz 10).
Ausgehend vom oben wiedergegebenen Sachverhalt bzw. den Feststellungen der belangten Behörde kann das Vorliegen aller dieser Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 des § 89 FinStrG bejaht werden. Es ist zwar richtig, daß der Beschwerdeführer nicht bei einem Grenzübertritt betreten wurde. Die Umstände, die auch zur Kontrolle beim Beschwerdeführer führten und insbesondere, daß er bei der Einvernahme jegliche sachdienliche Angabe verweigerte, rechtfertigten jedenfalls den Verdacht, daß eine der in § 17 Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen begangen wurde. Erst in der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, daß er schon am vorgebracht hätte, er wolle diese Vögel zu einem Tierarzt in Österreich bringen und daß er aus Deutschland eingereist sei und hätte sich lediglich mit seinem Vater bei einer naheliegenden Autotankstation treffen wollte. Schon damals hätte er entsprechende Bescheinigungen über die Herkunft der Vögel vorlegen wollen.
Nichts dergleichen hat der Beschwerdeführer im Administrativverfahren vorgebracht, weshalb schon aufgrund des aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbotes darauf nicht einzugehen ist. Eine Person, die unter ungewöhnlichen Umständen mit augenscheinlich nicht aus Österreich stammenden, dem Artenschutzabkommen unterliegenden Tieren betreten wird, begründet, wenn nicht die geringste Aufklärung geboten wird, den Verdacht, daß diese Tiere widerrechtlich in das Zollgebiet eingebracht wurden. Ob der Beschwerdeführer verdächtig war, Beteiligter am allfälligen Schmuggel seines Vaters zu sein oder ob er der Hehlerei verdächtig war (§ 37 FinSrG), spielt für die Anordnung der Beschlagnahme keine Rolle. Daß Gefahr im Verzug vorlag, bestreitet der Beschwerdeführer im Anbetracht der festgestellten Umstände zu Recht nicht.
Aus all diesen Gründen erwies sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.