VwGH vom 20.12.1995, 94/03/0273

VwGH vom 20.12.1995, 94/03/0273

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0198/94/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am gegen 10.30 Uhr im Rahmen der gewerbsmäßigen Güterbeförderung mit einem dem österreichischen Kennzeichen nach bestimmten Sattelkraftfahrzeug Holz aus Norwegen über das Zollamt Hörbranz nach Feldkirch-Gisingen und in der Folge gegen 16.00 Uhr über das Zollamt Feldkirch-Tisis in die Schweiz verbracht. Er habe damit eine Transitfahrt durchgeführt und dabei kein vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung für die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt (genannt Öko-Karte) mitgeführt. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 7 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952, in Verbindung mit Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 begangen, wofür gemäß § 16 Abs. 1 und 2 des Güterbeförderungsgesetzes eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei als Kraftfahrer bei einer Transportgesellschaft mit Sitz in Feldkirch beschäftigt. In dieser Eigenschaft sei er am gegen 10.30 Uhr mit einem mit Holz beladenen Sattelkraftfahrzeug (mit Vorarlberger Kennzeichen) von Norwegen kommend über das Zollamt Hörbranz in das Bundesgebiet eingereist. Nach der Einreiseabfertigung sei er zu seinem Arbeitgeber nach Feldkirch-Gisingen gefahren. Die Holzfuhre sei für die Schweiz bestimmt gewesen. Da aber in der Schweiz andere Gewichtsbestimmungen gelten würden, sei die Fracht verringert worden, und zwar entweder dadurch, daß nur ein Teil der Ladung vom Fahrzeug abgeladen worden sei oder dadurch, daß das Fahrzeug gänzlich entladen worden sei, anschließend aber das Holz wiederum bis zu dem für die Schweiz zulässigen Gewicht aufgeladen worden sei. Bei der Ausreise in die Schweiz gegen 16.00 Uhr (über das Zollamt Feldkirch-Tisis) sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer weder ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular noch eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt mitgeführt habe. Nach Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 habe der Lenker eines Lkw"s für jede Transitfahrt ein solches Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen. Im gegenständlichen Falle mache es keinen Unterschied, ob der Lkw in Feldkirch zur Gänze oder nur teilweise entladen worden sei. Gegenstand des Ökopunktesystems sei nämlich der Transit des Lkw"s und nicht der Transit der Ware.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom , B 1367/94, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, BGBl. Nr. 823/1992 (im folgenden Transitvertrag), enthält im Art. 15 Ausführungen zur Reduktion der Umweltbelastungen durch ein Ökopunktesystem. Nach Art. 15 Abs. 2 des Transitvertrages kommen die Vertragsparteien überein, daß die von Lastkraftwagen im Transitverkehr durch Österreich erzeugten Abgase und der Lärm verringert werden sollen. Nach Art. 15 Abs. 3 des Transitvertrages soll das gesamte NOx-Emissionsniveau, das von den in einer der Vertragsparteien zugelassenen Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht über 7,5 t im Transit durch Österreich verursacht wird, beginnend mit dem Jahr 1992, reduziert werden. Nach Art. 15 Abs. 6 des Transitvertrages wird die vereinbarte Reduktion der Höhe der NOx-Gesamtemission dieser Laftkraftwagen über ein Ökopunktesystem verwaltet. Innerhalb dieses System benötigt jeder Lkw im Transitverkehr durch Österreich eine Ökopunkteanzahl, die dem Wert der NOx-Emissionen des jeweiligen Lkw"s entspricht. Die Bemessung und Verwaltung dieser Punkte wird im Anhang IX des Transitvertrages geregelt; nach Abs. 1 dieses Anhanges ist für jeden Lkw, der Österreich durchfährt, bei jeder Fahrt (in eine Richtung) u.a. eine gültige Punktekarte, die von den zuständigen Behörden ausgestellt wird, vorzulegen. Nach Art. 15 Abs. 8 des Transitvertrages wird Österreich für Lkw, die in Österreich zugelassen sind, im Transitverkehr durch Österreich dasselbe Ökopunktesystem anwenden. Nach Art. 24 Abs. 4 des Transitvertrages werden der Zeitpunkt und die Modalitäten der Einführung des Ökopunktesystemes im Jahre 1992 in einer Verwaltungsvereinbarung festgelegt.

Die Verwaltungsvereinbarung (vgl. zu Staatsverträgen in Form von Verwaltungsübereinkommen Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rz 225) wurde unter BGBl. Nr. 879/1992 kundgemacht. Gemäß Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung hat der Lenker eines Lastkraftwagens für jede Transitfahrt ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt gemäß Anhang A der Vereinbarung (genannt Ökokarte) mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 7 des Güterbeförderungsgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu ahnden ist, wer Ge- und Verbote aufgrund von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe mit dem Sattelfahrzeug Holz von Norwegen nach Feldkirch transportiert; in Feldkirch sei das Fahrzeug zunächst entladen worden, in der Folge sei ein Teil des Holzes wiederum auf das Fahrzeug aufgeladen und auf diesem sodann über Liechtenstein in die Schweiz verbracht worden. Wegen der vollständigen Entladung des Lkw"s liege eine Transitfahrt nicht vor. Eine Transitfahrt müsse ein einheitlicher und in sich abgeschlossener Vorgang sein. Aufgrund der Entladung des Lkw"s könne von einem Verkehr durch Österreich nicht mehr gesprochen werden. Zudem sei der Transport von Waren nach Liechtenstein bzw. in die Schweiz kein Transit im Sinn des Transitabkommens, weil Liechtenstein und Schweiz nicht Vertragsparteien des Abkommens seien.

Zur Auslegung des Begriffes "Transit" im Sinne des Art. 15 des Transitvertrages und der zur näheren Ausführung ergangenen Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 sind primär die Begriffsdefinitionen des Art. 3 des Transitvertrages maßgeblich. Nach Art. 3 Z. 1 des Transitvertrages gilt jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen, als Transitverkehr. Nach Art. 3 Z. 2 des Transitvertrages ist jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen, die in einer der Vertragsparteien zugelassen sind, durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind, als Straßengütertransitverkehr anzusehen.

Aus den dem Transitvertrag eigenen Definitionen ergibt sich, daß ein Transitverkehr vorliegt, wenn mit Lkw, die in Österreich bzw. einem Staat der E(W)G zugelassen sind, Fahrten durchgeführt werden, deren Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen. Nicht maßgeblich ist es daher, ob Ausgangspunkt und Zielpunkt im Gebiet der Vertragsparteien des Transitvertrages liegen.

Aus dem Zweck des Abkommens, zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung (vgl. Art. 15 Abs. 1 des Transitvertrages) die im Transitverkehr durch Österreich erzeugte Abgas- und Lärmbelastung zu verringern, sowie aus der Begriffsdefinition des Art. 3 Z. 2 des Transitvertrages, welche auch Fahrten von unbeladenen Lkw erfaßt, ergibt sich weiters, daß sich ein Lkw auch dann auf einer Transitfahrt befindet, wenn er in Österreich vollständig entladen wird, solange er sich auf einer - wenn auch kurzfristig unterbrochenen - Fahrt durch Österreich befindet, die außerhalb Österreichs ihren Ausgangs- und Zielpunkt hat.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht daher weder die vollständige Entladung des Lkw"s in Feldkirch, noch der Umstand, daß der Zielpunkt der Fahrt in der Schweiz liegt, der Annahme einer Transitfahrt im Sinne des Transitvertrages entgegen.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es bestünde ausschließlich beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet die Verpflichtung, das vollständig ausgefüllte und mit der notwendigen Anzahl von Ökopunkten versehene Formular den Kontrollorganen abzugeben, so übersieht er, daß im angefochtenen Bescheid die Bestimmung des § 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 als die durch die Tat verletzte Norm angeführt ist. Nach dieser Bestimmung hat der Lenker eines Lkw"s ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen.

Für die Strafbarkeit des Verhaltes des Beschwerdeführers kommt es nicht darauf an, ob die Zollbehörde den Beschwerdeführer beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet zur Vorlage eines Formulars im Sinne des Art. 4 Z. 2 des Verwaltungsüberkommens BGBl. Nr. 879/1992 aufgefordert hat. Keine Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, daß die Bezirksverwaltungsbehörde eine Unterbrechung der Beförderung im Sinne des § 7 b Abs. 3 des Güterbeförderungsgesetzes nicht angeordnet hat.

Die in der Beschwerde zitierten Erlässe des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr bzw. des Bundesministers für Finanzen bilden schon mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine Rechtsvorschriften, aus denen der Beschwerdeführer subjektive Rechte ableiten könnte. Es erübrigt sich daher, auf die diese Erlässe betreffenden Beschwerdeausführungen einzugehen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 16 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von Verwaltungsstrafsanktionen hegt der Verwaltungsgerichtshof nicht (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VerfSlg. 12920).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als

unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.