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VwGH vom 24.01.1996, 94/03/0191

VwGH vom 24.01.1996, 94/03/0191

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Agrar-480051/10-I/Mü-1994, betreffend Maßnahmen zur Vorkehrung von Wildschäden (mitbeteiligte Partei: Jagdgesellschaft K, vertreten durch H in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.980 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom wurde auf Antrag des Beschwerdeführers der mitbeteiligten Jagdgesellschaft gemäß § 64 Abs. 2 des Oberösterreichischen Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1964 (JG), die Durchführung folgender Maßnahmen aufgetragen:

"1. Beginnend mit dem Jagdjahr 1994/95 ist der Abschuß vorerst auf 366 Stück zu erhöhen, das sind 11 Stück pro 100 Hektar, falls nicht forstfachliche Untersuchungen feststellen, den jagdrechtlichen Vorschriften sei bereits Genüge getan.

2. Mindestens 60% des Abschusses sind beim weiblichen Wild zu erfüllen, und zwar jeweils etwa 1/3 bei Altgeißen, Schmalgeißen und Geißkitzen.

3. Mindestens 80% des weiblichen Rehwildabschusses ist bis 31.10. eines jeden Jagdjahres durchzuführen. Darüber ist unter Berücksichtigung der jagdrechtlichen Fristen unmittelbar der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu berichten.

4. 50% des Abschusses sind im Gebiet südlich der

S Bezirksstraße zu tätigen. Auch hierüber ist zu berichten.

5. Die Rehwildfütterung ist zu unterlassen, ausgenommen die Vorlage von hochwertigem Rauhfutter in der Zeit vom 1. November bis 31. März jeden Jagdjahres.

6. Die Vorschreibungspunkte 1 - 5 sind vorerst bis zum Ende des Jagdjahres 1995/96 zu erfüllen.

7. Die Jagdgesellschaft K hat bis bis zu

15 Kontrollzäune im Ausmaß von jeweils 6 x 6 m in rehdichter Einzäunung und im Einvernehmen mit dem jeweiligen Grundbesitzer zu errichten. Die endgültige Anzahl und den Standort legt der forsttechnische Dienst der Bezirkshauptmannschaft Schärding fest. Die Jagdgesellschaft hat im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer die Kontrollzäune so lange zu erhalten, bis die Entfernung der Zäune vom forsttechnischen Dienst der Bezirkshauptmannschaft Schärding als notwendig und möglich erachtet wird." Zur Begründung wurde im Bescheid ausgeführt, es stehe fest, daß der Beschwerdeführer an seinen Waldkulturen laufend schwere Einbußen am Ertrag erleide. Die einzig sinnvolle Maßnahme zur Verminderung der Wildschäden bestehe in der Reduzierung des Wildstandes."

In Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft - der Beschwerdeführer erachtete die angeordneten Maßnahmen für nicht ausreichend - erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem einerseits der bekämpfte Bescheid (ausdrücklich) aufgehoben und andererseits der mitbeteiligten Partei (lediglich) aufgetragen wurde, die auf bestimmt bezeichneten Waldgrundstücken des Beschwerdeführers bereits bestehenden Wildschutzzäune bis längstens durch Anbringung von Bodenverankerungen (Heringe im Abstand von jeweils 2 m) rehwildsicher instandzusetzen und vorerst für einen Zeitraum von drei Jahren (ab Rechtskraft des Bescheides) rehwildsicher instandzuhalten. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Bezirkshauptmannschaft habe festgestellt, daß insbesondere auf Grund des hohen Verbißgrades Naturverjüngungen in den Naturverjüngungsbeständen nicht ungehindert aufkommen könnten, sodaß eine Gefährdung des Waldes i.S.d. § 64 Abs. 3 JG vorliege. Wenn die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 oder 4 JG erfüllt sind, könne die Behörde nur die in § 64 Abs. 1 JG vorgesehenen Schutzmaßnahmen (Flächenschutz oder Einzelpflanzenschutz durch geeignete Schutzmittel) vorschreiben. Die Bezirkshauptmannschaft habe mit dem bekämpften Bescheid ausschließlich Maßnahmen aufgetragen, die in § 64 JG keine Deckung fänden. Die Erhöhung des Rehwildabschusses, die Erfüllung bestimmter Teile des Abschusses bis zu bestimmten Terminen, die Vorschreibung von Schwerpunktbejagungen oder die Errichtung von Kontrollzäunen könnten ausschließlich Gegenstand eines Abschußplanverfahrens sein. Die Untersagung der Rehwildfütterung finde im JG überhaupt keine Deckung. Die belangte Behörde müsse daher die im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Vorschreibungen aufheben. Aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des jagd- und forstfachlichen Amtssachverständigen ergebe sich, daß eine flächenhafte Gefährdung des Bewuchses i.S.d. § 16 Abs. 5 Forstgesetz nicht gegeben sei. Allerdings werde die ökologisch sinnvolle Beimischung der Baumarten Buche und Tanne durch Wildverbiß verhindert. Aus diesem Grund sei nach Ansicht des Sachverständigen eine Gefährdung des Waldes i.S.d. § 64 JG gegeben. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich auch, daß die Waldbestände des Beschwerdeführers - soweit sie verjüngungsfähig seien oder bereits in Verjüngung stünden - derzeit beinahe zur Gänze eingezäunt seien. Die vorhandenen Wildzäune würden jedoch gravierende Mängel aufweisen. Da sie nicht am Boden befestigt seien, seien sie zum Teil nicht wilddicht, sodaß auch innerhalb der Zäune ein erheblicher Wildverbißdruck festzustellen sei. Nicht eingezäunt sei eine Kahlfläche des Beschwerdeführers im Ausmaß von wenigen hundert Quadratmetern. Aufgrund des Gutachtens stehe für die belangte Behörde fest, daß auf den vorhandenen Verjüngungsflächen des Beschwerdeführers dadurch, daß die Beimischung der Baumarten Buche und Tanne auf diesen Flächen durch Wildverbiß verhindert werde, eine Gefährdung des Waldes i.S.d. § 64 JG vorliege. Da die Verjüngungsflächen im wesentlichen eingezäunt seien, die Einzäunung jedoch nicht wilddicht sei, sei als Sofortmaßnahme die wilddichte Instandsetzung der Zäune aufzutragen. Die rehwilddichte Instandhaltung über den Zeitraum von drei Jahren ermögliche es der Jägerschaft und der Jagdbehörde erster Instanz, im Wege der Abschußplanung bzw. von Zwangsabschüssen, den Rehwildstand in der Weise zu verringern, daß eine Gefährdung i.S.d. § 64 JG auch ohne Einzäunung ausgeschlossen werden könne. Von der Vorschreibung einer Neueinzäunung der (wenige hundert Quadratmeter großen) Kahlfläche des Beschwerdeführers müsse derzeit Abstand genommen werden, weil die Notwendigkeit einer derartigen Maßnahme immer nur an den tatsächlich verwendeten Baumarten bzw. der Verbißgefährdung beurteilt werden könne. Die belangte Behörde weise im übrigen darauf hin, daß die von der Bezirkshauptmannschaft im bekämpften Bescheid aufgetragenen Maßnahmen durchaus geeignet erschienen, die "Wald-Wild-Problematik" in den Griff zu bekommen, die Anordnung derartiger Maßnahmen finde jedoch in § 64 JG keine Deckung.

Gegen diese Berufungsentscheidung der belangten Behörde wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 64 Abs. 1 bis 4 JG lautet:

"Abhalten des Wildes; Wildschadensverhütung.

(1) Der Grundbesitzer und der Jagdausübungsberechtigte, dieser jedoch nur im Einvernehmen mit dem Grundbesitzer, sind befugt, das Wild von den Kulturen durch Schutzmaßnahmen abzuhalten und zu diesem Zweck Zäune, Gitter, Mauern und dergleichen zu errichten (Flächenschutz) oder einen Einzelpflanzenschutz durch geeignete Schutzmittel durchzuführen.

(2) Erleidet ein landwirtschaftlicher Betrieb durch Wildschäden an den Kulturen laufend schwere Einbußen am Ertrag, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde über Antrag des Geschädigten oder der Bezirksbauernkammer nach Anhören des Bezirksjagdbeirates den Jagdausübungsberechtigten zu verhalten, die notwendigen Schutzmaßnahmen (Abs. 1) vorzukehren oder den Wildstand zu vermindern (§ 49 Abs. 2).

(3) Die Jagdausübung und die Wildhege haben so zu erfolgen, daß die Erhaltung des Waldes und seiner Wohlfahrtswirkung für die Allgemeinheit nicht gefährdet wird.

(4) Eine Gefährdung im Sinne des Abs. 3 liegt vor, wenn die Einwirkungen des Wildes durch Verbiß, Verfegen oder Schälen verursachen, daß


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a)
in den Beständen Blößen entstehen oder auf größerer Fläche die gesunde Bestandesentwicklung unmöglich ist; oder
b)
die Aufforstung oder Naturverjüngung auf aufforstungsbedürftigen Flächen innerhalb der sich aus den forstrechtlichen Bestimmungen ergebenden Fristen nicht gesichert ist; oder
c)
die Aufforstung bei Neubewaldungen innerhalb einer nach standortlichen Gegebenheiten angemessenen Frist nicht gesichert ist; oder
d)
Naturverjüngungen in Naturverjüngungsbeständen nicht aufkommen."

Aus dem von der belangten Behörde eingeholten jagdfachlichen Gutachten ergibt sich, daß die von der Bezirkshauptmannschaft angeordneten Maßnahmen geeignet wären, den Rehwildbestand so anzupassen, daß eine Gefährdung des Waldbestandes hintangehalten würde. Der Sachverständige fordert jedoch als zusätzliche Sofortmaßnahme die Instandsetzung und Instandhaltung der bestehenden Wildschutzzäune. Die belangte Behörde schließt sich im angefochtenen Bescheid der Ansicht des Sachverständigen an, wenn sie ausführt, daß die von der Erstbehörde aufgetragenen Maßnahmen geeignet erschienen, die "Wild-Wald-Problematik" in den Griff zu bekommen. Sie gelangte aber zur Aufhebung der im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen Maßnahmen, weil deren Vorschreibung in § 64 JG keine Deckung finde.

Die durch § 64 Abs. 2 JG angeordnete Rechtsfolge besteht darin, daß die Behörde den Jagdausübungsberechtigten verhält, die notwendigen Schutzmaßnahmen vorzukehren oder den Wildstand zu vermindern. Diese Bestimmung verfolgt eine möglichst effektive Verhütung von Wildschäden. Diesem Zweck entsprechend ist sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend auszulegen, daß die Maßnahmen, die die Jagdbehörde dem Jagdausübungsberechtigten - je nach den jagd- und forstfachlichen Erfordernissen - aufzuerlegen hat, ausschließlich in Maßnahmen nach § 64 Abs. 1 JG oder ausschließlich in der Verminderung des Wildstandes nach § 49 Abs. 2 JG oder in einer Kombination dieser Maßnahmen bestehen können.

Die von der Bezirkshauptmannschaft im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen Maßnahmen betreffen (im wesentlichen mit Ausnahme der Untersagung der Rehwildfütterungen) Maßnahmen nach § 49 Abs. 2 JG zur Verminderung des Wildstandes. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid diese Vorschreibungen deshalb aufgehoben, weil ihre Anordnung in § 64 (Abs. 2) JG keine Deckung finde. Die Aufhebung dieser Vorschreibungen - ob der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dem Erfordernis ausreichender Bestimmtheit genügt, braucht hier nicht geprüft zu werden - erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Anordnung von Maßnahmen der Wildstandsverminderung zur Eindämmung der Wildschäden erforderlich ist. Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift zwar vor, von einem Zwangsabschuß sei deshalb Abstand zu nehmen, weil er - insbesondere im Hinblick auf die Abschußplanerfüllung und die Instandsetzung und Instandhaltung der Wildschutzzäune - nicht erforderlich sei. Abgesehen davon, daß sich dieses Vorbringen nicht mit dem Gegenteiliges ausführenden jagdfachlichen Gutachten auseinandersetzt, ist hier aber entscheidend, daß mangelnde Sachverhaltsfeststellungen eines Bescheides nicht in der Gegenschrift nachgeholt werden können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 607, zitierte hg. Rechtsprechung); es erübrigt sich daher ein Eingehen auf dieses Vorbringen der Gegenschrift.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde anstelle der von der Erstbehörde angeordneten Maßnahmen die Instandsetzung und Instandhaltung der bestehenden Wildschutzzäune vorgeschrieben. Die Entscheidung der belangten Behörde stellt eine Einheit dar, was einer Aufhebung bloß eines Teiles entgegensteht. Der Verfahrensgegenstand ist nicht teilbar, weil im konkreten Einzelfall durch die Gesamtheit der nach § 64 Abs. 2 JG aufgetragenen Maßnahmen weiteren Wildschäden entgegengewirkt werden soll. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß insoweit auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen werden mußte.

Zum Einwand des Beschwerdeführers betreffend die Befangenheit des von der belangten Behörde herangezogenen Amtssachverständigen (§ 53 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG) sei auf folgendes hingewiesen: Der Umstand, daß ein jagdfachlicher Amtssachverständiger Inhaber der (oberösterreichischen) Jagdkarte ist, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für sich keinesfalls geeignet, dessen volle Unbefangenheit als Sachverständiger in Zweifel zu ziehen.

Die auf Art. 6 MRK gestützten verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Zuständigkeitsregelung des § 64 Abs. 5 JG (im gegebenen Zusammenhang gemeint wohl § 64 Abs. 2 JG) - es läge eine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche vor - vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Im Gegensatz zum Ersatz von Jagd- und Wildschäden betrifft die Anordnung von Maßnahmen zur Hintanhaltung solcher Schäden jedenfalls nicht den Kernbereich des Zivilrechts.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Eingabengebühr (120,-- S pro Eingabe) war für drei Ausfertigungen der Beschwerde zuzusprechen.