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VwGH vom 22.05.1996, 96/16/0100

VwGH vom 22.05.1996, 96/16/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der B-AG in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-1283/95, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich im Zusammenhang mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides folgender unstrittiger Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin verkaufte mit Vertrag vom ihre 89.999 Stück Aktien umfassende Beteiligung an der M-AG (Grundkapital: 90.000 Aktien im Nominale von je S 1.000,--) an die G-Corporation um S 1 Milliarde. Beide Vertragsteile tätigten das Geschäft als Händler iS des § 23 Abs. 1 KVG.

Mit Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin den Kaufvertrag dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien zur Anzeige, wobei darauf hingewiesen wurde, daß der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Erlangung der nach dem Bankwesengesetz notwendigen Genehmigung des Bundesministers für Finanzen stehe und daher noch nicht wirksam sei.

Die Bewilligung durch den Bundesminister für Finanzen wurde in der Folge am erteilt.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist dazu allein die Frage strittig, ob auf das Geschäft die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KVG (idF BGBl. Nr. 818/1993) anzuwenden ist. Die belangte Behörde verneinte diese Frage in Bestätigung der vom Finanzamt vorgenommenen Festsetzung von Börsenumsatzsteuer mit der Begründung, es komme nach der zitierten Ausnahmebestimmung darauf an, daß das in Rede stehende Anschaffungsgeschäft nach dem abgeschlossen worden wäre. Im vorliegenden Fall sei der Vertragsabschluß aber schon am erfolgt. Der Umstand, daß das Geschäft erst nach dem genehmigt worden sei, ändere am Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts. Dieser könne nicht im interpretativen Weg auf einen Zeitpunkt nach dem verschoben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichterhebung der Börsenumsatzsteuer verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 23 Abs. 1 KVG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden

Fassung der Novelle BGBl. Nr. 818/1993 lautet:

"(1) Händlergeschäfte sind Anschaffungsgeschäfte, bei denen alle Vertragsteilnehmer Händler sind. Für Händlergeschäfte, die nach dem abgeschlossen werden, ausgenommen über Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ist die Börsenumsatzsteuer nicht zu erheben."

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 KVG gelten auch bedingte oder befristete Anschaffungsgeschäfte als Anschaffungsgeschäfte.

Das streitgegenständliche Anschaffungsgeschäft bedurfte gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 BWG einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen.

Die Beschwerdeführerin vermeint, der gegenständliche Aktienerwerb sei ohne die erforderliche ministerielle Genehmigung nichtig gewesen, weshalb der Kauf erst mit der Genehmigung nach dem zustande gekommen sei. Dazu beruft sich die Beschwerdeführerin auf Laurer (in Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Ruess, MKK BWG, Rz 4 zu § 21 BWG), Takacs (Kapitalverkehrssteuer § 18/7 f), das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 91/15/0072, 0073, und verweist weiters auf Dorazil (Kapitalverkehrsteuergesetz Kurzkommentar V Rz 2.1 zu § 18 KVG), der die Auffassung vertritt, hinsichtlich aufschiebend bedingter Geschäfte trete die Steuerpflicht erst mit Bedingungseintritt ein.

Dazu ist folgendes auszuführen:

Zunächst ist der Hinweis der Beschwerde auf Laurer (aaO. Rz 4 zu § 21 BWG) keineswegs überzeugend. Die zitierte Literaturstelle erwäge zwar Nichtigkeit iS des § 879 ABGB als Folge des Fehlens der erforderlichen Genehmigung, stellt diese Erwägung aber sofort selbst wieder in Frage, indem sie unter Hinweis auf § 6 Abs. 2 BWG ausführt, dieser gemäß § 21 Abs. 2 BWG anwendbaren Gesetzesstelle hätte es ja gar nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber von der Nichtigkeit eines genehmigungslosen Rechtsgeschäftes ausgegangen wäre. Gegen die Annahme, ein Rechtsgeschäft ohne Genehmigung sei nichtig iS des § 879 ABGB spricht aber vor allem folgender Umstand: Gemäß § 21 Abs. 2 BWG sind die Vorschriften der §§ 4 bis 6 und 8 BWG sinngemäß anwendbar. Bei diesen handelt es sich um die Regelung der für den Betrieb von Bankgeschäften (§ 1 Abs. 1 BWG) erforderlichen Konzession. Zur Frage des Betriebes von Bankgeschäften ohne die hiefür erforderliche Konzession bestimmt aber § 100 BWG ausdrücklich folgendes:

"Wer Bankgeschäfte ohne die hiefür erforderliche Berechtigung betreibt, hat auf alle mit diesen Geschäften verbundenen Vergütungen, wie insbesondere Zinsen und Provision keinen Anspruch. Die Rechtsunwirksamkeit der mit diesen Geschäften verbundenen Vereinbarungen zieht nicht die Rechtsunwirksamkeit des ganzen Bankgeschäftes nach sich. Entgegenstehende Vereinbarungen sowie mit diesen Geschäften verbundene Bürgschaften und Garantien sind rechtsunwirksam."

Daraus folgt, daß das genehmigungslos betriebene Geschäft keineswegs nichtig sondern nur partiell unwirksam ist (so insbesondere auch Laurer aaO. Rz 1 und 3 zu § 100 BWG). Dieser ist im Wege des Verweises durch § 21 Abs. 2 BWG auf die Bestimmungen über die Konzession auch auf jene Rechtsgeschäfte anzuwenden, die gemäß § 21 Abs. 1 BWG genehmigungspflichtig sind.

Somit ist in Ermangelung einer dem Normzweck des § 21 Abs. 1 BWG zwingend entnehmbaren Nichtigkeitssanktion nach allgemeinen Regeln die Rechtsnatur des vorliegenden Vertrages bezogen auf den Zeitraum zwischen dem Vertragsabschluß und der Erteilung der Genehmigung zu untersuchen. Nach gefestigter und übereinstimmender Meinung der österreichischen Literatur werden Rechtsgeschäfte, die der Erteilung einer behördlichen Genehmigung bedürfen, als (im Wege einer sogenannten Rechtsbedingung) aufschiebend bedingt angesehen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10 86; Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre, JBl. 1974, 506; F. Bydlinkski in der Entscheidungsglosse JBl. 1975, 652, weiters in Klang2 IV/2, 777 FN 112, 113 und insbesondere in Ostheim-FS 43 ff, 50;

Rummel in Rummel ABGB I2 Rz 6 zu § 897 ABGB; Apathy in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar Rz 4 und 5 zu § 897 ABGB;

Markl/Oberhofer, Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aus zivilrechtlicher Sicht, WoBl 1992, 169); auch die Judikatur vertritt jetzt geschlossen diese Meinung (vgl. zuletzt OGH EvBl 1994/66 sowie zB HS 24.621, 24.472, 18.676, 12.880, 12.877, 10.946 bis 10.952 uva).

Das Wesen aufschiebend bedingter Rechtsgeschäfte liegt darin, daß zwar die Vollwirkungen des Geschäftes (zivilrechtlich insbesondere in Gestalt der Erfüllungsansprüche) erst mit Bedingungseintritt effektuiert werden, daß aber bereits mit dem Vertragsabschluß eine Reihe von sogenannten Vorwirkungen begründet wird, aus denen sich vor allem eine Bindung der Vertragsparteien und die Pflicht ergibt, alles zu unterlassen, was den Bedingungseintritt vereiteln könnte, und alles zu tun, um den Bedingungseintritt herbeizuführen (vgl. zB F. Bydlinski in Ostheim FS aaO. 52 Abs. 2; Koziol/Welser aaO.; EvBl 1994/66 uva). Diese Vorwirkungen werden unabhängig vom Bedingungseintritt bereits durch den Vertragsabschluß begründet (F. Bydlinkski in Ostheim-FS 51, 52).

Daraus folgt zunächst, daß auch ein Anschaffungsgeschäft, das einer behördlichen Genehmigung bedarf, vor Erteilung der Genehmigung zwar noch nicht als voll wirksam aber zugleich auch keineswegs als voll unwirksam bzw. als überhaupt noch nicht wirksam bezeichnet werden kann, weil auch bei einem solchen Geschäft bereits durch den Vertragsabschluß und unabhängig von der Genehmigung die erwähnten Vorwirkungen begründet werden.

Aus diesem Grund steht auch das von der Beschwerde ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom , Zlen. 91/15/0072, 0073, der von der belangten Behörde getroffenen Lösung nicht entgegen, weil dort (im Zusammenhang mit der im damaligen Beschwerdefall für die Gültigkeit des Anschaffungsgeschäftes erforderlichen Errichtung eines Notariatsaktes) nur die grundsätzliche Aussage getroffen wurde, daß es auf das rechtswirksame Zustandekommen des Anschaffungsgeschäftes ankommt, jedoch nicht bezogen auf den Sonderfall eines durch behördliche Genehmigung aufschiebend bedingten Geschäftes zwischen den Vor- und Vollwirkungen differenziert wurde.

Auszugehen ist somit davon, daß für den österreichischen Rechtsbereich ein Anschaffungsgeschäft, das einer behördlichen Genehmigung bedarf, während des Schwebezustandes als aufschiebend bedingt anzusehen ist und bereits ab dem Vertragsabschluß die erwähnten Vorwirkungen entfaltet.

Für den Bereich der Börsenumsatzsteuer ist in diesem Zusammenhang weiters zu beachten, daß § 18 Abs. 1 Z. 3 KVG unter anderem ganz generell bedingte Anschaffungsgeschäfte den (voll wirksamen) Anschaffungsgeschäften gleichstellt. Dazu vertritt nicht nur der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/15/0109) sondern insbesondere auch die einschlägige deutsche Literatur die Auffassung, daß auch aufschiebend bedingte Anschaffungsgeschäfte die Steuerpflicht auslösen und daß die Steuer selbst dann nicht erstattet wird, wenn die aufschiebende Bedingung in der Folge nie eintritt (vgl. Brönner/Kamprad, KommzKVG4 Rz 12 zu § 18 dKVG; Kinnebrock/Meulenbergh, KVG5 Rz 30 zu § 18 dKVG).

Der davon abweichenden Meinung Dorazils aaO. Rz V 2.1 zu § 18 KVG), die im übrigen mit keinem Wort näher begründet wird, ist nicht zu folgen, weil dem Gesetzeswortlaut keinerlei Anhaltspunkt für eine Differenzierung zwischen Suspensiv- und Resolutivbedingungen zu entnehmen ist und darüberhinaus auch kein Umstand erkennbar ist, der für eine teleologische Reduktion des § 18 Abs. 1 Z. 3 KVG dergestalt spräche, daß er nur auf auflösend bedingte Anschaffungsgeschäfte anwendbar wäre.

Dasselbe gilt für den Versuch der Beschwerde, die Anwendung der zitierten Gesetzesstelle nur auf rechtsgeschäftlich begründete Bedingungen zu beschränken, Fälle von Rechtsbedingungen dagegen davon auszunehmen. Da das Kapitalverkehrsteuergesetz betreffend die Börsenumsatzsteuer bedingte Anschaffungsgeschäfte ohne jede Einschränkung den Anschaffungsgeschäften gleichstellt und - anders als das Gebührengesetz (vgl. dort § 16 Abs. 7 und § 17 Abs. 4) - nicht zwischen bedingten Geschäften und solchen differenziert, die einer behördlichen Genehmigung bedürfen, kann auch die auf § 16 Abs. 7 GebG sowie auf die von Takacs (aaO. § 18/7 f) referierte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes gestützte Argumentation der Beschwerde nicht überzeugen. Mangels einer für die Richtigkeit des Beschwerdestandpunktes unbedingt erforderlichen Differenzierung im Kapitalverkehrssteuergesetz zwischen rechtsgeschäftlich begründeten Suspensivbedingungen einerseits und Rechtsgeschäften andererseits, die einer behördlichen Genehmigung bedürfen, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, daß (wie oben gezeigt) die österreichische Literatur und Judikatur einhellig Rechtsgeschäfte, die einer behördlichen Genehmigung bedürfen, als suspensiv bedingt ansehen, vermag somit die Beschwerde keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Auch aus dem Argument der Beschwerde, die Steuerpflicht entstehe immer erst dann, wenn ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung des Wertpapiers begründet worden sei, ist im gegebenen Zusammenhang nichts zu gewinnen. Gerade dieser allgemeinen Aussage steht im Falle eines bedingten Geschäftes die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z. 3 KVG entgegen, wodurch nach der klaren Aussage des Gesetzes in diesem Fall die Steuerpflicht ohne Rücksicht darauf eingreift, ob eine Verbindlichkeit zur Erfüllung des Anschaffungsgeschäftes überhaupt begründet wird (vgl. dazu insbesondere das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis Zl. 91/15/0109 und die dort genannten weiteren Belegstellen).

Somit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.