VwGH vom 12.12.2001, 99/03/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Dr. E in E, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-10.264/7-1998, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 bestraft, weil er am um 13.08 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der B 156, in Richtung Eggelsberg, gelenkt und dabei auf Höhe Straßenkilometer 30,4 (Gemeinde Lamprechtshausen) die durch Vorschriftszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 60 km/h überschritten habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.
Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG als unbegründet abgewiesen, der Spruch des Straferkenntnisses jedoch wie folgt abgeändert:
"Dr. K E, wohnhaft in 5142 Eggelsberg, ist schuldig, eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO begangen zu haben, weil er am um 13.08 Uhr den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ..... auf der B 156, in Richtung Eggelsberg gelenkt und dabei auf Höhe Straßenkilometer 30,4 - Gemeinde Lamprechtshausen - die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von km 100/h um km 60/h überschritten hat."
Weiters habe die verletzte Norm richtig zu lauten:
"Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung".
2. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht (unter anderem) den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend, weil "das Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 2 StVO 1960 'Freilandstraße' nicht Eingang in eine rechtzeitige Verfolgungshandlung" gefunden habe. Dieses Vorbringen ist zielführend.
Gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 darf, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 leg.cit. eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren. Der Tatbestand der Übertretung nach dem dritten Fall des § 20 Abs. 2 StVO 1960 erfordert somit, dass der Lenker eines Fahrzeuges auf einer nicht als Autobahn zu qualifizierenden Freilandstraße schneller als 100 km/h fährt. Wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Verwaltungsübertretung ist somit die Begehung der Tat auf einer solchen Freilandstraße (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0294). Dieses wesentliche Tatbestandselement wurde dem Beschwerdeführer innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nach vgl. § 31 Abs. 2 VStG nicht zum Vorwurf gemacht. Diese Frist begann im Beschwerdefall ab dem , dem Tatzeitpunkt, zu laufen; sie endete am . Innerhalb dieser Frist erging als Verfolgungshandlung zunächst das Rechtshilfeersuchen der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung an die Bezirkshauptmannschaft Braunau vom , in dem zwar von einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 die Rede ist, ein das genannte wesentliche Tatbestandsmerkmal enthaltender Tatvorwurf aber nicht nur fehlte, sondern im Gegenteil von einer durch Vorschriftszeichen kundgemachten erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h die Rede ist. Dieser Tatvorwurf scheint auch nicht in der Anzeige vom bzw. in einem sonstigen Bestandteil der von der Erstbehörde geführten Verwaltungsstrafakten auf, in die der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am nach entsprechender Ladung und unter Aufforderung zur Stellungnahme Akteneinsicht nahm, weshalb der Beschwerdeführer auch mit dieser weiteren innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgenommenen Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 leg. cit. mit dem Vorwurf, auf Freilandstraßen die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten zu haben, nicht konfrontiert wurde. Dass sich - worauf die belangte Behörde hinweist - aus den Angaben in der Anzeige das Tatbestandsmerkmal, dass der Beschwerdeführer das Delikt auf einer Freilandstraße im Sinn des dritten Falls des § 20 Abs. 2 StVO 1960 gesetzt habe, (möglicherweise) erschließen lässt, vermag einen solchen konkreten Tatvorwurf nicht zu ersetzen.
Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Auswechslung wesentlicher Teile des Sachverhaltes nach Ablauf der Verjährungsfrist (und nicht bloß Änderung der rechtlichen Qualifikation der Tat) ist aber unzulässig, wenn dem Beschuldigten dieses Verhalten - wie im vorliegenden Fall - nicht innerhalb der Verjährungsfrist vorgeworfen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0169).
Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weshalb es entbehrlich war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am