VwGH vom 28.03.1996, 96/16/0036
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
96/16/0037
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerden 1. des Dr. GE, und 2. der HE in W, vertreten durch den Erstbeschwerdeführer und Mag. Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland je vom , 1) GZ GA 9-252/8/95, und
2) GZ GA 9-1279/9/95, je betreffend Nachsicht von Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Inhalt der beiden Beschwerden und den ihnen angeschlossenen angefochtenen Bescheiden ergibt sich folgender Sachverhalt:
Das beschwerdeführende Ehepaar erwarb mit Kaufvertrag vom von der H. Bau-GmbH die Liegenschaft EZ 87, KG N., mit der Parzelle Nr. 785/1 Garten je zur Hälfte um den Kaufpreis von S 4,000.000,--. Für den Erwerbsvorgang wurde die Steuerbefreiung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a GrEStG 1955 beantragt. Im Kaufvertrag wurde festgestellt, die Verkäuferin habe die Käufer ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht und die Käufer hätten dies ausdrücklich zur Kenntnis genommen, daß es derzeit ausgeschlossen sei, eine Baubewilligung gemäß § 70 Wiener Bauordnung zu erlangen, vielmehr auf der Liegenschaft nur eine Baubewilligung nach § 71 Wiener BauO erreicht werden könne.
Nach Ablauf der Acht-Jahres-Frist im Sinne des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 wurde den Beschwerdeführern am Grunderwerbsteuer von dem in Rede stehenden Erwerbsvorgang vorgeschrieben.
Mit einer Eingabe vom beantragten die Beschwerdeführer, die vorgeschriebenen Grunderwerbsteuerschuldigkeiten nachzusehen. Es läge eine extreme Unbilligkeit vor, da sie durch nicht selbst zu verantwortende Umstände gehindert gewesen seien, eine Baubewilligung zu erlangen. Es bestehe keine Möglichkeit, den Kaufvertrag rückgängig zu machen, da sich die H. GmbH in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befinde. Weiters werde für die Liegenschaft, auf der nicht gebaut werden könne, sowohl Bodenwertabgabe als auch Grund- und Vermögensteuer bezahlt.
Nach Abweisung der Nachsichtsansuchen durch das zuständige Finanzamt wurde in den Berufungen gegen die Abweisungsbescheide vorgebracht, eine persönliche Unbilligkeit liege nicht nur dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährde. Im Falle der Beschwerdeführer liege die Unbilligkeit darin, daß sie beim Abschluß des Kaufvertrages darauf vertraut hätten, ein Gebäude im Wohnungseigentum errichten zu können. Hiebei sei es gleichgültig, ob eine Baubewilligung gemäß § 70 oder § 71 Wiener BauO erteilt werde. Ebenso sei es unerheblich, ob ihnen ein rechtlicher Fehler unterlaufen sei. Die Beschwerdeführer hätten bei Abschluß des Kaufvertrages auf die außerhalb des Kaufvertrages gegebene Zusage der Verkäuferin vertraut, daß die Erlangung der Baubewilligung möglich sei; sie hätten diese Möglichkeit durch den Architekten Dipl.Ing. Sepp S. überprüfen lassen. Die Beschwerdeführer hätten die Ersparnisse eines Lebenswerkes für den Kauf dieser Liegenschaft investiert und besäßen nunmehr ein Gartengrundstück, das nur einen Bruchteil des Wertes des Kaufpreises besitze. Ein besonders tückischer Rechtsfall liege deswegen vor, weil die Liegenschaft im Grundbuch als Bauparzelle eingetragen gewesen sei, und zwar mit einem wirksamen Abteilungsplan. Nach Schaffung der Bauparzelle und des Abteilungsplans sei eine Umwandlung auf "G" (Garten) beschlossen worden. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes sei jedoch nie ordnungsgemäß kundgemacht worden, sodaß diese Umwidmung rechtsunwirksam gewesen sei. Daher hätten die Beschwerdeführer Anspruch, von der Gemeinde Wien die Liegenschaft zum vollen Verkehrswert eingelöst zu erhalten. Unerklärlicherweise habe der Magistrat die Einlösung verweigert.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen der beiden Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach Meinung der belangten Behörde liege in den Beschwerdefällen nicht ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis vor. Auch bei anderen, von den Erwerbern nicht beabsichtigten Verzögerungen bei der Errichtung eines Gebäudes müsse der Erwerber den Verlust der Grunderwerbsteuerbefreiung (nach dem GrEStG 1955) in Kauf nehmen. Überdies habe den Beschwerdeführern schon nach dem Inhalt des Kaufvertrages bewußt sein müssen, daß es bei der Erlangung der Baubewilligung Schwierigkeiten geben könne. Auch die Frage einer möglicherweise rechtswidrigen Vorgangsweise der Baubehörde bewirke keine Unbilligkeit der Einhebung der Grunderwerbsteuer.
In den Beschwerden gegen diese Bescheide werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf richtige Anwendung des § 236 BAO verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über diese in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 236 BAO können allfällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Zwischen Käufer und Verkäufer eines Grundstückes besteht in Ansehung der durch einen Kaufvertrag ausgelösten Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Z. 4 GrEStG 1955 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BAO ein Gesamtschuldverhältnis. Bei einem solchen Gesamtschuldverhältnis kann eine Nachsicht im Sinne des § 236 BAO nur dann erteilt werden, wenn die Billigkeitsgründe hinsichtlich aller Mitschuldner gegeben sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 91/16/0075, 0076 m.w.H.). Daß die Einhebung der Grunderwerbsteuer auch bei der Verkäuferin der in Rede stehenden Liegenschaftsanteile, der H. GmbH, unbillig sei, wurde von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Wenn auch in den Beschwerden von "finanziellen Schwierigkeiten" der H. GmbH die Rede ist, so wurde damit jedenfalls nicht dargetan, daß die Einhebung der Steuer bei der H. GmbH unbillig sei.
Aber auch bei den Beschwerdeführern selbst liegt eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vor: Eine solche Unbilligkeit muß nämlich in der Lage des Falles, das heißt in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet sein, weshalb ein Mangel des Gesetzes, der alle von diesem Gesetz erfaßten Steuerpflichtigen berührt, nicht durch Nachsicht behoben werden kann. Die Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben führt insbesondere nicht zur Unbilligkeit, wenn die wirtschaftliche Hoffnung, welche mit einem die Abgabepflicht auslösenden Geschäft oder Verhalten verbunden wurde, fehlschlägt. Dasselbe gilt auch bei der Einhebung von Abgaben, die an das Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes (z.B. Verkehrsteuern) anknüpfen, und der Zweck oder Erfolg vereitelt wurde, das Geschäft in der Folge einen anderen Verlauf nimmt als erwartet oder sich überhaupt zerschlägt und daraus Verluste resultieren (vgl. das Erkenntnis vom , 3093/80). Somit rechtfertigt auch im Falle der Beschwerdeführer, in dem entgegen ihren ursprünglichen Erwartungen eine Baubewilligung für das kaufgegenständliche Grundstück nicht erteilt worden ist, die mangelnde Bebaubarkeit der Liegenschaft und die daraus resultierende Wertminderung der erworbenen Liegenschaft eine Maßnahme nach § 236 BAO nicht, weil solche Einbußen an vermögenswerten Interessen mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und jeden gleich berühren können. Überdies geht schon - worauf die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden hingewiesen hat - aus dem Kaufvertrag selbst hervor, daß eine Baubewilligung nach § 70 Wiener BauO,
LGBL. Nr. 11/1930 i.d.g.F., für das erworbene Grundstück auszuschließen sei. Es bestand vielmehr von vornherein nur die Möglichkeit zur Erlangung einer Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes (§ 71 Wiener BauO). Auch der Umstand, daß eine Aufhebung des Kaufvertrages im Hinblick auf "die finanziellen Schwierigkeiten" der Veräußerin nicht in Betracht kam, kann zu keiner Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO führen.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.