VwGH vom 29.01.1997, 96/16/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der F-GmbH in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom , Zl. GA 5-1020/3-1995, betreffend Bodenwertabgabe für die Jahre 1992 bis 1993 (für die wirtschaftliche Einheit unbebautes Grundstück EZ. 1206, Grundstück Nr. 2802/4, ua, Kat.Gem. A, EW-AZ 003-2-1264/7 in W, O-Gasse), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren im Ausmaß von S 60,-- Beilagengebühr für zwei weitere Bescheidkopien wird abgewiesen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, wie sich ein formell noch aufrecht bestehendes Bauverbot gemäß § 19 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien (im folgenden kurz: BO), hinsichtlich dessen eine Ausnahme gemäß § 19 Abs. 2 BO gewährt werden müßte, auf die Festsetzung der Bodenwertabgabe auswirkt.
Die belangte Behörde vertritt in ihrer, den erstinstanzlichen Abgabenbescheid bestätigenden Berufungsentscheidung die Ansicht, daß die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. f BodenwertabgabeG 1960, BGBl. Nr. 285, im vorliegenden Fall deshalb nicht zur Anwendung komme, weil die Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 2 BO über einen Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Ausnahme von Bauverbot verfüge; dies deshalb, weil das in Rede stehende Grundstück bereits baureif geworden sei. Das Bauverbot stelle sohin kein Bebauungshindernis mehr dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 3 BodenwertabgabeG wegen Bestehen seines Bauverbotes nach § 19 BO verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. f BodenwertabgabeG 1960, BGBl. Nr. 285, entfällt die Entrichtung der Bodenwertabgabe für unbebaute Grundstücke, für die ein den flächenmäßig überwiegenden Teil des Grundstückes betreffendes Bauverbot oder eine Bausperre besteht.
§ 19 Abs. 1 lit. c BO normiert, daß ein Bauverbot auszusprechen ist, wenn die vor einem Bauplatz, einem Baulos oder vor Teilen von solchen gelegenen Verkehrsflächen noch nicht befestigt oder in ihnen nicht bereits ein öffentlicher Rohrstrang einer Trinkwasserleitung und ein Straßenkanal verlegt worden sind.
Gemäß Abs. 2 lit. b der letztzitierten Bestimmung der BO sind in den dort in Z. 1 bis 4 näher geregelten Fällen Ausnahmen ua vom Bauverbot nach Abs. 1 lit. c BO zu gewähren.
Ein solcher Fall liegt nach übereinstimmender Auffassung beider Streitteile vor (was sich im übrigen auch aus der Mitteilung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, an die Abgabenbehörde erster Instanz vom ergibt). Daß bescheidmäßig eine Ausnahme vom bestehenden Bauverbot gewährt worden wäre, wird von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weder behauptet noch ergibt sich derartiges aus den Verwaltungsakten.
Bei einem Bauverbot gemäß § 19 BO handelt es sich (im Gegensatz zu den Tatbeständen der gesetzlichen Bausperre gemäß § 8 leg. cit.) um individuelle Verbote, die bescheidmäßig auszusprechen sind (vgl. dazu zB Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, Anm. 1 zu § 19 BO sowie das aaO unter E 5 referierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0003, Slg 13236/A).
Der in Rede stehende abgabenrechtliche Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. f BodenwertabgabeG stellt, insoweit er den Begriff "Bauverbot" verwendet, auf das Bestehen eines solchen bescheidmäßig verfügten Bauverbotes ab, was daraus erhellt, daß er neben dem Begriff "Bauverbot" auch noch den Terminus "Bausperre" verwendet, worunter die Fälle der gesetzlichen Bauverbote (zB gemäß § 8 BO) zu verstehen sind (vgl. Geuder-Hauer aaO Anm 1).
Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 BO ergibt sich dazu eindeutig, daß es bei Vorliegen eines der Ausnahmetatbestände der lit. a bzw. lit. b Z. 1-4 leg. cit. der "Gewährung" der Ausnahme vom Bauverbot bedarf, also wiederum eines förmlichen individuellen, bescheidmäßig zu verfügenden Verwaltungsaktes, worauf allerdings ein Rechtsanspruch besteht (arg.: "sind zu gewähren"). Solange allerdings die betreffende Ausnahme nicht bescheidmäßig gewährt worden ist, ist das Bauverbot existent.
Da nun der hier in Rede stehende abgabenrechtliche Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. f BodenwertabgabeG ausdrücklich auf das "Bestehen eines Bauverbotes" abstellt und nicht etwa darauf, ob die sachlichen Voraussetzungen für ein bestehendes Bauverbot noch weiter vorliegen, ist solange keine bescheidmäßige Ausnahme vom Bauverbot verfügt wurde, der abgabenrechtliche Befreiungstatbestand als erfüllt anzusehen und daher die Abgabenpflicht zu verneinen. Der zitierte abgabenrechtliche Befreiungstatbestand ist insoweit strikt zu interpretieren (vgl. dazu zB die - allerdings kritisch - bei Ritz, BAO-Kommentar unter Rz 5 zu § 21 BAO angeführte hg. Judikatur), als schon aus Gründen der Rechtssicherheit auf das formale Bestehen eines bescheidmäßigen Bauverbotes bzw. auf das Vorliegen einer bescheidmäßig gewährten Ausnahme abzustellen ist und nicht einfach darauf, ob eine Ausnahmegewährung im Einzelfall zu erlangen wäre. Es soll in diesem Zusammenhang nämlich nicht unerwähnt bleiben, daß sich durchaus Fälle denken lassen, in denen trotz Vorliegens aller sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme gemäß § 19 Abs. 2 BO eine solche unterinstanzlich (wenn auch allenfalls rechtswidrig) zunächst versagt wird und erst im Rechtsmittelweg (allenfalls unter beträchtlichem Zeitaufwand) erkämpft werden müßte. Insoweit wäre aber das betreffende Grundstück vom formal weiterbestehenden Bauverbot trotz Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für die versagte Ausnahmegewährung während des gesamten Verfahrens betroffen und daher nicht einzusehen, warum für ein solches Grundstück Bodenwertabgabe zu entrichten wäre.
Da der angefochtene Bescheid sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet ist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft zweimal S 30,-- Beilagengebühr für zwei (mit Rücksicht auf die Sondervorschrift des § 28 Abs. 5 VwGG) überflüssigerweise vorgelegte Kopien des angefochtenen Bescheides.