VwGH vom 24.02.1995, 94/02/0440
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
94/02/0441
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen die beiden Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom ,
1) Zl. VwSen-220940/16/Le/La, betreffend Übertretung nach § 43 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung, sowie
2) Zl. VwSen-220939/21/Le/La, betreffend Übertretung nach § 44 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung (jeweils mitbeteiligte Partei: H in Linz, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden im oben bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. GesmbH und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten, daß, wie anläßlich einer Inspektion durch das Arbeitsinspektorat für den
9. Aufsichtsbezirk festgestellt worden sei, auf einer örtlich umschriebenen Baustelle in Linz am Arbeitnehmer dieser Gesellschaft Dachdeckerarbeiten, nämlich das Auswechseln von schadhaften Ziegeln, welche nicht als umfangreiche Reparaturarbeiten im Sinne des § 44 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung anzusehen gewesen seien, durchgeführt hätten, wobei (infolge näher angeführter Mängel) gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften, und zwar zu 1) gegen § 43 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung, zu 2) gegen § 44 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung und zu 3) gegen § 72 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, jeweils in Verbindung mit näher angeführten Vorschriften des Arbeitnehmerschutzgesetzes, verstoßen worden sei. Über den Mitbeteiligten wurden drei Geldstrafen, und zwar zu
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1) | S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage), zu | |||||||||
2) | S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) und zu | |||||||||
3) | S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) verhängt. |
Auf Grund der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates (Einzelmitglied) vom das Straferkenntnis zu Spruchpunkt 1 (Übertretung nach § 43 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung) und mit einem weiteren Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates (Kammer) vom das Straferkenntnis zu den Spruchpunkten 2 und 3 (Übertretung nach § 44 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung sowie nach § 72 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung) jeweils aufgehoben und die diesbezügliche Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Dagegen richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Zum diesbezüglichen Vorbringen des Mitbeteiligten in seiner Gegenschrift ist klarzustellen, daß sich die vorliegende Beschwerde ihrem Inhalt nach keineswegs nur gegen einen, sondern gegen zwei Bescheide richtet, selbst wenn darin von "gegen diesen Bescheid" die Rede ist. Allerdings geht der Gerichtshof davon aus, daß die Einstellung des Strafverfahrens durch die Kammer in Hinsicht auf Spruchpunkt 3 des Straferkenntnisses nicht bekämpft wird. Dies ergibt sich daraus, daß sich das Beschwerdevorbringen darin erschöpft, in den angefochtenen Bescheiden sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dem Mitbeteiligten sei ein Verschulden im Sinne des § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz nicht anzulasten. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides der Kammer geht jedoch zweifelsfrei hervor, daß in Hinsicht auf den Spruchpunkt 3 die Einstellung nicht aus diesem Grund, sondern schon deshalb erfolgte, weil hier "die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver Hinsicht nicht nachweisbar gewesen" sei.
Zwar enthält der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates bezogen auf Spruchpunkt 1 keine klare Aussage in Hinsicht auf die Frage, ob der objektive Tatbestand als erfüllt angesehen wurde, zumal danach "selbst unter der Annahme", daß dies der Fall gewesen sei, die Tat dem Mitbeteiligten "in subjektiver Hinsicht nicht vorwerfbar" sei, doch ist im Hinblick darauf davon auszugehen, daß die diesbezügliche Einstellung des Strafverfahrens schon deshalb erfolgte, weil ein Verschulden des Mitbeteiligten aus nachstehend angeführten Gründen verneint wurde.
Insoweit wird in beiden Bescheiden (sowohl des Einzelmitgliedes als auch der Kammer) hinsichtlich Spruchpunkt 1 und Spruchpunkt 2 im wesentlichen übereinstimmend festgestellt, der verunglückte Arbeitnehmer Sch. sei vom Mitbeteiligten als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz eingesetzt gewesen, wobei ihm auch diesbezüglich Anordnungsbefugnis erteilt worden sei. Der Mitbeteiligte habe glaubhaft gemacht, daß er seine Arbeitnehmer über die einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften immer wieder belehrt und darüber hinaus auch kontrolliert habe. Die Kontrolle habe darin bestanden, daß er selbst immer wieder die einzelnen Baustellen besucht und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften überprüft habe. Auf Grund der Aussage des Arbeitnehmers R. als Zeuge stehe weiters fest, daß der Mitbeteiligte als Arbeitgeber auch immer wieder überprüft habe, ob auf den Baustellen die Sicherheitsvorschriften eingehalten würden bzw. ob in den "Sicherheitskisten" auch alle nötigen Sicherheitsbehelfe vorhanden seien und daß diese "Sicherheitskisten" auch tatsächlich auf den jeweiligen Firmenfahrzeugen vorhanden gewesen seien. Im vorliegenden Fall hätte lediglich eine lückenlose Kontrolle in der Form, daß der Mitbeteiligte jede Baustelle zu jeder Zeit beaufsichtige, das Besteigen der Dachleitern durch den Arbeitnehmer Sch. verhindern können bzw. hätte vor dem Verlassen des Firmengeländes jedes Fahrzeug auf das Vorhandensein der Kisten überprüft werden müssen. Daß ein solches lückenloses Kontrollsystem auf Grund der örtlichen Verschiedenheit der einzelnen Baustellen bzw. der am Morgen herrschenden allgemeinen Hektik des Aufbruches der einzelnen Arbeitspartien nicht durchführbar sei, liege auf der Hand.
Es entspricht allerdings der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0422), daß von der Behörde von Amts wegen zu ermitteln ist, ob der Arbeitgeber (bzw. in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ) es etwa bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen, wobei dem Arbeitgeber dabei die Verpflichtung obliegt, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Ob der Arbeitgeber dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend dieser Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem darzulegen ist. Von der Darlegung eines solchen Kontrollsystems durch den Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren kann allerdings keine Rede sein, zumal selbst stichprobenartige Besuche keine ausreichende Kontrolle im beschriebenen Sinn darstellen würden. Der Mitbeteiligte hat in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am selbst ausgeführt, er habe den Bevollmächtigten Sch. "nur mehr gelegentlich kontrolliert u.zw. bei größeren Baustellen".
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie das Strafverfahren im bezeichneten Umfang jeweils wegen mangelnden Verschuldens des Mitbeteiligten eingestellt hat. Die angefochtenen Bescheide waren daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.